Minus 43.472.553 Euro. Das ist der Haushalt für das Jahr 2024 der Stadt Castrop-Rauxel. So beschlossen und verabschiedet im Stadtrat in der vergangenen Woche. „Wir werden also keinen genehmigten Haushalt bekommen und werden unseres Rechtes enthoben, uns kommunal selbst zu verwalten“, sagt SPD-Chef Daniel Molloisch. Das sei aber in der Verfassung so verbrieft. „Die, die uns nicht mit den nötigen Mitteln ausstatten, betreiben Verfassungsbruch“, so der Fraktionsführer der größten Partei im Stadtrat.
Und in der Tat: So schlecht sah es um den städtischen Haushalt in der Geschichte Castrop-Rauxels wohl noch nie aus. Erträgen von rund 241 Millionen Euro stehen Ausgaben in Höhe von 278,5 Millionen Euro entgegen. Darin noch nicht enthalten sind die Finanzerträge (128.577 Euro) und die Finanzaufwendungen: Das sind in erster Linie Zinsen, die bei 6,4 Millionen Euro liegen. Gegenüber dem Entwurf des Haushaltsplans von Anfang 2024 haben sich die Erträge um 1,8 Millionen Euro erhöht, aber gleichzeitig die Ausgaben um 3,6 Millionen Euro.
Was führt dazu? Ein paar Beispiele nur: Dringliche Sanierungsmaßnahmen an Europa- und Stadthalle führen zu einem weiteren, kapp 2,4 Millionen Euro schweren Minus. Durch erhöhte Zuwendungen vom Kreis und vom Land kommen 520.000 Euro mehr rein. Auf der anderen Seite wird das Eigenkapital der Stadt bei den Stadtwerken erhöht: und zwar laut Ansatz um 3,1 Millionen Euro. Was genau dahinter steckt, da haben unsere Recherchen gerade begonnen.
Das Düstere an alledem: Auch für die folgenden Jahre sehe man nicht ansatzweise einen Haushaltsausgleich auf die Stadt zukommen. Corona- und Energiekrise haben einen klaren Blick auf die Zahlen durch zeitweise erlaubte Schattenhaushalte vernebelt. Zwar sinkt mit dem Blick in die weitere Zukunft das jährliche Defizit. Für 2025 geht man von einem Minus von 35,5 Millionen Euro aus. Für 2026 und 2027 von rund 31 Millionen Euro. Das Minus schrumpft, aber es bleibt immens. Allein in den kommenden drei Jahren würde die Stadt weit über 100 Millionen Euro neue Schulden machen.


Nils Bettinger von der FDP äußerte im Stadtrat bei seiner Rede zum Haushalt eine Ahnung: „Der Bürgermeister wartet auf Rettung von oben und macht den Haushalt so rot es nur geht, damit die Rettung am Ende höher ausfällt. Wie sehr muss man da losgelassen haben?“ Er zocke zusammen mit der rot-grünen Koalition, sie gingen eine Wette auf die Zukunft ein. Die, dass Land und Bund „unsere Zeche zahlen“, so Bettinger.
Für die Grünen sagte Timo Eismann, er erwarte auf Basis dieses verheerenden Haushaltes, dass alle an einem Strang zögen. „Er macht deutlich, was die Dinge sind, die wir brauchen.“ Konkret: Es braucht eine Altschuldenregelung. Es braucht mehr Zuwendungen von Land und Bund. Nicht immer neue kommunale Aufgaben, sondern Geld.
Die Partei kritisiert betonte „Ehrlichkeit“
Das Lachen ist der Politik ob all dieser Wahrheiten noch nicht vergangen. Anette Korte von der Freien Wählerinitiative, die mit zwei Sitzen im Rat vertreten ist, begann ihre Haushaltsrede mit einem Bild. Sie zeigte einen der Holzschnitte mit den Fördertürmen als Wahrzeichen der Stadt vor: Ein Geschenk der Verwaltung an die Ratsmitglieder zur letzten Sitzung war das, gefertigt in der Werkstatt des Berufsbildungszentrums in Dingen. Darauf sind Bäume zu sehen und ein einzelner Grubenmann. „Ist das Herr Eckhardt auf der Suche nach 40 Millionen Euro?“, fragte sie.
Die Ratsleute lachten. Ebenso wie bei Andreas Kemnas „Auftritt“. Der Sprecher von Die Partei brachte einen silbernen Koffer mit zum Rednerpult. Voller Geldscheine. „40 Millionen passten da aber nicht rein“, so Kemna. 500-Euro-Scheine in 50.000-Euro-Bündeln, von denen sich Bürgermeister Kravanja eines anreichen ließ. Kravanja, so Kemna, habe ja betont, dass sich die Verwaltung durchgerungen habe, einen „ehrlichen Haushalt“ vorzulegen. „Das finde ich super... dass man das so betonen muss. Ich hatte für selbstverständlich gehalten, dass man so Politik macht.“

Für den Haushaltsplan stimmten die Koalition aus SPD und Grüne sowie Marcus Liedschulte (Die Partei). Das ist die Mehrheit. Gegenstimmen kamen von CDU, FDP, FWI, Linke und Andreas Kemna (Die Partei). Die UBP war mit ihren zwei Ratsvertretern nicht anwesend. Der Plan geht nun mitsamt des ebenfalls beschlossenen Stellenplans und dem Haushaltssicherungskonzept an die Aufsichtsbehörde, also den Landrat des Kreises Recklinghausen und dann die Bezirksregierung.
Haushaltsdefizite melden in diesem Haushaltsplanungs-Jahr der überwiegende Teil der Städte und Gemeinden in NRW. Über 300 Bürgermeister schrieben einen gemeinsamen Brief in dieser Sache an den NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). „Auf eine Antwort“, so SPD-Fraktionschef Daniel Molloisch, „warten wir heute noch.“
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