
Oliver Frese (55) betreibt seine Glaserei seit fast dreißig Jahren. Auszubildende sucht er schon lange. © Clara Wehner
Unternehmen in Castrop-Rauxel verzweifelt: Viele unbesetzte Ausbildungsplätze
Ausbildung
Fehlende Fachkräfte und unbesetzte Ausbildungsplätze. Wenn kein Nachwuchs kommt, droht Betrieben die Schließung. Noch immer suchen Castrop-Rauxeler Unternehmer für dieses Jahr Bewerber.
Schon lange herrscht Fachkräftemangel. Immer mehr Unternehmen klagen über zu wenig Auszubildende, viele junge Menschen gehen lieber an die Uni, entscheiden sich dort für ein Studium.
Die Unternehmen sind verzweifelt: Sie suchen teilweise schon seit Jahren Auszubildende. In Castrop-Rauxel gibt es auch noch einen Monat nach Start des Ausbildungsjahres am 1. August freie Plätze. Wie dramatisch ist die Lage?
Die Glaserei Frese am Westring sucht schon seit Jahren aktiv nach neuen Auszubildenden. Momentan hat Glasermeister Oliver Frese (55) fünf Mitarbeiter, einer davon ist Auszubildender, im zweiten Lehrjahr.
Oliver Frese hat sich als Glasermeister vor 28 Jahren selbstständig gemacht. Heute beliefert er mit seiner Glaserei sowohl private als auch gewerbliche Kunden. Auch selbst angefertigte Gläser baut der Betrieb ein.
„In den letzten Jahren ist es schwieriger geworden, junge Leute zu finden, die sich für solch eine Ausbildung motivieren lassen“, erzählt er. Frese glaubt, die meisten jungen Menschen wollen schnell viel Geld haben, doch „so ist es im Handwerk nun mal nicht. Da muss man sehr viel arbeiten, um erfolgreich zu sein“, sagt er.
Der 55-Jährige betont, jedem sei die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt bekannt. Weil unterschätzt werde, welchen Anspruch ein Handwerksbetrieb habe, würden Fachkräfte fehlen, so der Glasermeister. Zudem fehle die Wertschätzung für einen Handwerksbetrieb und die handwerkliche Leistung, berichtet er.
Fehlender Bezug zum Handwerk wohl nur ein Grund
Junge Menschen würden sich aber auch deshalb immer weniger für das Handwerk interessieren, weil das Handwerk nicht mehr bekannt genug sei. „Die Jugendlichen haben heute gar keinen Bezug mehr zu der realistischen Arbeit“, sagt Oliver Frese.
Das Abitur sei sinnvoll, aber manche haben dies nicht nötig, um erfolgreich zu sein. „Was bringt ein schlechtes Abitur? [...] Warum ist eine Ausbildung nach der zehnten Klasse schlechter, als sich drei Jahre durch die Schule zu quälen, obwohl man da gar nicht mehr hin möchte?“, fragt sich der Glasermeister.
Viele würden ein Studium auf die leichte Schulter nehmen. Laut Frese ist eine Ausbildung im handwerklichen Bereich aber wesentlich einfacher. Er sieht das mangelnde Ausbildungsinteresse als ein gesellschaftliches Problem. „Es wird einfach unterschätzt, welchen Stellenwert eine fundierte Ausbildung überhaupt hat“, sagt der 55-Jährige.

Oliver Frese (Mitte) und seine Mitarbeiter würden auch noch jetzt, im September, neue Auszubildende einstellen. © Clara Wehner
Frese ist der einzige Glaserei Betrieb in Castrop-Rauxel. Der Inhaber macht sich keine Sorgen um die Zukunft, aber wenn niemand dort weiterarbeite, dann werde er zwangsläufig den Betrieb schließen müssen. Wenn kein Nachwuchs komme, werde es für die Endverbraucher immer schwieriger werden, vor Ort Handwerker zu finden, berichtet Frese.
Nachwuchs ist dringend gefordert
Längst sucht nicht nur er nach Auszubildenden. Die sinkende Nachfrage ist überall deutlich zu spüren. Wie die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) kürzlich unter Berufung auf eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit berichtete, sei im Kreis Recklinghausen fast jeder dritte Ausbildungsplatz nicht besetzt. Insgesamt 1132 Lehrstellen waren demnach Ende August kreisweit noch zu vergeben.
Allein 59 freie Stellen gab es demnach noch in der Ernährungsindustrie. Und eine kurze Recherche bei Google verrät, dass allein in Castrop-Rauxel auch viele renommierte Unternehmen aktuell nach Azubis suchen - für ganz verschiedene Berufsfelder.
Oliver Frese sagt, er stelle nur wenig Anforderungen an die Auszubildenden. Wichtig sei ein relativ gutes Deutsch und Mathematik, um in der Berufsschule mitzukommen, sowie ein erfolgreiches Probearbeiten. Dennoch müsse man bei den Auszubildenden wählerisch sein. „Ich muss mir sicher sein, dass ein Bewerber die Ausbildung auch schaffen kann“, erzählt Frese er.
Derzeit können sich immer noch Interessenten bei Oliver Frese melden. Auch wenn das Ausbildungsjahr schon begonnen habe, die Lerninhalte aus der Berufsschule könne man noch aufholen, sagt der 55-Jährige.