Die Sitzung des Stadtrats war geprägt vom Schuldenloch, in das Castrop-Rauxel im Jahr 2024 noch tiefer hineinkriechen wird. Zu dem dreistelligen Millionenbetrag, den die Stadt in der Kreide hängt, kommen allein 2024 43 Millionen Euro neue Miese. Und darunter sind 3,1 Millionen Euro, die vom städtischen Haushalt an die Stadtwerke Castrop-Rauxel gehen sollen. Als Eigenkapital eines Unternehmens, das gerade zehn Jahre alt geworden ist. Wie passt das zusammen? Für die CDU-Fraktion war das ein Grund, kritisch nachzufragen.
Zehn Jahre Stadtwerke: Am Nikolaustag 2013 war der Gründungstermin, als ein kleines, aber ambitioniertes Stadtwerk den Einstieg in das schon damals umkämpfte Energievertriebsgeschäft wagte. „Es hat sich gelohnt, besonders für die Bürgerinnen und Bürger“, heißt es jetzt, zehn Jahre später, in einer Pressemitteilung der Stadt. Knapp 6000 Kundinnen und Kunden hätten sich bisher schon für „den Ökostrom und das Klimagas der Stadtwerke“ entschieden. Und Nachhaltigkeit, Kundenorientierung und Lokalkolorit seien seit der ersten Stunde tief in der DNA verwurzelt.
„Hinter uns liegt eine spannende Entwicklung von einer kleinen ‚Vertriebsbude‘ zum lokalen Versorger mit multiplen Handlungsfeldern und ausgeprägtem Fokus, die Energiewende vor Ort entscheidend mitzugestalten“, sagt Geschäftsführer Jens Langensiepen heute.
Während die Stadtwerke in den ersten Jahren „erwartungsgemäß“, so der Chef, der einst von Gelsenwasser in die anteilige Unternehmenstochter wechselte, noch nicht mit schwarzen Zahlen aufwarten konnten, arbeiteten die Stadtwerke heute „sehr profitabel“. Das Geschäftsjahr 2022 habe man mit einem Jahresergebnis von knapp 700.000 Euro im Plus abgeschlossen. Für 2023 liegt noch kein Geschäftsabschluss vor. Es sieht aber wieder nach einem deutlichen Plus aus. Und das in Zeiten der Energiekrise.

CDU-Fraktions-Chef Michael Breilmann ging in seiner Haushaltsrede im Stadtrat auf die Stadtwerke ein. Nicht wegen des Jubiläums, sondern weil es eben diesen Posten im Haushalt 2024 der Stadt mit 3,1 Millionen Euro für die Stadtwerke gibt. Breilmann sagte: „Wir alle wissen um die schwierige Lage und den Zustand der Stadtwerke. Da wird in den Runden mit keiner Silbe erwähnt, dass die Stadtwerke eine Eigenkapitalerhöhung um 3,1 Millionen Euro benötigen. Vielleicht wissen Sie ja mehr darüber. Aber die Bürger wissen es nicht. Warum wird das Geld benötigt? Und: War es das jetzt? Oder benötigen die Stadtwerke noch weitere Mittel?“ Man habe mehrere städtische Gesellschaften gegründet in den vergangenen Jahren, und das sei auch richtig so. „Aber der Informationsfluss muss gewährleistet werden. Einfach mal machen, Herr Bürgermeister“, adressierte Breilmann.
Langensiepen wundert sich und sagt, er vermute, die schwierige Lage beziehe er auf das Umfeld, in dem die Stadtwerke agierten. „In der Tat war die Situation während der Energiekrise ausgesprochen herausfordernd“, so der Stadtwerke-Chef. „Viele Versorger sind in dieser Zeit ins Straucheln geraten. Glücklicherweise ist es uns gelungen, diese schwierige Zeit unbeschadet zu überstehen, was auch auf die sehr vertrauensvolle und transparente Zusammenarbeit im und mit dem Aufsichtsrat zusammenhängt.“ Dort sei die CDU mit zwei Mitgliedern vertreten.

Im Aufsichtsrat sei in den letzten zwei Jahren mehrfach detailliert über die Notwendigkeit von Eigenkapital gesprochen worden. Es geht dabei um die Ausgestaltung der Übernahme der Energienetze. In der Novembersitzung 2023 sei es konkret um die 3,1 Millionen Euro Eigenkapital je Gesellschafter (49,9 Prozent Gelsenwasser AG, 50,1 Prozent Stadt Castrop-Rauxel) gegangen, so Langensiepen, um die anstehende Finanzierung abzuschließen. Dabei sei leider kein Aufsichtsrats-Mitglied der CDU anwesend gewesen, geschweige denn habe sich vertreten lassen. „Bemerkenswert“, so Langensiepen.
Neben der Stammeinlage zur Gesellschaftsgründung vor zehn Jahren sei bislang Eigenkapital lediglich für die Übernahme der Energienetze benötigt worden, um die Stadtwerke so profitabel und gestalterisch aufzustellen, wie sie es heute sind. „Die Eingabe von Eigenkapital ist überaus sinnvoll, da das Eigenkapital auskömmlich verzinst wird und damit wichtige Projekte erst möglich werden“, erklärt Langensiepen jetzt vor dem Hintergrund der finanziellen Schieflage der Stadt. „In Zukunft kann es sein, dass weiteres Eigenkapital benötigt wird. Dies wäre der Fall, wenn weitere, größere Zukunftsinvestitionen anstünden.“

