Castrop-Rauxelerin macht Jamie Oliver Konkurrenz
„Türkisch. Leicht. Lecker“
Ein Jahr hat Ayse Tuncöz an ihrem Kochbuch gearbeitet. Eine Woche nach Erscheinen steht sie auf der Amazon-Verkaufsliste der Kochbücher auf Platz 2 – direkt hinter Starkoch Jamie Oliver. Wie schafft man das denn?

Ayse Tuncöz ist Kinderkrankenschwester. Jetzt hat sie das Kochbuch „Türkisch. Lecker. Leicht“ herausgebracht, das sofort zum Verkaufsschlager wurde: „Ja, das ist verrückt!“, sagt sie im Interview und erklärt auch, warum sie mit ihrer Idee von mehreren Verlagen abgelehnt wurde. © Ann-Kathrin Gumpert
Ayse Tuncöz (50) kocht leidenschaftlich gern. Aus dem Wunsch abzunehmen, ist das Kochbuch „Türkisch. Leicht. Lecker“ entstanden. Denn die Deutsch-Türkin, die im Alter von drei Jahren von Simav im Westen der Türkei nach Castrop-Rauxel kam, will auch bei einer Diät nicht auf die türkische Küche verzichten. Eine Woche nach Erscheinen ist das Kochbuch in der Amazon-Verkaufsliste weit nach oben geklettert. Im Interview erzählt die Deutsch-Türkin, wie es ist, auf einmal erfolgreiche Kochbuch-Autorin zu sein.
Kochbücher gibt es ja in einer Vielzahl. Wieso haben Sie sich dafür entschieden?
Die Geschichte, wie ich dazu gekommen bin, ist wichtig. Im Sommer 2016 habe ich mich bei „Weight Watchers“ angemeldet, weil ich abnehmen wollte. Doch nach einiger Zeit habe ich die türkische Küche vermisst. Ich dachte: Kein Problem, kaufe ich eben ein türkisches Kochbuch mit kalorienreduzierten Rezepten. Aber ich habe keins gefunden. Also habe ich meine Rezepte auf kalorienarme Lebensmittel umgestellt, gekocht und mit Kalorienangaben versehen. Die Rezepte habe ich im Abnehmforum gepostet – da nahm das Ganze seinen Lauf.
Da gab es dann aber noch kein Kochbuch, sondern nur einzelne Rezepte.
Ja, genau. Viele Frauen aus dem Forum haben mir erzählt, dass sie Screenshots davon gemacht haben. Sie fragten mich, wann ich ein Buch dazu herausbringe. Das habe ich erst mal belächelt. Ich wusste ja gar nicht, wie man das macht. Ich bin Kinderkrankenschwester und keine Autorin. Aber es kamen immer mehr Anfragen und ich entschied mich, es zu versuchen.
Und das hat dann auf Anhieb geklappt?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe jemanden engagiert, der mir dabei geholfen hat. Zusammen haben wir ein Exposé erarbeitet und es an drei Verlage geschickt. Einer hat sich nie gemeldet und zwei haben es abgelehnt.
Mit welcher Begründung?
Sie sagten mir, für kalorienreduzierte türkische Küche gäbe es keine Nachfrage.
Das hat sich ja als totale Fehleinschätzung herausgestellt. Sie stehen auf der Amazon-Verkaufsliste der Kochbücher auf Platz zwei, direkt hinter Starkoch Jamie Oliver.
Ja, das ist verrückt! Ich wollte das unbedingt machen. Dann habe ich Renate Blaes kennengelernt, die selbst Autorin ist und einen kleinen Verlag gegründet hat. Sie hat von Anfang an an mich und meine Idee geglaubt und wir haben zusammen das Buch herausgegeben.
Was war das Schwierigste daran, ein Kochbuch herauszugeben?
Ich konnte nicht fotografieren. Aber für ein Kochbuch braucht man unbedingt Fotos, auf denen alles lecker aussieht. Einen Fotografen zu engagieren, wäre zu teuer gewesen. Also habe ich mir eine Fotoausrüstung gekauft und einen VHS-Fotokurs gemacht. Ich hatte aber Angst, dass professionelle Food-Fotografen denken: Was erlaubt die sich?! Alles, was ich an Infos zu dem Thema bekommen habe, habe ich aufgesaugt. Irgendwann habe ich dann einfach angefangen zu fotografieren, und irgendwann gefielen mir die Fotos.
