Rainer Roehl (Averdis), Regina Kleff (Beigeordnete) und Jennifer Podraza (Stadtverwaltung) wollen mehr Bio-Essen in Schulen und OGSen. Das steht fest. Der Weg dorthin ist aber offenbar weit.

Rainer Roehl (Averdis), Regina Kleff (Beigeordnete) und Jennifer Podraza (Stadtverwaltung) wollen mehr Bio-Essen in Schulen und OGSen. Das steht fest. Der Weg dorthin ist aber offenbar weit. © Jannis Reichard

Team Bio-Essen für CAS: „Kinder wollen nicht nur Pizza Pommes Currywurst“

rnMittagessen

Schulen in Castrop-Rauxel machen sich auf den Weg, das Essen umzustellen: Es soll mehr und mehr Bio-Essen Einzug halten. Doch der Weg ist weit, wie ein Team Bio-Essen aus der Verwaltung erläutert.

Castrop-Rauxel

, 20.07.2022, 19:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es soll den Kindern schmecken. Es soll satt machen. Es soll nicht zu teuer, also sozialverträglich sein. Aber es soll nicht auf dem Rücken unserer Erde oder der Tiere, die darauf leben, sein: das Schul-Essen. Die Stadt Castrop-Rauxel will daran arbeiten, mehr und mehr Bio-Komponenten ins Essen zu bekommen. Wir sprachen mit dem Team Bio-Essen, wie das gelingen soll.

Regina Kleff als Sozialdezernentin und Jennifer Podraza als Leiterin des Verwaltungs-Teams der Offenen Ganztagsschulen: Das sind die beiden, die auf diesem (weiten) Weg vorgehen. Man könne nicht einfach sagen: Wir stellen das Essen um, Punkt, aus. „Es gibt eine Gemengelage von Zuständigkeiten: einen Träger, der ausschreibt, die Politik, die mitdiskutiert, aber auch Eltern, die am Ende den Vertrag mit den Caterern unterschreiben“, sagt Kleff im Interview mit unserer Redaktion, das wir vor Beginn der Sommerferien führten.

25 Fachleute bei Workshop dabei

Die Frage also: Wie kann man das Interesse, auf Bio umzustellen, mit den Caterern zusammenbringen? Für eine Antwort hat sich die Stadt Hilfe geholt. Das Unternehmen Averdis berät dazu zunächst intern: Elternvertreter, das Kinder- und Jugendparlament, Vertreter der politischen Fraktionen im Stadtrat, ein paar Leute aus der Schul- und Stadtverwaltung und Mitarbeiter aus den Mensen kamen zu einem Workshop-Treffen zusammen. 25 Personen waren im Mai dabei.

Jetzt lesen

Averdis ist Regional-Agentur im Auftrag der Initiative „BioBitte“. Dafür hatte sich Castrop-Rauxel beworben und wurde aufgenommen. Die Mitarbeiterinnen von Averdis nahmen bei dem Treffen genau die Themen in den Blick, die Kleff anspricht: Wie kann Willensbildung ablaufen? Wie kann die Politik steuern? Den Rahmen könnten Zielquoten bilden, die für Zeitpunkte in der Zukunft festgelegt werden. Man müsse auch steuern, ob es nur um Bio-Essen gehe oder zu wie viel Prozent auch regionale Produzenten eine Rolle spielen sollen.

Regina Kleff, 1. Beigeordnete der Stadt Castrop-Rauxel, im Ratssaal

Regina Kleff, 1. Beigeordnete der Stadt Castrop-Rauxel, im Ratssaal © Tobias Weckenbrock

„Wir haben das anschließend politisch diskutiert“, sagt Kleff. „Wir wollen niemanden missionieren, doch das Thema ist da: auch bei den Jugendlichen, zum Beispiel beim KiJuPa. Kinder wollen nicht nur Pizza Pommes Currywurst essen. Das KiJuPa hat gesagt: Weniger Fleisch ist in Ordnung. Denen ist auch die Herkunft und die Zubereitung wichtig.“

Für Caterer müssen Verträge betriebswirtschaftlich passen

In städtischen Kitas werde vor Ort gekocht. „Da funktioniert das gut, hier erheben wir als Träger ja auch die Elternbeiträge selbst.“ Dann gibt es die Grundschulen, fast alle mit Offenen Ganztagsschulen. Dort wird Essen im Konvektomatensystem von einer Küchenkraft aufgewärmt. Sie kocht noch ein bisschen zu oder es gibt Obst. Die Kinder, so Kleff, machten beim Schnippeln in der OGS mit und sähen also, woher das Essen kommt.

