Seit dem Kosovo-Krieg engagiert sich Dorothee Kohtz Sie ist die Frau, die immer am Tor stand

Hilflosigkeit kann sie nicht ertragen: Dorothee Kohtz kümmert sich um Flüchtlinge
Lesezeit

An die sogenannte Flüchtlingswelle von 2015 können sich noch viele Menschen erinnern. Damals wurde die Turnhalle der Hans-Christian-Andersen Schule in Deininghausen umfunktioniert und dort wurden von November 2015 bis Mai 2016 Flüchtlinge untergebracht.

Für Dorothee Kohtz aus Obercastrop waren diese geflohenen Menschen der Grund, sich wieder zu engagieren. Wieder deshalb, weil sie schon in den 1990er-Jahren half. Denn auch damals gab es, wie heute auch wieder, einen Krieg in Europa. Im Kosovo, im ehemaligen Jugoslawien, drehte sich eine Gewaltspirale. Und die Menschen suchten Schutz in Deutschland.

Dorothee Kohtz war damals Mutter zweier kleiner Kinder und ausgebildete Krankenschwester. In Ickern half sie gemeinsam mit einer Kinderärztin und einer weiteren Frau in einem Sanitätsbereich aus.

„Da waren Frauen, die haben auf der Flucht ihr Kind zur Welt gebracht. Die wollten nicht mehr als eine Tube Creme, um sich ein bisschen zu pflegen“, erzählt die heute 62-Jährige. Die einfachen Dinge, die wir im Alltag als Selbstverständlichkeit übersehen, sie werden auf der Flucht plötzlich zum Luxusgut.

„2015 habe ich dann wieder versucht, mich einzubringen“, sagt Dorothee Kohtz. Und das sei anfangs gar nicht so einfach gewesen. Aber sie habe nicht lockergelassen.

Arbeiten im Team

Regelmäßig habe sie vor dem Zaun der Flüchtlingsunterkunft in Deininghausen gestanden, habe Jacken und Schuhe an die Menschen verteilt. „Es gab Familien, die hatten nichts. Der Bedarf an Sachen war riesig.“

Irgendwann war die Obercastroperin ein bekanntes Gesicht in Deininghausen, auch die Security gewöhnte sich an die Besuche der Frau, die einfach nur helfen wollte. Kohtz: „Ich kann Hilflosigkeit nicht so gut ertragen.“

Mit der Zeit kamen die Menschen mit Anträgen und Formularen zu der Frau am Tor. Sie brauchten Hilfe, verstanden die Worte auf den Dokumenten nicht. Irgendwann kam Nejjirvan Alahmad dazu. Der Syrer konnte ein wenig Deutsch und sprach Englisch, weil er in Syrien englische Literatur studiert hatte. Mit seinen Eltern und Geschwistern war er 2015 nach Castrop-Rauxel gekommen.

Nejjirvan Alahamad und Dorothee Kohtz in ihrem Büro in Castrop-Rauxel.
Nejjirvan Alahamad und Dorothee Kohtz sind über die Jahre zu einem Team geworden. © Lydia Heuser

„Ab da haben wir zusammengearbeitet“, erzählt Dorothee. Der heute 31-Jährige ist inzwischen ein guter Freund der Familie geworden. Gemeinsam kümmern sie sich vom heimischen Büro in Obercastrop aus um Anträge, um das Ausfüllen von Formularen. Sie sind regelrecht Profis geworden.

Anfangs war das noch anders. „Ich weiß noch, wie ich mich mit einem Menschen beim Jobcenter verabredet hatte. Ich dachte, das sei beim Arbeitsamt an der Widumer Straße. Wir standen also an zwei unterschiedlichen Orten“, erzählt die 62-Jährige. Längst kennt sich die Ehrenamtlerin perfekt aus, weiß, wer die richtige Ansprechperson bei der Stadt für welches Problem ist.

Dorothee Kohtz mit den Ehrenpreis der Stadt Castrop-Rauxel
Dorothee Kohtz wurde mit dem Ehrenpreis der Stadt Castrop-Rauxel ausgezeichnet. © Lydia Heuser

2015 sei alles noch sehr kompliziert gewesen. „Die Flure im Rathaus waren geflutet. Man musste noch ganz viel persönlich abklären.“ Seit der Pandemie habe sich das geändert. Natürlich. E-Mail-Korrespondenzen und Telefonate gehören nun zu den Hauptaufgaben von Dorothee und Nejjirvan.

Der 31-Jährige studiert inzwischen Internationale Beziehungen, wenn er nicht dolmetscht und übersetzt. „Wir verfolgen seinen Bildungsweg mit großem Interesse“, sagt Dorothee Kohtz.

Zum Neujahrsempfang begleitete der Bachelor-Student die 62-Jährige. „Eigentlich hatte ich eine andere Verpflichtung“, erzählt Dorothee. Aber als die Stadt nochmal nachfragte, ob sie komme, entschied sie sich um.

Es hat sich gelohnt. Vor Ort sei sie dann „total überrascht“ gewesen. Mit der Auszeichnung des Ehrenpreises in der Kategorie Gesellschaft und Kultur ehrte die Stadt das jahrelange Engagement der 62-Jährigen und des Vereins für Flüchtlingshilfe, der sich 2016 im Zuge der vielen geflüchteten Menschen gründete.

Der Preis steht nun auf ihrem Schreibtisch. Dort, wo sie täglich weiter für die Menschen im Einsatz ist.

5. Ausgabe des PottCAS erschienen: Riesen-Hilfe für Obdachlosen und Arbeit in einer 7-Tage-Woche

Castrop-Rauxeler kritisiert Modernisierung im ÖPNV: „Man muss ja zuerst ein Konto anlegen...“

Hörtest-Check: Warum tiefe Töne schwieriger zu verstehen sind: Welttag des Hörens in Castrop-Rauxel