Gewinner und Verlierer

Bürgerinitiativen in Castrop-Rauxel: Die größten Tops und Flops

„Rettet die Hallenbadwiese“ nennt sich eine neue Bürgerinitiative, wie die Schwester von „Rettet die Alte Eiche“. Castrop-Rauxel hatte viele Bürgerinitiativen. Ein Blick auf Erfolge und Misserfolge.

Castrop-Rauxel

, 25.05.2022 / Lesedauer: 7 min

Unsere Gesellschaft lebt von bürgerlichem Engagement. Das kann sich in Kreuzchen auf Wahlzetteln äußern. Das ist ein sehr punktuelles Engagement, im Schnitt weniger als einmal jährlich möglich. Wer sich intensiver engagieren möchte, kann eine Bürgerinitiative gründen.

Wie aktuell die Bürgerinitiative „Rettet die Hallenbadwiese“, die sich gegen den Super-Spielplatz positioniert hat. Keine direkte Nachfolgerin von „Rettet die Alte Eiche“, über die häufig berichtet wurde, aber eine mit einer ähnlichen Stoßrichtung.

Aktuell gibt es auch noch die Bürgerinitiative „Nicht über unseren Köpfen“ in Pöppinghausen. Aber die Geschichte dieser Initiativen ist umfänglicher. Wir blicken auf einige herausragende Bürgerinitiativen in Castrop-Rauxel (ohne Vollständigkeits-Anspruch).

Rettet die Alte Eiche: Rund um ein geplantes Baugebiet zwischen Emscher und Heerstraße in Habinghorst bildete sich 2018 erst ein Aktionskreis, später auch ein eingetragener Verein mit diesem Namen. Es ging den einen um den Erhalt einer Stieleiche, die um die 250 Jahre alt ist, anderen sogar um die Verhinderung eines Wohnbaugebiets auf einem grünen Areal.

Das Baugebiet konnte die Initiative mit phasenweise weit über 50 Aktiven nicht verhindern, auch wenn es bis heute nicht realisiert ist. Aber es konnte den Erhalt dieses Baumes sichern, der nun in den Plänen sogar einen Sonderplatz bekommen hat, und vor allem: den Blick für den Klimawandel ganz lokal schärfen und die Menschen sensibilisieren.

So war das Ganze eigentlich ein Spitzen-Erfolg der Aktivisten – zum Nachteil für den Investor, der umplanen und sich lange damit auseinandersetzen musste. Bisher steht immer noch kein Bagger, geschweige denn ein Haus auf dem Areal...

Hände weg vom Stadtgarten: Heute noch als eingetragener Verein existent, gelang es den Aktivisten, das Parkbad Süd zu erhalten. Zwar nicht als Freibad, weil der Unterhalt zweier Freibäder für die klamme Stadt einfach zu teuer war. Aber als beliebte Event-Gastro mit Konzertbühne im alten Schwimmbecken. Außergewöhnlich!

1926 eingeweiht, wurde das Parkbad, das 1931 den Stadtgarten als grüne Lunge der Altstadt bekam, 1992 aus Kostengründen nicht mehr geöffnet. Die Bürgerinitiative „Rettet das Parkbad Süd“ sammelte 5551 Unterschriften dagegen, was aber die Entscheidung von Rat und Verwaltung nicht mehr rückgängig machte.

Als zwei Jahre später von Plänen die Rede war, die Badeanstalt als Baugelände auszuweisen und zu verkaufen, regte sich Widerstand. Der Verein beantragte, den Stadtgarten unter Denkmalschutz zu stellen. Das gelang. 1997 wurde das Baudenkmal komplett restauriert, 2001 dann als Gastronomie eröffnet. Die eine Initiative scheiterte, die andere war ein Erfolg. Heute gilt das Parkbad Süd als einer der schönsten historischen Biergärten des Ruhrgebiets. Philipp Walkenhorst und Klaus-Michael Lehmann führen den Verein bis heute.

Charly Plücker (v.l.), Frank Schwabe, Sean Reeves, Daniel Molloisch, Elmar Bök mit Alexander und Hendrik Meisel: Nur ein paar der Menschen, die sich über den Erhalt des Förderturms freuen, hier auf einem Bild von 2008. © Foto: Grunschel

Erin-Förder-Turm-Verein: Als Weihnachten 1983 die Kohleförderung auf der Zeche Erin eingestellt wurde, da dauerte es kaum ein Jahr, bis sich der Verein gründete. Sein Ziel: das Fördergerüst des Hauptförderschachtes 7 zu erhalten. Zu diesem Zeitpunkt im Oktober war das Gerüst schon zur Verschrottung verkauft.

Doch es blieb, wurde im Frühjahr 1986 trotz des Zechenabrisses auf dem riesigen Gelände rundherum zum Denkmal erklärt und steht als ein Wahrzeichen der Stadt im heute grün durchzogenen Gewerbegebiet Erin-Park. Der Verein weitete sein Engagement auf den Erhalt des Hammerkopfturms (Erin Schacht 3) auf Schwerin und die Zeche Teutoburgia im benachbarten Herne aus. Auch die stehen bis heute. Ein Erfolg auf ganzer Linie!

