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Distanzunterricht in Castrop-Rauxel? „Sehe Schule nicht als Infektionsherd“
Coronavirus
Lange wollte Schulministerin Yvonne Gebauer nicht vom Präsenzunterricht abweichen. Jetzt sendet sie andere Signale. In Castrop-Rauxel sehen es zumindest die Gymnasien entspannt.
Bis vor wenigen Tagen hatte sich NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) klar für Präsenzunterricht ausgesprochen. Der Stadt Solingen, die gerne ihre Klassen an weiterführenden Schulen geteilt und eine Hälfte digital zu Hause unterrichtet hätte, wurde dies ausdrücklich untersagt.
Doch jetzt hat sich die Lage offenbar geändert. „Ich verweigere mich keinen Modellen. Ich bin offen für alle Unterrichtsmodelle, die dem Wohl der Kinder und dem Bildungsauftrag dienen“, sagte die FDP-Politikerin dem Kölner Stadt-Anzeiger.
Einen Wechsel zwischen Distanz- und Präsenzunterricht oder gestaffelter Unterrichtsbeginn wäre also auch in Castrop-Rauxel ab sofort denkbar. Dazu kommen die vorgezogenen Weihnachtsferien, die wohl auch Thema sein werden, wenn Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten am Montag beraten werden, inwieweit die Corona-Beschränkungen der vergangenen zwei Wochen ausreichend waren.
Schätzungen, nach denen 300.000 Schüler in Deutschland in Quarantäne seien, hatten in dieser Woche alarmiert. Auch in Castrop-Rauxel gab es in den vergangenen Tagen gehäuft Meldungen von Corona-Fällen an Schulen.
Doch ist damit der Präsenzunterricht nicht mehr angemessen? Die Schulleiter der beiden Castrop-Rauxeler Gymnasien, Dr. Friedrich Mayer vom Ernst-Barlach-Gymnasium und Joachim Höck vom Adalbert-Stifter-Gymnasium, verneinen das. An der Fridtjof-Nansen-Realschule allerdings, so Konrektor Volker Supanc, gibt es im Kollegium kein einheitliches Urteil, sondern auch viel Sorge.
In Castrop-Rauxel spricht nichts gegen den Präsenzunterricht
„Unsere Schule hatte bisher drei Infektionsfälle“, sagt Joachim Höck, „Stand jetzt gibt es keinen Fall, von dem wir sagen können, er geht von der Schule aus.“ Das Konzept mit Maskenpflicht, Lüften und Pausen nach der Stunde gehe auf. Der ASG-Schulleiter betont: „Ich sehe Schule nicht als Infektionsherd.“

Für ASG-Schulleiter Joachim Höck ist Schule kein Infektionsherd. © Matthias Stachelhaus
Für ihn ist Präsenzunterricht nach wie vor richtig. Nur so könne der Lernstoff ohne Verzögerungen vermittelt werden, dazu komme das soziale Miteinander in der Schule und die Betreuungsproblematik bei Distanzunterricht. Ein Plan B liege nicht in der Schublade, gleichwohl sei die Schule vorbereitet, sagt Höck.
Eine Klasse zu teilen, stoße auf die Schwierigkeit, dass nicht alle Schüler technisch gleichermaßen gut ausgestattet seien, sagt Höck. Es könne aber funktionieren, wenn beispielsweise zwei Tage die eine Hälfte in der Schule unterrichtet würde, während die andere Hälfte zu Hause die mitgegebenen Aufgaben bearbeite, um dann zu wechseln. Allerdings verlängere sich damit die Vermittlung der Lerninhalte.
Schüler sind sehr diszipliniert
Auch das Ernst-Barlach-Gymnasium sei mit bisher zwei Fällen gut weggekommen, sagt Schulleiter Friedrich Mayer. Man habe immer schnell reagiert und die entsprechenden Kontaktpersonen nach Hause geschickt. Mayer hebt ausdrücklich hervor, dass die Schüler sehr diszipliniert seien. „Ich finde es schon wichtig, dass Schüler kontinuierlich anwesend sind“, sagt er.
Ginge es nicht anders, würde Mayer das „Solinger Modell“ bevorzugen: die Teilung der Klassen und ein wöchentlicher Wechsel zwischen Präsenz- und Distanzunterricht. „Bei wochenweisem Wechsel kommen die Schüler noch nicht aus dem Rhythmus“, sagt er. Ganz schlecht dagegen findet er verschiedene Anfangszeiten. „Das würde uns schulisch vor große Probleme stellen, so Mayer, „Vertretungslehrer wären schlecht einsetzbar.“

Dr. Friedrich Mayer, Schulleiter am Ernst-Barlach-Gymnasium, sieht genau wie Joachim Höck eindeutige Vorzüge im Präsenzunterricht. © EBG
Herne geht gerade diesen Weg. Ab 16. November startet die Hälfte der Schüler zur ersten, die andere Hälfte zur zweiten Stunde. So soll das morgendliche Gedränge eingeschränkt werden. Wie das klappt, wolle man sich genau ansehen, hatte Bürgermeister Rajko Kravanja bereits vor zwei Wochen in einer Facebook-Sprechstunde gesagt.
An der Fridtjof-Nansen-Realschule denken manche Lehrer über Schichtbetrieb nach
Mit einem Schicht-Betrieb hat die Fridtjof-Nansen-Realschule bereits im Frühjahr gute Erfahrungen gemacht. Wenn Kinder mindestens 1,50 Meter Abstand im Klassenraum haben sollen, können maximal 13 Schüler gleichzeitig unterrichtet werden. In zwei oder, in größeren Klassen, in drei Schichten würden sich die Schülergruppen nicht begegnen. Das reduziert allerdings den Stundenumfang für jeden.
Ob das schon bald wieder so sein wird oder soll? Konrektor Volker Supanc sagt, dass man die Vorgaben des Landes abwarte. Er sagt aber auch, dass er keine einstimmige Meinung der Schule nennen könne. Im Kollegium wachse die Sorge. Gerade erst zu Beginn der Woche wurden 63 Schüler in Quarantäne geschickt.
Volker Supanc: „Die Gefahrenbewertung ist unterschiedlich“
„Die Zahlen im Frühjahr waren ja niedriger“, sagt Supanc, und ja, es gebe Kollegen, die darüber nachdächten, ob eine erneuter Schichtbetrieb nicht wieder Sinn mache. „Die Gefahrenbewertung ist unterschiedlich“, so der Konrektor. Auf der anderen Seite bedeute das wieder eine zusätzliche Belastung der Eltern. „Was ist der richtige Weg?“, fragt Volker Supanc und hat darauf keine Antwort.

Volker Supanc ist Konrektor der Fridtjof-Nansen-Realschule. In der Frage Präsenz- kontra Distanzunterricht sei sein Kollegium gespalten, sagt er. © FNR
Kommt es wieder zu einem partiellen oder kompletten Schul-Lockdown, sind sich die Schulleitungen in den beiden Gymnasien und der Realschule einig. Auch wenn sie unterschiedlich weit auf dem Weg der Digitalisierung sind: Dank der Schul-Lernplattform sind alle Schulen, ihre Lehrer und ihre Schüler besser darauf vorbereitet, aus der Distanz Unterricht zu machen.