Jetzt verschärft der Energiekonzern Eon den Ton: In einem Schreiben an die Stadtwerke Castrop-Rauxel macht Dr. Filip Thon, Vorsitzender der Geschäftsführung, deutlich, was er von der Massenkündigung mit Rückhol-Aktion hält: Man habe das mit Verwunderung und Befremden zur Kenntnis genommen. Der Senior Vice President des Unternehmens, Lars A. Rosumek, gab am Dienstag bekannt, man habe rechtliche Schritte eingeleitet.
Thon schreibt im Brief an Jens Langensiepen, seit 2016 Geschäftsführer der erst 2013 gegründeten Stadtwerke: „Dass sich Ihr Unternehmen durch solch ein – aus unserer Sicht höchst unsolidarisches – Verhalten bewusst der Verantwortung für unsere Gesellschaft entzieht und die Last in schwierigen Zeiten einseitig abwälzen möchte, ist für uns in keiner Weise nachvollziehbar. Und solch ein Verhalten ist erst recht nicht im Sinne der Kunden. Sie bringen mit diesem Verhalten damit aus unserer Sicht ein Kundenverständnis zum Ausdruck, welches Kunden in der Krise als reine Verschiebemasse betrachtet.“
Selbstverständlich nehme Eon als Grundversorger „unsere Verantwortung ernst. Wie Sie wissen, ergeben sich durch solche nicht nur gesellschaftlich höchst fragwürdige Geschäftspraktiken, wie Sie sie ankündigen, aber auch für uns kurzfristige Auswirkungen – denn diese zwingen uns dazu, unsere Planungen entsprechend anzupassen.“ Thon schreibt, man behalte sich rechtliche Schritte vor.
Ob dieses Vorgehen rechtlich einwandfrei ist, hatte unsere Redaktion schon bei der Verbraucherzentrale angefragt. Hier läuft nach wie vor die Überprüfung durch Fachleute.
Infoabend in der Stadthalle
Am Dienstagabend (22.11.) sollte in der Stadthalle eine Informationsveranstaltung stattfinden, die die Stadtwerke einberufen hatten. Hunderte Kunden hatte sich angesagt, um sich aus erster Hand zu informieren. (Ergebnisse nach Redaktionsschluss, wir berichten weiter)
Die Stadtwerke hatten in einem Schreiben vergangene Woche allen rund 4700 Kunden von Strom- und Gasverträgen mit Preisgarantie zum Jahresende gekündigt. In dem Schreiben erklärte man das mit den Turbulenzen am Energiemarkt. Man könne die Preise des Grundversorgungstarifes nicht mitgehen und entlasse die Kunden darum zum günstigen Grundversorger. Anbei befand sich das Angebot, eine Vollmacht zu unterschreiben: Sobald die Stadtwerke wieder günstiger seien als der Grundversorger, können Kunden so automatisch zu den Stadtwerken zurückkehren.
In einer ersten politischen Reaktion sagte die FDP-Fraktion, sie sehe das Vorgehen der Stadtwerke ebenfalls kritisch. „Wir finden die Kritik der Eon nachvollziehbar“, erklärte Fraktions- und Stadtverbands-Chef Nils Bettinger, der das Schreiben von Eon am Dienstagmorgen vorliegen hatte.
Bürgermeister Rajko Kravanja hingegen argumentierte in einem Video-Interview mit unserer Redaktion, dass man „im Sinne unserer Kundinnen und Kunden, unserer Bürgerinnen und Bürger“ handle. „Hätten wir den Fixpreis gekündigt, wären die Menschen automatisch in einen sehr teuren Tarif gekommen. Das wollten wir nicht, weil es eben viele, gerade ältere Menschen gibt, die das vielleicht nicht gemerkt hätten, sondern erst mit der teuren Rechnung. Das ist nicht unsere Vorstellung, für Bürgerinnen und Bürger zu arbeiten.“
Für ein Stadtwerk sei das ein sehr ungewöhnlicher Schritt, gab Kravanja zu, „dass man seine Bürger, seine Kunden schützt, indem man ihnen kündigt. Aber wir haben aufgrund der Einkaufssituation leider keine andere Möglichkeit, als einen teuren Tarif anzubieten.“ Der Grundversorger habe das. Aber da werde „irgendwann die Preisspirale auch kommen“, so der Bürgermeister.
Dass Eon nun rechtliche Schritte prüfe, beunruhige ihn nicht: „Wir haben es auch juristisch prüfen lassen, darüber sollen sich dann Anwälte Gedanken machen. Wir sind verantwortlich für das Wohl der Bürgerinnen und Bürger, und das steht im Vordergrund.“
Bürgermeister Kravanja im Interview über den Fall Stadtwerke gegen Eon: jetzt auf rn.de/castrop
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