Silke Mreyen ist Schulpflegschaftsvorsitzende am Adalbert-Stifter-Gymnasium. © Ronny von Wangenheim

Serie: Digitalisierung an Schulen

Elternvertreterin sauer: „WLAN-Anschluss benötigt mehr als Kabel“

Die ASG-Pflegschaftsvorsitzende sieht zwar bei der Digitalisierung an den Schulen Fortschritte. Aber die Defizite seien immer noch groß. Die WLAN-Planung der Stadt sei „wirklich lächerlich“.

Castrop-Rauxel

, 06.11.2020 / Lesedauer: 5 min

Dr. Silke Mreyen, Schulpflegschaftsvorsitzende am Adalbert-Stifter-Gymnasium, hatte im Frühjahr angesichts der Probleme beim Homeschooling auf schnelle Entscheidungen gedrängt. In einem offenen Brief an Bürgermeister Rajko Kravanja hatte sie die schnelle Beschaffung einer Lernplattform gefordert. Das hat damals auch geklappt. Im Interview sagt sie, wie sie heute über den Weg hin zur digitalen Schule denkt. Und dass ein Thema sie besonders ärgert.

Ist die Schule, sind die Schüler inzwischen besser auf Homeschooling vorbereitet?

Jein. Die Grundlage in Form der Lernplattform ist gegeben und das ist ein großer Mehrwert. Die damalige Lösung, alle Aufgaben per Mail von den Fachlehrern über die Klassenlehrer an die Eltern und damit an die Schülerinnen und Schüler weiterzuleiten, erforderte eine Menge Ressourcen und großen Aufwand. Durch die Lernplattform werden wir diesen Umweg zukünftig nicht mehr gehen müssen. Das ist wirklich ein Vorteil und ein großer Schritt nach vorn.

Was fehlt noch?

Es fehlt bei vielen Schülerinnen und Schülern die nötige Grundausstattung, um die Lernplattform komfortabel nutzen zu können. Und unter komfortabler Nutzung zähle ich nicht den Zugang zur Lernplattform über ein Mobiltelefon. Auch die Ausstattung der Lehrer ist nicht ausreichend. Als Lehrkraft an einer Schule wird man nicht, wie beispielsweise in der Industrie, mit entsprechenden Tools wie Laptop, Kamera, etc. ausgestattet, um auch von zu Hause arbeiten zu können. Das wird sich in Zukunft ändern müssen, aber da gibt es ja bereits Pläne.

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Bezüglich der Lernplattform fehlen natürlich noch Konzepte, wie diese in den normalen Unterricht eingebettet werden soll. Die Lernplattform darf außerhalb von coronabedingtem „Lernen auf Distanz“ nicht den Präsenzunterricht ersetzen oder als alleiniges Tool genutzt werden.

Was sind die größten Hemmnisse? Wie sieht in Ihren Augen eine gelungene Digitalisierung generell aus und was muss dafür passieren?

Ich glaube, die technischen Grundlagen dafür zu schaffen, ist durchaus gut möglich. Wichtig ist aus meiner Sicht aber außerdem die Einstellung aller Beteiligten, die Offenheit dem Wandel gegenüber und die Bereitschaft daran mitzuarbeiten. Ich glaube hier ist es sehr wichtig, dass an den Schulen die Lehrerinnen und Lehrer, die Schülerinnen und Schüler und die Eltern zusammen arbeiten und den Weg der Umstellung auf eine digitale Schule gemeinsam gehen. Jeder muss hier seinen Beitrag leisten und sich auch entsprechend einbringen. Am ASG beispielsweise möchten wir eine AG Digitalisierung ins Leben rufen, in der Lehrer, Eltern und Schüler gemeinsam an Konzepten, Ideen und Lösungen arbeiten. Das finde ich eine sehr gute Idee, weil es alle Parteien gut einbindet und allen die Möglichkeit gibt, sich einzubringen. Als Elternvertreterin finde ich es natürlich besonders wichtig, dass man einen solchen Prozess als Elternteil mitgestalten darf.

Wo sehen Sie (den größten) Investitionsstau?

Ich persönlich finde es schade, dass wir in einem Land wie Deutschland erst durch die Coronakrise darauf gestoßen werden, wie wichtig Investitionen im Bereich Schule und Bildung sind und wie sehr wir da im ganzen Land noch Nachholbedarf haben. Auch unabhängig von den Lücken im Bereich der Digitalisierung sind viele Schulen (auch unabhängig vom ASG), teilweise in ganz banalen Dingen, nicht ausreichend gut ausgestattet. Das fängt bei der Infrastruktur (Räume, Stühle, ordentliche Toiletten, funktionsfähige Fenster, etc.) an und hört bei der Ausstattung (Laborgeräte, Kugelschreiber, Radiergummi, etc.) auf.

