Wer hat richtig gehandelt? Oder anders: War das Verhalten von Johannes Beisenherz, Vorstand des Tierschutzvereins Castrop-Rauxel, und seiner Vorstandskollegin richtig? Das Gerichtsurteil um Hund Merlin und das Tierheim zieht Kreise. Nun meldet sich Elke Balz zu Wort, die selbst in einer anderen Einrichtung aktiv im Tierschutz ist.
Sie betrieb über Jahrzehnte den Hof „Refugium für Tiere in Not“ in Castrop-Rauxel. Auf dem Berg an der Hochstraße, gleich oberhalb der Innenstadt und als Ausläufer am Rande des Goldschmieding-Parks gelegen, nahm sie Tiere auf, die vernachlässigt wurden, die schwer geschädigt oder krank waren, und pflegte sie mit Bekannten und Freunden. Auch sie hatte immer wieder mit Schicksalen von Hunden und anderen Tieren zu tun, die in der Obhut ihrer Halter vielleicht nicht so behandelt wurden, wie es ihrer Art entsprechend wäre.
Nach unserer Berichterstattung über das Urteil des Amtsgerichts von Montag, 15.1.2024, ergreift Balz, wie Beisenherz pensionierte Lehrerin, nun Partei für den zu einer Geldstrafe verurteilten Ex-Bürgermeister. Sie spricht von einem Tier- und Behörden-Drama, das seit 2020 schwelt, aber mit diesem Urteil in erster Instanz wohl auch noch nicht beendet ist. Beisenherz und seine Vorstandskollegin kündigten gleich nach dem Urteil an, in Berufung zu gehen. Damit hat das Urteil keine Rechtskraft, sondern wird vor dem Landgericht erneut verhandelt.
„Es muss klargestellt werden: Das Leiden des Tieres zog sich mit Kenntnis des Veterinäramtes über mehrere Jahre“, sagt Elke Balz, die sich mit Tierschicksalen in Castrop-Rauxel grundsätzlich gut auskennt und als Mitglied im Tierschutzverein auch in Kontakt zum Vereinsvorstand steht. „Merlin war immer in einem extrem vernachlässigten Zustand, wenn er, bedingt durch häufige Krankenhausaufenthalte seiner Besitzerin, im Tierheim Recklinghausen oder Castrop-Rauxel aufgenommen werden musste.“
Verfügte ein Amtsarzt die Fortnahme?
Sie zitiert aus einem amtsärztlichen Gutachten von November 2020, das in Bezug auf Merlins Unterbringung festgestellt habe, dass „(...) nur durch unverzügliches Handeln sichergestellt werden (kann), dass dem Hund keine weiteren Leiden entstehen“. Es soll darin auch heißen, dass „die Fortnahme des Hundes zu verfügen und gegenüber der Eigentümerin ein generelles Tierhaltungs- und Betreuungsverbot auszusprechen“ sei. Einen Beleg könne sie nicht vorlegen, erklärt Balz im Gespräch mit unserer Redaktion, aber eine mündliche Versicherung, dass es den Tatsachen entspreche. Ende November habe das Amt dann seine Verfügung zurückgenommen. Auch hier: kein Beleg, aber eine Zusicherung.
„Da stellt sich die naheliegende Frage: Soll ein Veterinäramt sich nicht für das Wohl der Tiere einsetzen, anstatt sie ins Verderben zu schicken?“, sagt Balz. Wenn ein „Robin Hood“ auftauche, dem Gerechtigkeit und Schutz der ihm Anvertrauten wichtiger seien als Obrigkeits-Gehorsam, so finde sie das mutig „und aller Achtung wert“. „Ach, hätten wir doch viel mehr von diesen Robin Hoods, dann sähe unsere Gesellschaft vielleicht etwas besser aus“, so Elke Balz.

Balz selbst geriet in der Sache Merlin auch in Verdacht: Zwei Kriminalbeamte, ein Tierfänger, zwei Leute vom Veterinär-Amt und zwei Leute vom Ordnungsamt wurden Anfang 2021 bei ihr vorstellig, um nach dem Mischlings-Hund zu suchen. Und war er bei ihr? „Nein“, sagt sie.
„Ich wurde nie gefragt, wo das Tier ist. Ich weiß auch nicht, wo es ist oder ob es noch lebt und will das auch gar nicht wissen“, erklärt Elke Balz. Dass es jemand mit nach Hause genommen habe, sei aber höchst unwahrscheinlich: „Warum denn? Das Tierheim ist doch voll. Und wenn man einen Hund gewollt hätte, dann sicher nicht Merlin.“
Rechtsanwalt eingesetzt, statt Hund zu pflegen
Elke Balz sieht die Schuldigen wahrlich auf der anderen Seite: „Dass Merlin zu ihnen zurücksollte, dafür haben sie Briefe geschrieben und einen Rechtsanwalt eingesetzt. Aber sich um das Tierwohl zu kümmern, dazu waren sie nicht bereit oder in der Lage“, sagt sie.
Es herrsche in unserer Gesellschaft das Weltbild vor, der Mensch sei die Krone der Schöpfung und stehe über den anderen Lebewesen. „Aber so lange wir den Mitgeschöpfen keinen Respekt erweisen, werden wir nie eine wirklich humane Gesellschaft haben.“
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