Einzelhandel
Personalmangel trifft Castrop-Rauxeler Läden hart: Erste Konsequenzen
Der Mangel an Arbeitskräften hinterlässt sichtbare Spuren in Castrop-Rauxel. Geschäfte schließen früher, es machen sich Sorgen breit. Verkäufer und Inhaber schildern ihre Notlage.
von Sophia Wibbeke
Castrop-Rauxel
, 31.07.2022 / Lesedauer: 4 minDer Arbeitskräftemangel trifft Castrop-Rauxels Einzelhandel. Wer sich in der Castroper Altstadt oder in Habinghorst umschaut, sieht die ersten Konsequenzen in Form verkürzter Öffnungszeiten und dutzender Stellengesuche.
In der Altstadt schließt der Blumenladen Pusteblume montags und dienstags in den Sommerferien bereits um 13 Uhr*, die Bäckerei Kamps um 14 Uhr. Der Modeladen Gerry Weber ist nach Angaben der Presseabteilung des Unternehmens unterbesetzt. Der Laden müsse „ab und zu kurzzeitig die Türen schließen“, heißt es auf unsere Anfrage.Über Personalmangel klagen auch der Schuhladen Große-Kreul, Tevil‘s Fischwerk und der Polmarkt – ganz unterschiedliche Branchen also. Im persönlichen Gespräch kristallisieren sich jedoch unterschiedliche Beobachtungen und Vorgehensweisen heraus.
Inhaber trotz Krise lösungsorientiert
Irene Surma verkauft seit sieben Jahren mit ihrem Mann Romuald in der Castrop-Rauxeler Altstadt polnische Spezialitäten im Polmarkt. Bereits in der Corona-Pandemie hat sie ihre Öffnungszeiten um morgens und abends je eine halbe Stunde verkürzt. Und das gilt auch jetzt: Statt von 9 bis 18.30 Uhr öffnet sie von Dienstag bis Freitag von 9.30 bis 18 Uhr. Der Personalmangel treffe sie im Zusammenspiel mit den anderen Krisen hart, berichtet sie.
„Da wir spezialisiertes Personal suchen, das auch polnisch spricht, können wir nicht aus einen großen Pool aus Bewerbungen wählen. Nun finden wir keinen mehr“, schildert Irene Surma die Lage. Außerdem müsse sie die Person schlechter bezahlen, als sie gerne würde. Dies liegt an den Veränderungen der wirtschaftlichen Lage, mit denen sie auf ganz eigene Weise umgeht.
Anstatt nämlich alles teurer zu machen, biete sie spezielle Feinkost an. Auch der älteren Kundschaft biete sie eine gemütliche Kaffee-Ecke. Damit versuche sie die Verluste, die der Laden mache, zu kompensieren.
Lageanalyse und Folgen
Festgestellt habe sie, dass nach 16.30 Uhr weniger Kunden kommen.
Eine weitere Reduktion der Öffnungszeiten schließt sie bislang aus. Das klappe aber nur, wenn alle gesund bleiben, sagte sie hoffnungsvoll.
In anderen Geschäften liegen diese Hoffnungen bereits in der Vergangenheit. Kirsten Rutzen von der Bäckerei Kamps gegenüber dem Polmarkt schildert ihre Lage: „Ich bin teilweise komplett allein. Wenn ich da ein paar Brötchen schmieren muss, kann ich nicht noch andere Kunden bedienen.“ Die Folge sei, dass sich die Kunden am Ende der Schlange umdrehen und gehen.
Dauerhafter Schaden möglich
„Ich glaube, diese Kunden werden etwas anderes finden. Damit hätten wir sie dauerhaft verloren“, sagt sie.
Die geschlossene Bäckerei Kamps um 14:30 Uhr. Das Personal kommt nicht mehr hinterher, neues Personal ist nicht in Sicht. Hier sind die Konsequenzen schon eingetreten. © Sophia Wibbeke
Für sie zeichnet sich nicht ab, dass sich an dem Personalmangel kurzfristig etwas ändert. „Wir finden niemanden“, sagt Kirsten Rutzen. Eine Person, die zum Probearbeiten habe vorbeikommen wollen, sei nie erschienen. Kamps schließe also ab sofort ab 14 Uhr.
