Wer im Postleitzahlengebiet 44579 der Stadt Castrop-Rauxel wohnt, der dürfte in den letzten Tagen Post von der Firma Rain-Carbon bekommen haben. „Schon wieder lästige Werbung“, wird sich der ein oder andere gedacht haben. Doch Achtung: In diesem Fall handelte es sich nicht um einen Werbeprospekt, sondern um eine Broschüre mit wichtigen Sicherheitsinformationen.
In einem mehrseitigen Handout informiert Rain Carbon neuerdings Anwohner, die im Umfeld des Betriebs wohnen, über alle relevanten Sicherheitsstandards. Einen großen Anteil daran hat Notburga Henke. Die Castrop-Rauxelerin setzt sich seit einiger Zeit dafür ein, dass Bürger, die in Reichweite des Chemieunternehmens wohnen, transparent und zeitnah informiert werden. „Ich finde es wichtig, dass die Nachbarn darüber informiert werden, wie sie sich bei einem Unfall zu verhalten haben“, sagt sie.
Gebäude hat Bestandsschutz
Sie hat eine echte Behörden-Odyssee hinter sich. Nachdem sie als parteiloses Ratsmitglied im September 2022 den Antrag zum Bevölkerungsschutz gestellt hatte, wurde sie an die Bezirksregierung weitergeleitet. Die wiederum verwies an die Katastrophenschutzbehörde, die ihrerseits an die Bezirksregierung zurückverwies. Niemand fühlte sich dafür zuständig. Doch der sanfte Druck hat offenbar gewirkt. Am 14. Januar lag eine mehrseitige Rain Carbon-Infobroschüre in ihrem Briefkasten.
Warum klappt also auf einmal, was lange Zeit nicht möglich war? Hat Rain Carbon sich aus freien Stücken dazu entschlossen, die Bürger nun doch zu informieren? Auf Nachfrage versicherte Rain Carbon-Sprecher Alan Chapple, dass die Firma damit lediglich ihren gesetzlichen Informationspflichten nachkomme. „Die oben genannte Broschüre ist für die Rain Carbon Germany GmbH als Betreiber einer Anlage, in der chemische Produkte hergestellt und gelagert werden, gesetzlich vorgeschrieben“, heißt es in der Antwort.
„Anwohner unterschätzen Gefahr“
Doch ohne Henkes Initiative wäre es wohl nie dazu gekommen. Eine Recherche bei Google ergab zwar, dass Rain Carbon solche Broschüren schon länger herausgibt. Offenbar erfahren davon jedoch nicht automatisch die Anwohner. Jedenfalls habe sie in den letzten Jahren nie eine solche Broschüre erhalten. Und sie muss es wissen. Schließlich wohnt sie bereits seit 1955 im Bereich der Maslingstraße.
Sie betont, dass es ihr nie darum gegangen sei, eine Schließung des Betriebs zu erwirken. Dagegen spreche der Bestandsschutz. Aus ihrer Sicht würden aber viele Anwohner die Sachlage unterschätzen: „Die Gefahr, die dahintersteckt, die sehen einige nicht.“ Solche eine Broschüre könne im Notfall Menschenleben retten. Ihr sei es wichtig gewesen, dass alle eventuell Betroffenen an Informationen kommen könnten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es jemals zu einem lebensbedrohlichen Zwischenfall kommt, sieht Rain Carbon in ihrer Mail eher im theoretischen Bereich. Chappel schreibt von einem „unwahrscheinlichen Fall einer Fehlfunktion“.

Teil des Bereichs 44575 fehlt
Doch mit der Aushändigung der Broschüre sei Rain Carbon allen Pflichten nachgekommen, sagt Henke. Ist nun alles in Butter? „Nein, bei einem Notfallplan kann gar nicht alles in Butter sein. Aber diese Infoblätter machen auf jeden Fall die Menschen aufmerksam“, findet Henke. Zudem sieht sie weiterhin Verbesserungsbedarf. So sei mit dem ausgewählten Postleitzahlengebiet 44579 nicht die komplette Nachbarschaft nördlich der A42 erfasst. Ein kleiner Teil des Bereichs 44575 fehle. Sie werde sich das alles nochmal genau anschauen.
Außerdem sorgt sie sich um die Castrop-Rauxeler Bürger von morgen: „Wer neu hier hinzieht, sollte bessere Infos bekommen“, sagt sie. Jeder Neu-Castrop-Rauxeler müsste direkt vom Einwohnermeldeamt darüber informiert werden oder zumindest eine E-Mail-Adresse erhalten, an die sie sich wenden können. Aktuell sei das aber nicht der Fall, sagt sie. Auch für eine diesbezügliche Anfrage habe sich niemand zuständig gezeigt. Doch wer Notburga Henke kennt, der weiß, dass sie weiter dran bleiben wird.
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