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Die Bundespolitik macht es sich hier sehr einfach. Sie betont immer wieder, wie viele Geld zur Verfügung gestellt wird. Der Weg dieser Gelder bis in die Schulen ist ein sehr langer. Das ist vielen Eltern nicht klar. Sie neigen daher dazu, sich zu wundern, wieso sich bei so vielen finanziellen Mitteln nichts verbessert. Hier fehlt Transparenz. Die Verfahren zur Beantragung der Gelder sind komplex und aufwendig. In vielen Städten herrscht Personalmangel, somit werden die Gelder nicht abgerufen. Die größeren Investitionen müssen ausgeschrieben werden, auch damit ist ein langwieriger Prozess verbunden. Das führt dann auch, um mal ein Beispiel vom ASG zu nennen, dazu, dass von einer Schule bestellte Stühle zweieinhalb Jahre später geliefert werden. Das hat nichts mit der Digitalisierung zu tun. Es beschreibt aber die „Verbürokratisierung“ des Systems.

Ein Beispiel ist das Thema WLAN. Zurzeit wird in den weiterführenden Schulen daran gearbeitet. Allerdings nur an der Verkabelung. Sie hatten die Information, dass WLAN bis Ende des Jahres steht.

Genau. Die Stadt kommuniziert nach außen, dass es bis Ende 2020 WLAN gibt. Daraus schließen die Eltern natürlich, dass die Schüler dann mit ihren Handys oder anderen, noch zu diskutierenden, Endgeräten im Unterricht recherchieren und auch die angeschaffte Lernplattform nutzen können. Das wird aber nicht der Fall sein. Und das, weil die Stadt offenbar vergessen hat, dass ein funktionierender WLAN-Anschluss mehr als nur Kabel benötigt. Das ist wirklich lächerlich.

Wie kann es sein, dass man sich nur um die Verkabelung kümmert und danach erst den Rest ausschreibt? Ich verstehe da die bürokratischen Gepflogenheiten nicht. Und das ist jedes Mal so. Immer in etwas anderer Art und Weise. *

*Die Stadt Castrop-Rauxel hat auf unsere Erstveröffentlichung hin informiert, dass derzeit nicht nur am WLAN-Ausbau gearbeitet wird.Zeitgleich wird der Breitbandausbau vorangetrieben. Die Verlegung der Breitbandanschlüsse durch die Gelsennet-Kommunikations-GmbH ist derzeit in Arbeit. Hierbei handelt es sich um ein kreisweites Projekt. Der Fokus des Ausbaus lag und liegt bisher auf dem Bau der Trassen für die sogenannten Backbones, quasi die Autobahnen eines Breitbandnetzes. Insgesamt wurden in diesem Gebiet ca. 134 km Trasse gebaut. Das entspricht gut zwei Drittel der insgesamt zu bauenden Trasse im Ausbaugebiet Süd. Der Auftrag zur Lieferung und Installation von Access-Points beziehungsweise WLAN-Antennen ist erteilt.Aufträge für WLAN-Komponenten und Netzwerktechnik wurden vergeben.Parallel dazu wird, so die Stadt, intensiv daran gearbeitet, vorzubereiten, wie WLAN an den verschiedenen Schulen von Lehrern und Schüler genutzt werden soll. Wer soll Zugriff haben, in welchen Räumen, Datensicherheit sind hier Themen.Wann genau die weiterführenden Schulen schnelles WLAN haben werden, kann die Stadt nicht genau sagen. Angestrebt ist Anfang des kommenden Jahres.

Ich bin da völlig fassungslos und frage mich, ob die Stadt Castrop-Rauxel schon mal etwas von Projektmanagement gehört hat. Es muss doch eine übergreifende Planung möglich sein, die alle nötigen Arbeiten im Blick hat und dafür sorgt, dass diese parallel ausgeführt oder ausgeschrieben werden. In der Schule wird den Schülern ja auch nicht erst Mathe, dann Deutsch und dann Englisch, usw. beigebracht. Dann wäre man im Rentenalter mit der Schule durch. Super! Ich würde mir für die Zukunft sehr wünschen, dass die Prozesse als Ganzes schnell und sinnvoll vorangetrieben werden.

Wie ist Ihre Meinung zur Ungleichheit unter Schülern, wenn die eine Familie dem Kind privat ein Tablet etc. kaufen kann, die andere aber nicht?

Das ist natürlich auch am ASG ein großes Thema und hier müssen Möglichkeiten gefunden werden. Für solche Fälle gibt es staatliche Unterstützung und auch die Fördervereine der Schulen sind hier sicher gefragt. Besonders für Familien, die knapp über einer Förderungsgrenze liegen, sehe ich Bedarf. Dazu steht das AGS mit der Stadt im konstruktiven Austausch und versucht auch eigene Lösungen zu finden. Das finde ich wichtig und daran arbeiten wir.

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Mir als Elternvertreterin wäre aber an dieser Stelle auch eine hohe Bereitschaft auf Seiten der Eltern wichtig, die Kinder (wo sie können) in dem Prozess der Digitalisierung zu unterstützen, zu bestärken und ihnen dafür auch komfortable Tools an die Hand zu geben. Keine Schule wird allen Schülern Geräte zur Verfügung stellen können. Die Stadt hat, soweit ich weiß, 1000 Geräte für 7500 Schüler in Castrop-Rauxel zur Verfügung. Damit ist klar, dass sehr viele Schüler eigene Geräte kaufen müssen. Ein Mobiltelefon sehe ich, wie schon erwähnt, hier nicht als geeignet an.

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