Bei der Bundestagswahl gibt es rund 2,8 Millionen Erstwähler. © picture alliance / Bernd Settnik/dpa-Zentralbild/dpa

Bundestagswahl

Der Blick einer Erstwählerin: Kaum ein Kandidat interessiert sich für uns

Am 26. September ist Bundestagswahl. 2,8 Millionen junge Menschen dürfen dann zum ersten Mal wählen. Unsere Autorin ist eine von ihnen und zeigt ihren Blick auf Wahl, Kandidaten und Politik.

Castrop-Rauxel

, 17.08.2021 / Lesedauer: 3 min

Ich darf im September zum ersten Mal bei einer Bundestagswahl wählen gehen. Und obwohl ich politisch durchaus interessiert bin und weiß, wie wichtig Wahlen für eine funktionierende Demokratie sind - richtige Euphorie kommt bei mir nicht auf. Auch in meinem Umfeld ist vielen die Bundestagswahl zwar nicht egal, aber an eine Veränderung glaubt kaum einer. Woher kommt das?

Ich bin jetzt 20 Jahre alt. Als Angela Merkel Bundeskanzlerin wurde, war ich 4. Auch als Kind hat man die Wahl irgendwie mitbekommen. „Die erste Frau wird Chefin in Deutschland“, hieß es damals in den Kinder-Nachrichten. An ihren Vorgänger Gerhard Schröder kann ich mich nicht erinnern. Seit ich denken kann, ist Angela Merkel Bundeskanzlerin. Für meine Generation ist sie eine Institution.

Angela Merkel respektiere ich. Ohne persönliche Skandale, kühl und pragmatisch, aber oft überraschend schlagfertig hat sie ihre Kanzlerschaft gemanagt. Trotzdem hat es sich in vielen Bereichen so angefühlt, als hätte sich kaum etwas verändert. Angela Merkel war vieles, aber eine Revolutionärin ist sie nicht gewesen.

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Jetzt haben wir die Wahl zwischen Armin Laschet, der sich wie ein Elefant im Porzellanladen durch den Wahlkampf bewegt, Annalena Baerbock, die zwar jung, aber ebenso unprofessionell ist, und Olaf Scholz, der für mein Empfinden zumindest menschlich noch der erträglichste der Kandidaten ist. Möglicherweise weil er durch seine hanseatische Farblosigkeit neben den beiden anderen so gut dasteht.

Die Jugend wählt Grün

Vielleicht sollte ich meine Wahlentscheidung eher von der Partei als der Person abhängig machen. Die junge Generation hat vor allem ein Thema: den Klimawandel. Es verwundert deswegen wenig, dass laut einer Forsa-Umfrage von Juni rund 42 Prozent der Erstwähler die Grünen wählen würden.

CDU und SPD tun sich schwer bei den Jüngeren. Mit dem Rezo-Skandal 2019 wurde der Hashtag #niemehrcdu in den Sozialen Medien, vor allem auf Twitter verbreitet. Für viele Jugendliche war dieses Video und der Skandal danach der erste Berührungspunkt mit Politik.

Auch die SPD hat es nicht leicht. Klassische Arbeiterthemen ziehen nicht mehr bei allen. Wichtiger sind flexibles Arbeiten, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Digitalisierung. Unter den Jugendlichen interessieren Mindestlohn und Rente kaum.

Und auch wenn sie mittlerweile Digitalisierung, modernes Arbeiten und Klimawandel plakatieren, CDU und SPD haben diese Themen spät für sich entdeckt. Zu spät, um glaubhaft zu sein. Selbst die politisch Uninteressierteren kennen oft Angela Merkels Satz: „Das Internet ist für uns alle Neuland.“ Gesagt hat sie das 2013. Da war ich zwölf. Für mich gab es keine Welt ohne Internet.

Eine politische Generation ohne Partei

Die Politik hat meine Generation nie wirklich mitgenommen. In der Welt der Generation Z (geb. zwischen 1997 und 2010) wird über die Anrede mit den richtigen Pronomen diskutiert, Veganismus und Vegetarismus sind an der Tagesordnung, TikTok ist allgegenwärtig und Sexismus ist anscheinend ein Thema der Vergangenheit.

In dieser Welt bewegen sich große Teile des politischen Establishments nicht. Mit Fridays for Future hat diese Generation bewiesen, dass sie politisch ist, aber eine Partei haben sie nicht. Am ehesten sind es die Grünen, die ihre Interessen vertreten. Fraglich ist, wie viel die Grünen durchsetzen können, wenn sie in einer Koalition sind.

Am 26. September darf ich zum ersten Mal über die Zusammensetzung des Bundestages mitbestimmen. Ich glaube nicht, dass sich viel ändern wird. Kaum einem der Kandidaten kaufe ich ab, sich wirklich für die Belange derjenigen zu interessieren, die im Jahr 2000 oder später geboren wurden. Schade.

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