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Briefwahl-Rekord in Castrop-Rauxel: Das wirft Probleme auf
Meinung
Fast 20.000 Castrop-Rauxeler haben Briefwahl-Unterlagen beantragt. So schön die hohe Beteiligung ist: Dass der eigentliche Wahltermin unwichtiger wird, wirft auch Probleme auf. Ein Kommentar.
Man schrieb den 11. März 2011, als ein Tsunami Japan erschütterte und zur Reaktor-Katastrophe von Fukushima führte. 16 Tage später wurde in Baden-Württemberg ein neuer Landtag gewählt. Sensationell trugen die Grünen im bis dato tiefschwarzen Ländle den Sieg davon. Und viele Wahlforscher sahen in Fukushima den Auslöser für den Erfolg der Öko-Partei.
16 Tage vor dem Wahltermin – das wäre in diesem Jahr der 10. September, Freitag dieser Woche. Doch anno 2021 blieben die Auswirkungen deutlich geringer – schließlich hätte bis Freitag wohl schon die Hälfte all derer ihrer Kreuzchen gemacht, die das bis zum 26. September um 18 Uhr tun werden.
Das Beispiel zeigt eindrucksvoll, dass es nicht angebracht ist, über den Briefwahl-Rekord zu jubeln, wie ihn gerade auch Castrop-Rauxel verzeichnet.
Ein Jurist hat vor Tagen im Deutschlandfunk gar verfassungsrechtliche Bedenken aufgeworfen: Niemand könne kontrollieren, ob die Wahl zu Hause so geheim und frei bleibe wie im Wahllokal.
Probleme auch abseits rechtlicher Bedenken
Aber selbst wenn wir solche Bedenken außen vor lassen, gibt es andere Probleme.
Zwei der drei Trielle der drei Kanzlerkandidaten spielen für viele keine Rolle mehr. Sie haben ja schon gewählt. Gleiches gilt für alles andere, was noch im Wahlkampf passiert: Interviews, lokale Debatten, Patzer der Kandidaten.
In einer Gesellschaft voller Stammwähler wäre das egal. Aber alles spricht dafür, dass sich viele Menschen erst kurzfristig Gedanken machen, für wen sie stimmen. Für ein „echtes“ Wahlergebnis wäre es am besten, so viele wie möglich täten das am gleichen Termin. Das ist 2021 nicht gegeben. Auf die Frage, wann die Bundestagswahl ist, lautet die richtige Antwort nicht: am 26. September, sondern „im August und September“. Toll finden muss man das nicht.
Als Journalist arbeite ich seit mehr als 25 Jahren. Im Kreis Unna bin ich dagegen noch recht neu, aber voller Neugier auf Menschen, Städte und Gemeinden. Schreiben habe ich gelernt, komme aber viel zu selten dazu. Dafür stehe ich gerne mal vor der Kamera.