Jetzt lesen
Serie: Die Zeche Erin - Teil 2

Wie ein Förderverein die Fördertürme rettete

Aus dem Widerstand gegen den Bau einer Müllverbrennungsanlage in Ickern entstand die Freie Wählerinitiative (FWI), die bis heute kommunalpolitisch aktiv und mit zwei Mitgliedern im Rat der Stadt Castrop-Rauxel vertreten ist. Sie setzt sich bürgernah für konkrete Projekte ein, spricht selbst von „sachbezogener Politik“. Ihre „Lieblingsthemen“ waren und sind Straßenbaubeiträge, Abwassergebühren und andere Bürgerabgaben, die sie stets kritisch beäugt.

Dass es die Fridtjof-Nansen-Realschule (FNR) mit ihren mehr als 800 Schülern heute noch gibt, ist sogar einem Bürgerentscheid zu verdanken. Im Herbst 2012 stimmten die Wahlberechtigten in Castrop-Rauxel gegen eine Abschaffung zugunsten einer Sekundarschule Nord ab, mehr als 13.000 Menschen gegen 1500.

Eine der Vorkämpferinnen in dieser Sache war damals Christel Sperz, ehemalige FNR-Lehrerin und Mitbegründerin der Bürgerinitiative „Rettet die FNR“. Heute engagiert sie sich für die FWI als Sachkundige Bürgerin.

Auch gegen den Bau der B474n setzt sich die FWI seit zwei Jahrzehnten ein. Die Hauptverfechter allerdings finden sich in Waltrop: Dort gründete sich der Verein „Pro Waltrop e.V.“. Die Straße wird allerdings zu Teilen schon gebaut. Allerdings ist ihr Ausbau bis zum Autobahnkreuz Dortmund-Nordwest (A2/A45) noch lange nicht sicher.

In Obercastrop gab es um 2010 eine Initiative, eine Windkraftanlage im Wagenbruch auf Bochumer Stadtgebiet zu verhindern. Dabei gab es Ende der 90er-Jahre gegen die Planungen keine Einsprüche. Doch die Bürgerinitiative konnte sich erfolgreich zur Wehr setzen: Ein bereits errichteter Teil der Anlage wurde wieder abgebaut. Die vorgeworfene Willkür der Behörden wurde gerichtlich einkassiert.

1969 als Teil der neuen Siedlung Deininghausen errichtet, sollte 2004 das Wildgehege im Grutholz geschlossen werden. Ein Bürgerbegehren, angeregt und erkämpft von einem kleinen Team um Marianne Scheer, brachte über 7000 Unterschriften zum Erhalt. Daraus erwuchs ein Förderverein, der sich bis heute um das Damwild und die Pfauen kümmert. Mit außergewöhnlichem Engagement macht er das Gehege neben dem Bolzplatz und dem idyllischen Spielplatz bis heute zu einem wunderbaren Ausflugsziel in der Stadt für Familien.

In Frohlinde gab es jahrzehntelang Diskussionen um die alte Deponie Brandheide. In diesem Zuge spielte auch immer der Mühlenbach und der Mühlenteich eine Rolle: Er verschlammte zusehends. Mitte der 2010er-Jahre gelang es aber auch auf Bestreben der Bürgerinitiative „Rettet den Mühlenteich“, das kleine Spaziergänger-Idyll zu erhalten. Es wurde entschlammt.

Die Bürgerinitiative „Hände weg vom Bolzplatz“ zur Verhinderung der Wohnbebauung am Alten Garten in Henrichenburg kämpfte bis 2018/19. Erfolgreich. Am Ende kaufte ein Privatmann das Gelände und erhielt das viele Grün rund um die Grundschule.

Jule Springwald, Guido Baumann und Rüdiger Landsiedel (v.l.) brachten sich Anfang/Mitte der 2010er-Jahre intensiv mit einer Bürgerinitiative ein, um den Marktplatz-Umbau zu verändern. © Peter Wulle (Archiv)

Die Bürgerinitiative „Marktplatzerhalt statt Strukturasphalt“ um Sprecher Guido Baumann brachte sich bis 2015 in die Planungen des Marktplatzumbaus in der Altstadt ein. Danach wurde es ruhiger um die Bürgerinitiative, denn: Sie hatte ihre Ziele erreicht. Es hatte verschiedene Formen von Bürgerbeteiligung bei der Marktplatzfrage gegeben. Es flossen ein Erhalt von mehr Parkplätzen in die Pläne ein, auch wenn der Punkt Boulevard als Flaniermeile, den die Bürgerinitiative kritisch sah, umgesetzt wurde.