Ähnlich geht es dem Blumenladen Pusteblume. Zwar sei hier in den Sommerferien eine frühere Schließung durchaus üblich. Doch erzählt uns Claudia Jung von der Pusteblume, dass es diesen Sommer nicht wie sonst ist: „Ich habe keine Zeit, mich länger mit Kunden zu unterhalten.“ Sobald ein Gespräch stattfinde, falle eine andere wichtige Aufgabe weg. Aushilfen finde sie nicht.
Der Blumenladen Pusteblume bietet flexiblere Angebote an. Verkürzte Öffnungszeiten und die Bereitschaft, telefonisch individuelle Lösungen zu finden sind eine Folge des Personalmangels. © Sophia Wibbeke
Personalmangel Folge der Krisen-Wirtschaft?
Einen Mitarbeiter gefunden hat dagegen Tevil Akkus von Tevil‘s Fischwerk. Allerdings wirklich nur einen. Seine weitere Personalsuche blieb ebenfalls erfolglos. Er hat sich Gedanken über die Ursache gemacht.
„Wo soll jemand die Motivation hernehmen, lange zu arbeiten, wenn er am Ende weniger bekommt als mit Hartz IV und Minijob?“, fragt er rhetorisch. Er sehe die Lohnknappheit und die steigenden Preise ebenso als Ursache wie die dadurch entstehenden höheren Ansprüche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Doch mehr könne er nicht bezahlen. Und sehe sich damit nicht alleine: „Viele Arbeitgeber können einfach auch nicht mehr zahlen als zum Beispiel 13 Euro in der Stunde“, erklärte er. Damit würden sich Probleme gegenseitig verstärken.
Es überlebt, wer sich anpasst
Eine Sprecherin von Gerry Weber teilte die Einschätzung. Das Unternehmen suche nach Lösungen: „Wir kommen künftigen Arbeitnehmern immer mehr entgegen“, sagt sie. Konkret werden flexiblere Arbeitszeiten, mehr Teilzeit und höhere Prämien geboten. Das Problem sei allerdings so akut, dass man noch nicht sagen könne, ob das Vorgehen funktioniert.
Wirklich wirksame Rezepte zu finden ist offenbar schwer. Im Gespräch heißt es mehr als einmal: „Wir leben von Tag zu Tag.“ Auch bei Manuela Heyden vom Schuhladen Große-Kreul an der Münsterstraße: „Wir suchen schon Monate.“
Kein reines Altstadtphänomen?
Das Problem ist allerdings nicht auf die Altstadt beschränkt. Schaut man sich auf der Langen Straße in Habinghorst um, findet man ein ähnliches Bild: Stellengesuche jagen Stellengesuche. Und auch hier trifft es allumfassend alle Branchen: Kaufleute, Hörgeräteakustiker, Spielhallen. Und Jörg Binder von Möbel und Mehr, einem Hausmeisterservice.
Jörg Binder von „Möbel und Mehr“ auf der Langen Straße 58 in Habinghorst. Auch er sucht vergeblich nach Personal und geht so gut er kann auf mögliche Bewerber zu. Ohne Erfolg. © Sophia Wibbeke
Er suche schon lange nach Aushilfen. Vollzeit, Teilzeit und Minijob. „Es kommt noch nicht einmal zum Vorstellungsgespräch“, beklagt er sich. Dabei zahle er selbstverständlich Mindestlohn. Doch bringe dies anscheinend nichts. Auch hier schädigt der Mangel an Arbeitskraft das Geschäft: „Wir könnten weitaus mehr machen, wenn Personal da wäre.“
Noch keine Lösung
Will man die Gespräche zusammenfassen, zeigt sich: Der Personalmangel fordert die Inhaber heraus, zehrt an ihnen bereitet Sorgen. Die Lage wird beschrieben als eine Situation der Flexibilität und Spontaneität. Und bei einem sind sich alle einig: Hoffentlich findet sich bald eine Lösung.
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