Bestatter-Ehepaar Kullick lernt sich auf der Arbeit kennen Auch Tochter Lu (1) hilft Trauernden

René und Denise Kullick machen Beerdigungen zur Familiensache
Lesezeit

Sterben müssen wir alle, das gehört zum Leben nun einmal dazu – auch wenn wir uns mit der eigenen Sterblichkeit nicht gerne auseinandersetzen.

Für René (35) und Denise Kullick (25) sind Tod und Trauer Alltag und eine Angelegenheit für die ganze Familie. Zusammen mit ihrer kleinen Tochter Lu bringen sie Menschen mit ganz viel Gefühl unter die Erde oder in die Luft.

Das Jenseits ist Alltag

„Bei See- und Luftbestattungen ist unsere Tochter immer dabei“, erzählen René und Denise Kullick. Regelmäßig kommen Angehörige in den Laden, um die Kleine zu sehen. Lu ist eineinhalb Jahre alt und bereits ein wichtiger Teil des Familienunternehmens in erster Generation.

Durch ihre bloße Anwesenheit hilft sie den Hinterbliebenen in den dunkelsten Stunden. „Bei Trauerfeiern ist sie nur auf ausdrücklichem Wunsch der Angehörigen dabei“, erklärt Denise.

Mini-Bestatterin Lu

René pflichtet ihr bei und erinnert sich dabei an ein ganz besonderes Anliegen. „Wir hatten mal eine Seebestattung und eine Angehörige, die kenne ich auch schon seit Jahren, sagt zu mir: ‚Können sie mir einen Gefallen tun, Herr Kullick? Ich hab jetzt so richtig Schiss vor Samstag. Können sie ihre Tochter mitnehmen? Ich habe das Gefühl, die kann uns wirklich helfen.‘“

Da war Lu gerade mal einen Monat alt. Und die haben sich dann wirklich auf sie gestürzt, sie in den Arm genommen und betüdelt, erzählt der 35-jährige Vater. Der Tod ist für die kleinste „Mitarbeiterin“ etwas ganz Normales und gehört zum Leben und Alltag einer Bestatter-Familie einfach dazu.

Aber auch für die Bestatter-Eltern gibt es Grenzen. An den Sarg darf die einjährige Mini-Bestatterin nicht, erklärt Denise. „Dafür ist sie noch zu klein, um zu verstehen, was sie da sieht.“

Leben mit dem Tod

Aber wie geht ein Bestatter eigentlich mit dem Thema Tod um? „Das haben wir uns auch schon oft gefragt“, Kullick zieht seine Augenbrauen zusammen, hält kurz inne und wirft einen Blick auf Denise. „Wir reden viel. Natürlich gibt es auch Fälle, da sieht man noch alles vor den Augen.“

Gerade bei Kindern oder jungen Verstorbenen sei die Konfrontation mit dem Unvermeidlichen besonders schwierig. Die Mutter, die ihr Kind beim Autounfall verliert, oder jemand will selber nur schnell den Müll rausbringen und wird dann vom Auto überfahren. „Solche Fälle sind der absolute Horror“, sagt der Familienvater.

Denisé Kullick hält in ihren Händen ein Trauertagebuch für Kinder. Damit verarbeiten sie ihre Trauer und können so ihren Gefühlen zusätzlich Ausdruck verleihen.
Damit auch Kinder ihre Trauer bewusst verarbeiten, gibt es für die Kleinen ein eigenes Trauertagebuch, in dem Gefühle und Erinnerungen geteilt werden. © Janina Preuß

Das Reden ist A und O

Beim Bestatter-Pärchen ist das Reden A und O. Die enge Zusammenarbeit ist für das Beziehungsleben der Kullicks kein Problem. Ganz im Gegenteil, für Denise ist das eher von Vorteil. „Das stärkt uns und man kann sich auch intensiver über die Fälle unterhalten“, erklärt die 25-Jährige.

„Wenn René zum Beispiel nach Hause kommt und sagt, Denise, heute irgendwie, ach das beschäftigt mich so, dann kann ich das viel besser nachempfinden, wenn ich es miterlebt habe.“

24 Stunden Dauerdienst

Als Bestatter ist die kleine Familie überall dabei. „Kein Angehöriger muss bei uns alleine Abschied nehmen am Grab“, erklärt Denise. „Wir sind immer dabei, um seelische Unterstützung zu geben und Trost zu spenden.“ Das bedeutet aber auch wenig Freizeit und ein Leben für den Tod.

