In Highheels, paillettenbesetzten Höschen, tonnenweise Make-up und einer toupierten Perücke fühlt er sich wohl: Der Niederländer Léon van Leeuwenberg spielt in der WLT-Fassung vom Rockmusical „Hedwig and the Angry Inch“ die Hauptrolle. Für das „Bühne raus“-Programm im Parkbad Süd spielt er einen Mann, der sich für die Liebe zur Frau umoperieren lässt.
Rollentausch bei „Bühne raus“
Die meiste Zeit trägt er dabei Plateau-Sohlen. „Mit den Dingern bin ich über zwei Meter groß“, sagt der hochgewachsene Schauspieler lachend. Anfangs sei das ungewohnt gewesen, mittlerweile bewegt er sich in den Schuhen auch sicher, wenn er auf der Bühne tanzen muss.
In den ersten Proben in Heels hat er schnell gemerkt, dass sich seine Haltung und sein Gang automatisch verändert haben. Auch, weil er plötzlich mehr Gewicht an einer für ihn ungewohnten Stelle tragen muss. Er trägt auf der Bühne nämlich einen BH mit Silikon-Brüsten.

Seine Schauspielkollegin, Musical-Star Jessica Kessler, nimmt dazu quasi die Gegenposition ein. Ihr werden die Brüste abgebunden, sie muss breitbeinig sitzen und gehen. Schließlich spielt sie im Musical Hedwigs Eheman Yitzhak. Nur am Ende wird sie zur Drag Queen. Für diesen Kostümwechsel hat sie keine zwei Minuten Zeit.
Auch sie musste sich in der männlichen Rolle erst zurechtfinden. „Ich habe mich dann aber sofort wohl damit gefühlt“, sagt die Castrop-Rauxelerin. Auch die Musik hat ihr sofort gefallen, denn besonders seit ihrer Rolle im berühmten Queen-Musical We Will Rock You ist sie für ihre rockige Stimme bekannt. Schon damals, vor über zehn Jahren, spielte sie an der Seite von Lèon van Leeuwenberg. Der war anfangs unsicher, ob seine klassische Musicalstimme die Rocksongs tragen kann. Inzwischen habe er die Stimme für seine Figur aber gefunden.
Einzigartige Inszenierung vom WLT
Die kommt im mal deutsch, mal englischen gesungen Soundtrack bestens zur Geltung. Regisseur Tankred Schleinschock war es wichtig, einige Texte zu übersetzen. Schließlich sei sie eine Inszenierung aus deutscher Sicht. „Im Originalen gibt es einen Fehler, da spielen sie an einer Stelle die deutsche Nationalhymne. Was in der DDR ja keinen Sinn macht. Das haben wir rausgenommen.“
Stark gekürzt habe man einige Witze aus dem Originalen, die sich über Juden lustig machen und von den jüdischen Erfindern geschrieben wurden. „Das funktioniert in Deutschland einfach nicht“, erklärt er. Genau wie einige Wortwitze, die für ein deutsches Publikum schwer zu verstehen sind.
Philosophische Plattitüden
Eine Stärke des Rockmusicals: „Manchmal hat es etwas Mystisches oder Märchenhaftes. Es geht darum, die zweite Hälfte zu finden. Egal ob Mann, Frau, trans und egal, wer oder was die zweite Hälfte ist.“ Man könne sogar philosophische Ansätze im Stück finden. Schleinschock betont aber: „Das Stück funktioniert vor allem als tolle Rockshow!“
Das Parkbad Süd biete die perfekte Bühne. Weil nur zwei Darstellende plus Band auftreten, sei es ein „sehr intimes Stück“, so van Leeuwenberg, „das aber trotzdem dieses Konzert-Feeling braucht.“ Die deutliche kleinere Bühne im Vergleich zum WLT sei bestens geeignet.

Van Leeuwenberg ist sich sicher, dass die Zuschauenden nach der Vorstellung noch lange über die Show nachdenken werden. „Das ist eine riesige Zwiebel“, sagt er über das Stück. Nach und nach zeige sich eine neue Schicht.
Immer wieder muss Hedwig sich mit einem Leben voller verpasster Chancen abfinden. Immer wieder ist sie zur falschen Zeit am falschen Ort. Schleinschock: „Es geht um Macht. Sexuelle Macht und Macht innerhalb der Familie. Hedwig wurde von den Eltern missbraucht, körperlich und psychisch.“ Es ginge darum, wie Hedwig durch ihre Rockmusik zu einem lebenswerten Leben findet und sich mit ihrem neuen Geschlecht identifiziert.
Ein bewegendes Ende
Ist Hedwig and the Angry Inch also ein Stück über eine trans Person? „Nein“, sagt van Leeuwenberg, „Hedwig wurde schon von Frauen, Männern und trans Personen gespielt. Die Figur ist aber nicht trans, auch wenn das Stück oft so verkauft wird.“ Hedwig lasse sich umoperieren, um dem Leben in Ostdeutschland zu entfliehen, nicht weil er sich als Frau fühlt. Es sei mehr eine Show über eine Drag Queen.
Das wird auch am Ende deutlich. „Das ist mein Lieblingsmoment, da kriege ich immer Gänsehaut“, sagt Jessica Kessler. Mehr will sie aber nicht verraten. Was sie damit meint, müssen die Zuschauenden selbst herausfinden, wenn Hedwig and the Angry Inch beim „Bühne raus“-Theaterfest des WLT Freitag, Samstag und Sonntag um jeweils 20 Uhr im Parkbad Süd spielt.
Karten für die Vorstellungen sind an der Theaterkasse erhältlich: Tel.: 02305 978020, per E-Mail an tickets@westfaelisches-landestheater.de, an der Abendkasse oder online bei reservix.de. Tickets sind für 35 Euro erhältlich. Außer, Sie gewinnen Karten bei uns.
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