Lange Wartezeiten

Castrop-Rauxel: Psychotherapeuten sind überlaufen

Wer in Castrop-Rauxel psychotherapeutische Behandlung benötigt, muss sich auf lange Wartezeiten einstellen. Dabei ist die Stadt mit ihren laut Kassenärztlicher Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) 20 praktizierenden Psychotherapeuten offiziell sogar überversorgt. Wie passt das zusammen?

CASTROP-RAUXEL

, 28.09.2016 / Lesedauer: 3 min

Der Bedarf an psychotherapeutischer Behandlung steigt seit Jahren. Das äußert sich auch in Castrop-Rauxel mit langen Wartezeiten für Therapieplätze.

Die bundesweite Bedarfsplanung richtet sich nach der Einwohnerzahl in den Kreisen und Städten. Im Jahr 1993 seien dazu erstmals Zahlen festgeschrieben worden, sagt KVWL-Sprecher Jens Flintrop. Zuletzt angepasst wurden die Zahlen vor drei Jahren – mit dem Ergebnis, dass auf 8874 Einwohner ein Psychotherapeut kommen muss.

Zahl der Erkrankungen gestiegen

Das führt dazu, dass etwa der Kreis Recklinghausen mit seinen 111,8 Zulassungen für Psychotherapie auf dem Papier einen Versorgungsgrad von 160 Prozent besitzt. In Castrop-Rauxel ist der Wert angesichts 20 gelisteter Psychotherapeuten sogar noch höher. „Die statistischen Verhältniszahlen erscheinen heute aber in einem anderen Licht“, sagt Jens Flintrop. Was hauptsächlich daran liege, dass die Zahl der Erkrankungen angestiegen sei und es Menschen heutzutage allgemein leichter falle, sich in psychotherapeutische Behandlung zu begeben.

Auf die gestiegene Nachfrage kann allerdings nicht einfach mit einem größeren Angebot reagiert werden. Sobald ein Gebiet einen Versorgungsgrad von 110 Prozent erreicht, darf sich dort kein neuer Arzt niederlassen. Die Folge sind endlose Wartelisten.

„Einfach nur schlimm“

Patienten von Astrid Lieres aus Henrichenburg müssen bis zu einem Jahr auf einen Therapieplatz warten. „Das ist einfach nur schlimm“, sagt die Psychologin. „Auch für uns, wenn wir Patienten in Not abweisen müssen.“ Um mehr Patienten versorgen zu können, teilt sich Astrid Lieres ihren vormals vollen Sitz mittlerweile mit einer Kollegin. „Zwei Personen mit einer halben Stelle schaffen mehr als eine mit einer vollen“, sagt sie. In Castrop-Rauxel sei ihr kein Kollege mit freien Therapieplätzen bekannt.

Olaf Maletzki führt erst gar keine Warteliste. „Wir vereinbaren innerhalb von drei bis vier Wochen einen Termin für ein Gespräch, in dem der Bedarf ermittelt wird“, sagt der Kinderpsychotherapeut aus Frohlinde. Die sogenannte Psychotherapeutische Sprechstunde, ein zentrales Element der frisch beschlossenen Strukturreform der ambulanten Psychotherapie, die zum 1. April 2017 in Kraft tritt, wendet Maletzki somit bereits jetzt an.

Sprechstunde soll Bedarf ermitteln

Nach dem Gespräch bleiben Patienten entweder bei ihm oder werden an Kollegen, das Jugendamt oder Psychiatrien überwiesen. Um wenig komplexe Fälle kümmern sich seine drei Psychotherapeuten in Ausbildung (PIA). „Mit viel Trickserei bekommen wir es so auf etwa vier Wochen gedrückt“, sagt Olaf Maletzki. Die Schlagzahl sei jedoch hoch, „mal sehen, wie lange wir das noch schaffen“.

Und sollten Krankenversicherungen einmal aus Kostengründen auf die Idee kommen, in offiziell überversorgten Gebieten Sitze aufzukaufen, wäre das „ein absolutes Drama“. 

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