In den sechs weiterführenden Schulen gibt es Vergaben an einen Konzessionsnehmer, also einen Caterer. Da gebe es an den Schulen verschiedene Systeme, das sei historisch so gewachsen, verdeutlicht Kleff. „Da sagen uns die Caterer, dass die Verträge für sie betriebswirtschaftlich passen müssen.“ Heißt: Sie wollen am Essen etwas verdienen.

So müsse man Baustein auf Baustein setzen. „Im weiterführenden Bereich könnte man mit zehn Prozent Bio-Quote starten. Die Willensbekundung der Politik ist da: Wir wollen mehr Bio und mehr Regional nach den Auflagen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Aber 100 Prozent in zwei Jahren zu erreichen: unrealistisch.“

Ein Wust an Fragen

Weitere Gedanken: Man will wenig überschüssiges Essen produzieren, aber zugleich flexibel sein und den „Elternservice“ mitdenken – denn die wollen Flexibilität. Man müsse national oder europaweit ausschreiben, was den Aufwand für eine Stadtverwaltung erhöht und klare Regularien vorschreibt.

Jennifer Podraza, Leiterin Offener Ganztag und Schulsozialarbeit der Stadt Castrop-Rauxel, im Ratssaal.

Jennifer Podraza, Leiterin Offener Ganztag und Schulsozialarbeit der Stadt Castrop-Rauxel, im Ratssaal. © Tobias Weckenbrock

Wie schafft man, dass das Essen schmackhaft und der Preis sozialverträglich ist, aber die Mitarbeiter der Catering-Firma mit Mindestlohn oder darüber hinaus vergütet werden? Klingt kompliziert, aber eine Gesamtschule in Wuppertal-Ronsdorf mit ihrem Mensaverein geht als gutes Beispiel voran: Dort ist Essen mit hohem Bio-Anteil bezahlbar, Familien haben aber auch ein hohes Maß an Flexibilität. Jennifer Podraza ist dennoch Realistin: „Wir können nicht ein System überstülpen, das die Eltern nicht wollen und Essen, das die Schüler nicht essen.“

Beschlusslage für Castrop-Rauxel ist jetzt: An der Neuen Gesamtschule Ickern wird ein solches Modell erprobt. „Dort bauen wir ja Jahr für Jahr auf“, sagt Regina Kleff. Der erste Fünfer-Jahrgang geht nun in die sechste Klasse. Zu den etwas über 100 Schülern bisher kommen ab August weitere rund 100 Schüler hinzu. „Wir haben also eine überschaubare Gruppe“, so Kleff. „Von dort aus kann man dann sagen: Wo kann man das System übernehmen?“

Vielleicht könne man an der NGI im Sommer 2023/24 starten, wenn der dritte Jahrgang dort loslegt. Die Frage, was energetisch sinnvoll ist, kommt gerade heute noch als neue Komponente hinzu: Ist es wirtschaftlich, Essen in einer Großküche zu kochen, es dann einzufrieren und in der Schule wieder aufzutauen? „Frisch kochen an einer Stelle und mit E-Autos auszuliefern, das ist wohl die nachhaltigere Variante“, meint Regina Kleff.

Inflation hat Auswirkungen: Wie teuer wird das Essen?

Das Projekt Bio-Essen laufe als eines neben vielen anderen Projekten in der Stadtverwaltung. „Wir sind aber mit mehreren Mitarbeitern dran“, verspricht Regina Kleff. Hinzu kommt aber jetzt noch der Aspekt der Kostensteigerungen: Schul-Caterer bekommen die Inflation zu spüren. Es könnte sein, dass Schulessen bald deutlich teurer werden. Die Bio-Initiative könnte darunter leiden, noch bevor sie richtig startet.