
Die Stadtwerke kündigen von sich aus 4700 Laufzeitenverträge, werfen also fast alle Kunden raus. Strom und Gas beziehen die ab dem 1.1.2023 vom Grundversorger. Das ist Eon, ein Unternehmen mit 14 Millionen Kunden in Deutschland.
Damit das nicht das Ende der noch nicht einmal zehn Jahre alten Geschichte der Stadtwerke ist, machen sie einen einmaligen Move: „Das ist uns in der Form bisher nicht untergekommen“, sagt Eon dazu. Den Kunden wird eine Vollmacht ans Herz gelegt: Wir holen euch automatisch zurück, wenn wir wieder günstiger sind als der Grundversorger. Eine Dienstleistung, die es am Energiemarkt für Endkunden durchaus gibt. Aber in dieser Form bisher nicht.
Eon kann das nicht so an sich vorbeiziehen lassen. Der Brief an Stadtwerke-Chef Langensiepen vom CEO des Konzerns persönlich ist logisch. Ein Dax-Unternehmen kann sich niemals am Nasenring durch die Manege ziehen lassen. Fachmedien aus der Energieszene berichten über diesen Vorgang, totschweigen kann man ihn nicht.
Eon ist allein seinen Aktionären gegenüber ein „Nicht mit uns“-Schreiben schuldig. Der Konzern keilt also zum Gegenangriff aus, gegen die Stadtwerke und Bürgermeister Rajko Kravanja. Der wirbt schließlich für den Stadtwerke-Weg aus seinem Amt heraus und war in die Planung einbezogen. Immerhin ist die Stadt mit 50,1 Prozent größter Eigner ihres Stadtwerks.
Rechtliche Schritte sind eingeleitet, sagt Eon. Heißt wohl: Die Hausjustiziare prüfen den Vorgang. Ist das Vorgehen der Stadtwerke (aus Eon-Sicht) nur moralisch-gesellschaftlich verwerflich oder auch rechtlich unsauber? Aus Laien-Sicht würde man sagen: Sowohl fristgerechte Kündigungen als auch Vollmachten sind nicht verboten. Geprüft jedenfalls haben das auch die Stadtwerke. Vorher.
Und die Stadt? Bürgermeister Kravanja sagt, man handle „im Sinne unserer Kundinnen und Kunden, unserer Bürgerinnen und Bürger. Das ist auch unsere Aufgabe als Stadtwerke“. Und ja: Das ist auch seine Aufgabe als Bürgermeister.
Dass man nicht im Sinne von Eon handelt, war ihm und Langensiepen vorher klar. Darum hat man nicht vorher das Gespräch mit Eon gesucht; mit einem Konzern, der im Sinne seiner Angestellten, seiner Aktionäre handelt, aber nun so tut, als handle er im Sinne der Gesellschaft.

Am Ende muss und darf man fragen: War es clever, sich als Stadt Castrop-Rauxel mit einem Riesen wie Eon anzulegen? Wiederholt, denn beim Glasfaser-Ausbau hat man ja auch ein Eon-Geschäft ge-, wenn nicht zerstört. Vielleicht braucht man sich ja irgendwann noch mal. Mit viel Unterstützung von Eon aus Essen oder München ist dann sicher nicht zu rechnen.
Die Stadt und die Stadtwerke sagen, sie täten das für ihre Kunden. Für die ist es zweifellos der bestmögliche Deal mit minimalem persönlichen Aufwand. Für die Stadtwerke aber ist es wohl ein existenzieller: Rund 5000 Kunden hat man in den Jahren mühsam gewonnen. Ohne sie finge man noch mal ganz von vorne an. Dann also lieber Ärger mit Eon.
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