Michael Henke hinter seinem Tresen in „Haus Ratte“ in Frohlinde. Wegen des Coronavirus ist seine wirtschaftliche Existenz bedroht.

© Matthias Langrock

Castrop-Rauxeler Wirt fürchtet um seine Existenz: „Vier Wochen kann ich vielleicht überleben“

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Vielen Kneipen geht es seit Jahren schlecht. Das Coronavirus könnte vielen endgültig den Garaus machen. Einem Castrop-Rauxeler Wirt fehlt jetzt schon seine wichtigste Einnahmequelle.

Frohlinde

, 16.03.2020, 16:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Am Sonntagabend hat Michael Henke keine Zeit für Journalisten gehabt: „Ich hab noch drei Gäste da, die möchte ich noch verabschieden“, sagt der Wirt der Frohlinder Kneipe „Haus Ratte“ am Telefon. Aber jetzt, am Montagmorgen (16.3.) hat er Zeit. Zeit, um über das zu sprechen, was das Coronavirus aus seiner Kneipe und mit ihm macht.

Seit Wochen ist das Virus ein Thema für Michael Henke, spätestens seit Sonntagabend ein existenzbedrohendes. Sonntagabend ist ein Erlass des Landes-Gesundheitsministeriums ergangen, der festlegt, dass bereits ab Montag Bars, Clubs, Diskotheken, Spielhallen, Theater, Kinos, Museen schließen müssen. Restaurants, Gaststätten und Hotels sollen in ihrem Betrieb an strenge Auflagen gebunden werden, damit sich das Virus nicht weiter verbreitet.

Für Michael Henke herrscht Ungewissheit

Seitdem herrscht für Michael Henke vor allem: Ungewissheit. Ist Haus Ratte Gaststätte oder Bar? Muss er schließen, darf er öffnen? Wie streng sind die Auflagen? „Ich hab noch gar keinen Bescheid“, sagt er. Er warte auf die Stadtverwaltung. „Aber die sitzen alle beim Bürgermeister.“ Eine Entscheidung solle er bis Mittag bekommen, so ist es angekündigt. Um 17 Uhr öffnet er normalerweise.

Mit der Ungewissheit geht eine gewisse Ratlosigkeit einher. Wenn Kneipen möglicherweise geschlossen werden, warum dürfen die Menschen dann noch Bus fahren? „Da sitzen sie viel enger aufeinander als bei mir.“ Und überhaupt: Warum gibt es in Deutschland so viele unterschiedliche Regelungen: „Gucken Sie nach Bremen, nach Niedersachsen: Da dürfen die Leute sogar noch rauchen.“

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Klar ist aber auch: Egal, wie die Entscheidung ausfällt: Heftige Konsequenzen hat das Coronavirus für ihn jetzt schon – und sie werden noch schlimmer werden. Denn Michael Henke lebt weniger von dem 0,2-Pils für 1,50 Euro, das er jeden Abend an seine Stammgäste ausschenkt. Michael Henke lebt auch nicht von Essen, das er verkauft, denn er hat gar keine Speisekarte.

Seit 2015 ist Michael Henke Pächter von "Haus Ratte" in Frohlinde.

Seit 2015 ist Michael Henke Pächter von "Haus Ratte" in Frohlinde. © Matthias Langrock

Haus Ratte steht in der Tradition der alten Eckkneipen

Sein „Haus Ratte“ steht noch in der Tradition der alten Eckkneipe. Zur Kneipe gehört ein Saal für 70, 80 Leute. Das heißt: Geld fließt vor allem bei Veranstaltungen. Und diese Veranstaltungen fallen gerade samt und sonders aus. Nach Beerdigungen gibt es kein Kaffeetrinken mehr. Samstag hätte ein Klassentreffen bei „Haus Ratte“ stattfinden sollen, Michael Henke hatte zwei Anfragen für die Feier der Erst-Kommunion. Alles weg. „Ich bin bei Null“, sagt er.

Und er sagt auch, dass er die Kosten alleine nicht stemmen kann. Da geht es nicht nur um die vierstellige monatliche Pacht, sondern auch um Strom, Getränke, die er zunächst mal bei der Brauerei kaufen muss. Kosten, die er schon hatte oder die weiterlaufen. Und demgegenüber stehen kaum Einnahmen. „Wir brauchen nicht viel“, sagt der 55-Jährige. Aber ein bisschen muss es schon sein.

Michael Henke: Hoffe, dass ich schnell Hilfe kriege

Michael Henke muss auf das Prinzip Hoffnung vertrauen. „Ich hoffe, dass ich schnell Hilfe kriege. Solange muss ich von dem leben, was ich habe.“ Und wenn keine Unterstützung kommt? „Vier Wochen kann ich vielleicht überleben.“

Am Mittag bekommt Michael Henke die Nachricht: Er darf Haus Ratte wie gewohnt öffnen. Zumindest an diesem Montag. Und kann Bier verkaufen an seine Stammgäste. Allerdings müssen Tische zwei Meter auseinander stehen, Hygiene-Regeln müssen ausgehängt werden und Besucher müssen Kontaktdaten hinterlassen.

Doch noch am Montagabend folgt die Ernüchterung: Die Bundesregierung gibt bekannt, dass Gaststätten ab sofort immer um spätestens 18 Uhr schließen sollen. Als wir Michael Henke damit konfrontieren, ist die Nachricht für ihn selbst noch ganz frisch. Wie er damit umgehen will, kann er spontan noch nicht sagen.

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