„Deswegen sagen wir auch, das ist hier kein Beruf, wo ich dann irgendwie um 16 Uhr auf der Couch liege und dann abschalte“, erklärt René Kullick. „Das sind 24 Stunden Dauerdienst.“ Energie kostet es das Pärchen aber nicht. Sie stehen jeden Tag mit einem Lächeln auf. „Ich sag‘ immer, wir haben jeden Tag Freitag.“

Liebe durch Bestattung

Dass der Tod auch zu etwas Schönem führen kann, dafür sind Denise und René Kullick der lebende Beweis. Kennengelernt haben sich Lous Eltern bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber, einem Bestatter.

„Verliebt haben wir uns aber erst viel später“, erzählt René mit einem Lächeln im Gesicht. „Verstanden haben wir uns auf Anhieb, als ob wir uns schon Jahre kennen würden.“ Vor sechs Jahren wagen die beiden den Sprung in die Selbstständigkeit.

In Castrop-Rauxel können sich die Angehörigen die verschiedenen Bestattungsmöglichkeiten angucken. Eine kleine Strand-Szene mit echtem Sand steht symbolisch für Luftbestattungen.
In Castrop-Rauxel können sich die Angehörigen die verschiedenen Bestattungsmöglichkeiten angucken. Eine kleine Strand-Szene mit echtem Sand steht symbolisch für Luftbestattungen. © Janina Preuß

„Lern mal was Vernünftiges“

Die Idee, Menschen beruflich unter die Erde zu bringen, kam René eher spontan, als er noch zur Schule gegangen ist. „Mein ehemaliger Deutschlehrer hat mich mal gefragt, was ich später werden will und da hab ich so aus dem Stegreif einfach Bestatter gesagt“, lacht René.

„Der hat dann erstmal gelacht und gesagt ‚Lern mal was Vernünftiges‘“. Jahre später treffen sie sich auf einer Beisetzung, da musste auch der Lehrer zugeben, „dass doch was Vernünftiges aus mir geworden ist“, lacht Kullick.

Eine emotionale Sache

In ihrer Gemeinschaft ist das Bestatter-Paar tief verwurzelt. Ihren ersten Laden haben sie in Herne eröffnet. Vor einem Jahr kam das Geschäft in Castrop-Rauxel in der Römerstraße 11 dazu. Seit seiner Kindheit kennt man den 35-Jährigen in seiner Heimat Herne. „Die meisten nennen mich nur Kullick, das haben früher schon die Pauker gemacht.“

Oft ist Kullick selbst ein Hinterbliebener, wenn er die Verstorbenen beisetzt, die er von klein auf kennt. „Die Menschen kennen mich, da war ich noch nicht in der Grundschule und jetzt als Erwachsener werde ich sie in den nächsten Jahren bestatten – das ist natürlich auch für mich eine emotionale Sache.“

„Der Tod kennt keine Uhrzeit“

Emotional ging es für die Bestatter aus Leidenschaft auch während ihrer Zeit bei der Kriminalpolizei zu. Zweieinhalb Jahre haben sie in menschliche Abgründe geblickt und sich um die Leichen von Tatorten gekümmert. „Erstmal geht es mit dem Leichnam in die eigenen Geschäftsräume zum Kühlen“, erklärt René. „Dann schreibt die Staatsanwaltschaft vor, wohin es als Nächstes geht und was weiter passiert.“

Suizid, Mord, Verkehrsunfälle – „Der Tod kennt keine Uhrzeit.“ Den Job hat die beiden Bestatter zusätzlich zum Hauptberuf gemacht. Damals waren die beiden allerdings noch nicht selbstständig.

Kaltes Schnitzel

Mitten in der Nacht klingelt dann das Telefon, wir kommen gerade nach Hause und wollen eigentlich ins Bett. Und dann musst du los – innerhalb von 30 Minuten am Tatort sein, erklärt der Familienvater. „Manchmal hast du dann vier, fünf Tatorte am Tag oder auch mal zwei in der Nacht.“

Zeit zum Schlafen oder Essen haben die beiden damals weniger gehabt. „Das ist dann wirklich so, wir kommen nach Hause, freuen uns, ach komm, wir machen ein Schnitzel und dann ruft die Polizeistelle Recklinghausen an. Dann wird das Schnitzel eben kalt.“

Nach dem Tod ins All: Bestatter René Kullick (35) kennt keine Grenzen bei der Beisetzung

Gekommen, um zu sterben: Ein Blick hinter die Kulissen im Hospiz St. Elisabeth

„Kauf das Auto, mach die Reise“: Vier Lebensweisheiten aus dem Hospiz St. Elisabeth