Isabel und Alexander Auffenberg sind für einen Handwerksbetrieb ganz schön groß geworden mit sechs Filialen und über 60 Beschäftigten. Sie sind seit Jahrzehnten Wettbewerber von Backstube Vieting an der Ickerner Straße. Darum müsste ihnen die am Samstag vollzogene Schließung doch eigentlich entgegenkommen und mehr Kunden bringen. Ihre Reaktion am Freitag fällt ganz anders aus. „Mir tut es leid für ihn“, sagt Isabel Auffenberg. „Wir bestehen nebeneinander seit Jahrzehnten. Es ist so bitter, aber es war abzusehen.“
„Zutiefst geschockt“ seien Auffenbergs gewesen, als sie am Donnerstag von der Geschäftsschließung des Bäckermeisters von nebenan erfuhren, sagt Alexander Auffenberg auf Anfrage unserer Redaktion am Freitag. „Wir freuen uns kein Stück darüber. Es ist so traurig! Auch wenn es ein Konkurrent ist.“
Noch Ende August machten Auffenberg, Vieting und Kortmann, die drei verbliebenen Handwerks-Bäckereibetriebe der Stadt auf die Probleme aufmerksam: „Licht aus“ hieß die landesweite Aktion, der man folgte und mit der man aussagen wollte: Wenn sich nichts ändert, geht bei uns das Licht aus. Die Rohstoff- und Energiekrise suchte 2022 mit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges die Bäcker heim. Sie leiden darunter bis heute offenbar stärker als die meisten anderen.
Hohe Preise von Heizöl bis Rapsöl
„Ich maße mir nicht an, zu sagen, warum es bei Herrn Wolf so ist, dass er sagt, das Geschäft rentiert sich nicht mehr. Aber die Lage am Energiemarkt ist vertrackt, da muss man sich nur die Strompreise anschauen“, sagt Alexander Auffenberg. Er selbst verbraucht vor allem Öl für den Betrieb der Öfen. Das sei in gewisser Weise ein Vorteil, denn er könne immer für ein halbes Jahr planen und kalkulieren, wenn die Tanks voll sind. „Es gibt den großen Energiepreis-Deckel ja erst für die Industrie“, sagt Auffenberg.
Bei mittleren Verbrauchern wie den Handwerksbetrieben ziehe nur der normale Gas- und Strompreisdeckel wie für alle Bürger. „Aber der kam zu spät: Er gilt ab 1.1. und wird erst ab 1.3. ausgezahlt.“ Zu dem Zeitpunkt ist Vieting nicht mehr am Markt.
Das Problem ist damit noch nicht vollends erklärt. Stichwort Rohstoffe: „Wenn Sie jetzt Mehlkontrakte abschließen, dann hat sich der Preis zwar gefestigt, aber auf einem hohen Niveau“, so der Bäckerei-Manager der Auffenbergs. „Nicht weiter gestiegen seit Sommer, aber man musste auf dem Level abschließen.“
Der Mehlpreis sei etwa doppelt so hoch wie vor einem Jahr, Butter doppelt so teuer, Rapsöl habe sich im Einkauf beim Großhandel verdoppelt bis verdreifacht, Zucker verdoppelt. „Salz war immer ein Cent-Artikel, nun zahlt man sich selbst dafür dumm und dämlich“, sagt Auffenberg.
Kalkulatorische Zwickmühle
Und schon ist man in der kalkulatorischen Zwickmühle, auf deren Basis Mitja Wolf von Vieting letztlich sagte: „Es rentiert sich nicht mehr.“ Wie hoch kann man nämlich die Verkaufspreise schrauben? Alexander Auffenberg: „Wir wissen, was man nehmen muss, was wir gern nehmen würden, aber auch, dass man nicht einfach endlos hochschrauben kann. Darum haben wir ein moderates Preisgefüge gefunden. In anderen Regionen jedenfalls bekommt man für 42 Cent kein Brötchen mehr. Im Norden und im Süden Deutschlands zahlt man mindestens 50 Cent“, sagt er.

Sein Geschäftsmodell basiert darum derzeit auf dem Faktor Hoffnung. „Einen Großteil fangen wir auf in der Hoffnung, dass sich das in diesem Jahr alles normalisiert“, sagt Alexander Auffenberg.
Auf Lobbyverbände in Berlin wie den Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks könne man sich da auch nicht verlassen: „Die stehen da ja alle in Berlin Schlange, ob es die Fleischer sind, RWE, die Automobilindustrie, Jäger, alle“, sagt Auffenberg. „Die Bäcker fallen sicher irgendwo mit drunter unter ein Rettungspaket, aber dass man konkret Hilfe oder Zuschüsse im Rohstoffeinkauf bekommt, ist nicht zu erwarten.“
Bäckerei Vieting geschlossen: Mittwoch beschloss der Chef: Es geht nicht mehr
Eine Überraschung? Hilferufe gab es genug: Warum Bäckerei Vieting nicht mehr marktfähig war
Im Video: In Castrop-Rauxeler Bäckereien bleibt das Licht aus
Marc Frese zu Vieting-Schließung: „Geschäfte erfüllen nicht nur einen Versorgungsauftrag“