Die sehen ja auch wirklich appetitlich aus.
Und sie sind alle authentisch. Ich habe die Speisen selbst gekocht, fotografiert und mit Freunden, Kollegen und der Familie gegessen. Ich habe keine Lebensmittelfarbe oder so benutzt, um die Speisen optisch aufzuwerten.
Und für wen ist das Kochbuch jetzt etwas?
Die Rezepte sind nicht nur für alle geeignet, die eine Diät machen, sondern auch für die, die sich gesund und kalorienbewusst ernähren möchten. Alle, die Abwechslung suchen, treffen mit dem Kochbuch eine gute Wahl. Es sind auch viele vegetarische Speisen dabei, und die Fleischgerichte kann man auch vegetarisch zubereiten. Diabetiker freuen sich auch über die Rezepte, denn auch die Nachspeisen werden alle ohne Zucker zubereitet.
Aber ich muss schon gut kochen können, oder?
Die Rezepte sind nicht nur leicht von den Kalorien her, sondern auch leicht zu kochen. Die meisten Zutaten bekommt man im normalen Supermarkt und die Anleitungen sind kurz. Die meisten Rezepte sind auch nicht sehr aufwendig und dauern auch nicht sehr lange.
Halten Sie denn seit einem Jahr streng Diät?
Nein. Man sollte manches auch lockerer sehen. Das habe ich auch im Vorwort des Buchs so geschrieben. Man muss Essen auch genießen können und dürfen, vor allem bei besonderen Anlässen. Aber im Abnehmforum bin ich immer noch aktiv. Die Leute da sind so toll, ich glaube, die könnten die Welt retten mit ihrem Engagement. Die haben mich nicht nur zu dem Buch gebracht, sondern auch zu den Kochkursen.
Sie geben auch Kochkurse?
Ja, dabei koche ich nur Speisen aus dem Kochbuch. Ich wurde häufig danach gefragt, aber die Mitglieder des Forums kommen aus ganz Deutschland. Da haben sie kurzerhand ein paar Termine organisiert, in Recklinghausen und in Bremen. Mal in der großen Küche zu Hause, mal in einer Schulküche, weil ein Mitglied Lehrerin ist. Und die nächsten Wochen gebe ich Kochkurse in Stuttgart, Frankfurt und Ahlen. Sie sind alle ausgebucht.
Können Sie sich vorstellen, Ihren Beruf als Kinderkrankenschwester aufzugeben und sich ganz auf das Autorendasein zu konzentrieren?
Nein, ich liebe meinen Beruf. Den gebe ich niemals auf. Der Rest wird immer nebenbei laufen. Weil ich nur im Nachtdienst arbeite, geht das auch. Aber es überrollt mich alles gerade total.
Wer interessiert sich für Ihr Buch und die Kochkurse?
Das sind vor allem deutsche Frauen, die etwas Neues ausprobieren wollen. Aber vereinzelt auch türkische Frauen, die gerne abnehmen, aber nicht auf türkische Küche verzichten möchten. Die türkische Küche hat ja den Ruf, sehr fettig zu sein. Ich zeige, dass es auch anders geht.
Sie bloggen auch noch...
Ja, seit zehn Jahren auf Türkisch, seit sechs auf Deutsch. Den deutschen Blog habe ich aber mittlerweile geschlossen. Da waren irgendwann viel zu viele persönliche Geschichten über mich zu lesen.
Schreiben Sie lieber auf Türkisch oder auf Deutsch?
Ich habe es mal so erklärt: Deutsch zu sprechen und zu schreiben ist wie Laufen und Hopsen, aber türkisch zu sprechen und zu schreiben, das ist wie Fliegen.
Aber das Kochbuch ist ja auf Deutsch erschienen.
Ja klar! Ich habe aber auch schon Anfragen von türkischen Verlagen, ob ich es ins Türkische übersetzen kann. Das Problem ist nur: Einige Produkte, wie Stevia Kristall zum Süßen, gibt es in der Türkei nicht. Und ohne diese Produkte sind die Rezepte nicht mehr kalorienarm, und das Buch verliert seinen Sinn. Aber schön wäre es schon, es auch in der Türkei zu veröffentlichen. Denn ich bin in der Türkei genauso zu Hause wie in Deutschland.