Die Bürgerinitiative „Grüne Oase“ ist bis heute für den Betrieb einer Hundewiese in Ickern-End verantwortlich. 2008 entstand die Initiative als Reaktion auf das Carat-Lager am Rapensweg, das den Bürgern ihre Hundewiese nahm. Rund 75 Helfer wurden zusammengetrommelt, um das Gelände vom Groppenbach bis zur Agora in Schuss zu bringen. Auch zahlreiche Spenden trugen dazu bei, dass aus dem Projekt ein Erfolg wurde.

Die Bürgerinitiative Freie Vinckestraße forderte ab November 2013 bei der Frage nach der Sanierung der Straße in Ickern, dass dafür nicht die Anwohner mit hohen Beiträgen belastet werden. Heike Lindner war Sprecherin der Gruppe. Die Sanierungskosten lagen bei insgesamt 2,7 Millionen Euro. Die Anlieger wurden daran nach dem Kommunalen Abgabengesetz (KAG) beteiligt. Allein im ersten Bauabschnitt reichten aber 24 Betroffene Klage ein.

Vergeblich: Am Ende mussten die Anlieger zum Teil hohe vier- und fünfstellige Ausbaubeiträge leisten. Die Abschaffung dieser Beiträge wird bis heute politisch diskutiert. Der Bund der Steuerzahler setzt sich bundesweit dafür ein.

In Merklinde gibt es seit jeher Streit um den Lkw-Verkehr auf der Gerther Straße. Es gab Kämpfer für den Bau einer Umgehungsstraße L654n, in erster Linie Anwohner Wilhelm Austermühle, und Gegner, vor allem Angelika Kirstein und die BI „Pro Wagenbruch“. Die Straße wurde nie realisiert. Die Soda-Brücke und der Neue Hellweg sind heute zwar da, weil sie schon früh als einzelne Bestandteile gebaut wurden – aber mehr wurde nicht aus der geplanten Spange bis Bochum-Gerthe.

Als gescheitert bezeichnen konnte man einst alle Versuche, verschiedene Grundschulen in Castrop-Rauxel zu erhalten: in Ickern (Marienburger Straße), Deininghausen, Merklinde und Obercastrop. Überall setzten sich Bürger dafür ein, geblieben ist keine der vier Schulen, zuletzt wurde die Friedrich-Harkort-Schule Merklinde dichtgemacht. Immerhin: Eine BI zum Erhalt der Marienschule in Merklinde war erfolgreich: Die einstige Schule wurde als Bürgerzentrum erhalten und von einem Verein übernommen.

So sahen Planungen aus für einen Moschee-Neubau in Castrop-Rauxel, den die beiden Ditib-Gemeinden Schwerin und Ickern gemeinsam schaffen wollten. Dagegen regte sich Widerstand, der auch von ganz rechts begleitet wurde. Die Moschee wurde nie gebaut: wohl aus Finanzierungsgründen. © Archiv

Im Jahr 2007 bildete sich eine Bürgerinitiative gegen den Bau einer gemeinsamen Ditib-Moschee der beiden Gemeinden Schwerin und Ickern. Rund 35 Personen zählten zum harten Kern, der starken Gegenwind unter dem Titel „WIR Bürgerinitiative für Aufklärung statt Verschleierung“ produzierte.

Bürgermeister Johannes Beisenherz erstattete gegen einzelne Aktivisten sogar Strafanzeige. Am Ende wurde der Projektplan der Muslime nicht umgesetzt, weil die Kosten für eine große neue Gebetshalle zu hoch wurden. Auch heute wird auf Schwerin noch über den Bau einer Moschee nachgedacht, die Ickerner wollen gern nach Habinghorst in eine ehemalige Neuapostolische Kirche umziehen. Protest dagegen gab es auch, nicht jedoch in Form einer größeren Initiative.

Drei Bürgerinitiativen sind zurzeit in Castrop-Rauxel aktiv: Eine richtet sich gegen die Ansiedlung von Ecosoil an der Stadtgrenze zu Merklinde im Bochumer Stadtteil Gerthe. Schon bald könnte es einen dritten Protestmarsch geben. An den bisherigen zwei unter dem Motto „Stopp! Lärm macht krank“ nahmen jeweils weit mehr als 100 Menschen Teil. Auch die Politik war aus fast allen Lagern vertreten.

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Die Bürgerinitiative „Nicht über unseren Köpfen“ kämpft seit über drei Jahren in Pöppinghausen gegen Amprion: Der Stromnetzbetreiber (Hoch- und Höchstspannungsleitungen) will sein Netz dort ausbauen und plant Aufseilungen und neue Masten, die zum Teil direkt über die Dächer des Dorfes führen. Erst kürzlich protestierten rund drei Dutzend Pöppinghausener gegen die Pläne und für ihre eigenen Alternativplanungen mit unterirdischen Leitungen. Ende offen.

Das gilt auch für die Bürgerinitiative „Rettet die Hallenbadwiese“. Die ist so frisch und von BUND-Vertreterin Anne Lehwald federführend gegründet, dass man ihre Art zu arbeiten und ihr Gewinnaussichten noch gar nicht beurteilen kann.

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