Große Themen stünden nach den ersten zehn Jahren jetzt an. Nach der Übernahme der Konzessionen für das Strom- und das Gasnetz im Dezember 2021 will die Stadt mit den Stadtwerken die kommunale Wärmewende angehen, substanziell erneuerbare Energien ausbauen und Castrop-Rauxel zu einer „SmartCity“ wandeln. „Um nur drei Handlungsfelder zu nennen“, so Jens Langensiepen. Umtriebig arbeite man an den großen Fragen der Energiezukunft. „Man darf gespannt nach vorn schauen. Dabei spüren wir, dass uns die Menschen in dieser Stadt mehr und mehr Vertrauen schenken.“
Das empfindet auch Bürgermeister Rajko Kravanja so. Er sieht nur Vorteile im lokalen Energieversorger und freue sich über dessen Entwicklung: „Als Teil der kommunalen Familie machen die Stadtwerke für die Bürgerinnen und Bürger einen sichtbaren Unterschied – und das mit unbändigem Engagement. Ein echter Gewinn für Castrop-Rauxel“, jubelt der SPD-Mann anlässlich des „Zehnjährigen“.

Meilensteine in zehn Jahren Stadtwerke
Sichtbare Beispiele: 2016 baute man „Airkules“, das erste Windrad der Stadtwerke, „in Rekordzeit“, wie die Stadt meint. „Es markiert für das junge Stadtwerk den Anfang beim Ausbau der Erneuerbaren Energien“, so die Stadtverwaltung. Die Windkraftanlage bei Rain Carbon folgte ebenso wie Photovoltaikanlagen. Beides befinde sich derzeit auch „in der aktiven Entwicklung“, verbunden mit dem ambitionierten Ziel, bis 2030 80 Prozent des Stroms in Castrop-Rauxel aus erneuerbaren Energien zu schöpfen.
2017, als Elektromobilität noch in den Kinderschuhen steckte, stellte man die ersten Ladesäulen am Marktplatz auf. Heute sind über 80 von geplanten 100 grünen Ladesäulen errichtet. Sie prägen das Straßenbild und versorgen auch Menschen mit Ladestrom, die kein Wohneigentum haben.

2018 bot sich eine weitere Gelegenheit, eine Handschrift zu hinterlassen: Im Neubauareal „In der Kemnade“ mit über 200 innenstadtnahen Wohneinheiten ging man einen innovativen Weg bei der Wärme: Gemeinsam mit dem Investor Boulbos entwickelte man ein modernes Mieterstromkonzept, bei dem Strom aus Photovoltaik und Kraft-Wärme-Kopplung vor Ort erzeugt und verwendet wird. „Ein Quartier-Wärmeprojekt mit Vorbildcharakter“, meint die Stadt.
Seit Anfang 2021 gibt es die Kampagne CASKlimahelden im Projektgebiet „Rechts und links der Emscher“ in Ickern, Habinghorst und Teilen von Henrichenburg, wo 25.000 Menschen wohnen. 500 persönliche Energieberatungen zum Sanierungsmanagement der Häuser und Wohnungen gab es. Mehr als 70 Netzwerkpartner aus Handwerk, Industrie und Gesellschaft unterstützen die Stadtwerke, die energetische Sanierungsquote zu erhöhen.

2021 übernahmen die Stadtwerke die Verantwortung für die öffentliche Straßenbeleuchtung, modernisierte fast alle 8000 Leuchten im Stadtgebiet auf LED-Technik innerhalb von zwei Jahren. Es führt zu erheblichen Energieeinsparungen.
Seit jenem Jahr betreibt man auch das große Parkhaus am Einkaufszentrum Widmer Tor in der Altstadt und hat direkt Einfluss auf die Fläche, um sie bei Veranstaltungen als Ersatzparkraum in Laufweite für den Marktplatz vorzuhalten. Überhaupt Veranstaltungen: Geschäftsführer Langensiepen ist auch Geschäftsführer der neuen GmbH, die sich für Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing, auch für die Events in der Stadt, starkmacht. Nils Bettinger (FDP) bezeichnete Langensiepen in seiner Rede im Rat schon als Multifunktionär und dass er den Eindruck habe, „dass wir inzwischen zwei Bürgermeister haben“.
Als Sponsor bei Veranstaltungen engagiert
Langensiepen selbst ist die Außendarstellung wichtig, die er auch mit Werbemaßnahmen bei seinen eigenen Veranstaltungen verbindet: „Sponsoring ist ein probates Instrument, um Aufmerksamkeit auf die eigene Marke zu richten“, sagt der Chef. „Vor dem Hintergrund macht es Sinn, bei ausgewählten Veranstaltungen als Sponsor aufzutreten.“
Nach der Übernahme des Stromnetzes soll es nun „für die multiplen Herausforderungen der Energiewende gewappnet werden“, heißt es. Und das Gasnetz soll für eine Zukunft mit grünem Wasserstoff vorbereitet werden.
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