Eine mehrstöckige Halle, irgendwo in Datteln. Im Moment sieht es hier noch ziemlich verlassen aus. Nur ein großes Banner verrät: Hier ist der Cannabisclub Castrop Powerflower e.V. eingezogen. André Lattner führt uns durch die noch leeren Räume, aber die Pläne für die Plantage stehen schon. Bei jedem Raum weiß der junge Mann schon, was dort einmal stehen soll: Anzucht, Umkleiden, Versammlungszimmer.
André sieht nicht aus wie ein klassischer Geschäftsmann; Tattoos, Piercing, lockere Kleidung. Er ist Castrop-Rauxeler, in Henrichenburg aufgewachsen, gelernter Gärtner. Aber wenn der 27-Jährige über seinen Club spricht, merkt man ziemlich schnell, dass der Club und die Plantage für André mehr sind als ein Hobby: „Es geht auch darum, Marihuana aus der Schmuddelecke zu holen und einfach für ein Ende dieser der Stigmatisierung zu sorgen.“ Viel Zeit fließe im Moment in den Club, André ist es das aber wert: „Wir wollen einfach unsere Leidenschaft teilen.“
Professioneller Cannabis-Anbau
Am 1. April wurde Cannabis unter strengen Auflagen legalisiert. Anders als andere Drogen wie Alkohol oder Zigaretten kann man Cannabis nicht einfach im Supermarkt kaufen. Wer einen Joint haben will, kann bis zu drei Pflanzen für sich züchten oder tritt einem Anbauverein bei. Die dürfen dann nur für ihre Mitglieder Cannabis herstellen. Genau das plant André mit Powerflower in den Hallen in Datteln: „Manche Leute, die sich jetzt denken: ‚Oh, wir machen mal einen Club auf‘. Die schmeißen Samen in die Erde und laufen mit einer Gießkanne herum. So machen wir das halt nicht. Bei uns wird das wie in einem professionellen Unternehmen.“

In einem der Räume kann man schon erahnen, wie es hier in ein paar Monaten überall aussieht. Die Wände und Fenster sind verkleidet mit Silberfolie. „Die reflektiert das Licht besser“, erklärt André. An den Seiten stehen niedrige Tische, darauf kommen dann die Pflanzen. Wannen darunter fangen überschüssiges Gießwasser auf, das dann wiederverwertet wird. Nicht nur André ist ausgebildeter Gärtner. Im Verein ist auch ein Gärtnermeister: „Der sagt uns genau, was wir alle zu machen haben.“
Aktuell erwa 250 Mitglieder
Der Club hat im Moment etwa 250 Mitglieder, mehr als 500 dürfen es gesetzlich nicht werden. Theoretisch sind die Clubs ab 18 erlaubt, bei Powerflower müssen die Mitglieder aber mindestens 21 Jahre alt sein. Das Publikum sei ganz gemischt, erzählt André: „Wir haben alles dabei. Unser jüngstes Mitglied ist 21, das Älteste ist 78 Jahre alt. Ich würde sagen, die Verteilung ist 50:50, Jung und Alt.“ Die Vorfreude im Verein ist groß: „Wir haben tatsächlich auch Mitglieder, die jetzt schon in unseren Gruppen-Chat schreiben: ‚Wir sind 65. Wir freuen uns auf die Abgabe. Ich hoffe, ich bin die Erste, die die ersten 25 Gramm erhält.‘“

25 Gramm am Tag und im Monat insgesamt 50 Gramm – so viel dürfen die Anbauvereine an ihre Mitglieder weitergeben. Bis die ersten Tüten mit Cannabis bei den Mitgliedern ankommen, dauert es aber noch: Ab dem 1. Juli können Cannabisclubs ihre Lizenz beantragen, sobald die da ist, will Powerflower in Datteln mit dem Anbau beginnen. „Wenn die Lizenz da ist, gehen hier sofort die Lampen an.“ Das erste Cannabis wäre dann wahrscheinlich im Januar für die Abgabe bereit. Sechs bis zehn unterschiedliche Sorten sollen in Datteln angebaut werden. Wie gut das Cannabis ist, hängt laut André vor allem von der Sorte ab: „90 Prozent Genetik und nur der Rest ist Licht, Strom, Licht, Wasser, Nährstoffe.“ Die Stecklinge für die Pflanzen kaufe Powerflower bei renommierten Herstellern.
Keine unnötige Chemie
Das Cannabis, was in Datteln angebaut wird, lasse sich nicht mit dem vom Schwarzmarkt vergleichen, stellt André klar: „Da werden Pilzmittel aufgebracht, Pflanzenschutzmittel, die von der Pflanze ins System aufgenommen werden und am Ende in den Blüten laden.“ Auch künstliche, teils gefährliche Cannabinoide, die Gras stärker machen sollen, werden illegal verkauft. Bei Powerflower soll alles so natürlich wie möglich sein.

Das Cannabis wird in Datteln angebaut, die Mitglieder können sich ihr Gras aber in Castrop abholen. Powerflower will in der Altstadt wahrscheinlich ein Ladenlokal für die Abgabe mieten: „Es gibt ja genug Leerstände, da kommt dann eine Theke rein.“ Rauchen kann man das Cannabis aber weder in der Plantage in Datteln noch in der Abgabestelle.
Dafür hat André eine andere Idee: „Wir wollen auch noch so eine Art Raucherclub eröffnen. Das ist wie ein Zigarrenverein, wo sich die alten Leute dann in geschlossenen Räumen treffen und ihr Einverständnis geben, dass die da zugeraucht werden.“ Dafür könnte man vielleicht eine leerstehende Kneipe anmieten. „Wo und wie genau steht noch nicht fest. Das machen wir natürlich nur, wenn es legal möglich ist. Dort könnte man sich dann Getränke zum Selbstkostenpreis kaufen und sein selbst mitgebrachtes Zeug rauchen.“ Alkohol soll es aber auf keinen Fall geben: „Wir wollen mit Alkohol in Verbindung mit Cannabis nichts zu tun haben.“
Ausflug nach Holzwickede
Im Moment ist der Raucherclub noch in weiter Ferne. Kann es da überhaupt ein richtiges Vereinsleben geben? „Wir haben schon ein Treffen gehabt. Das war auf der Rennwiese am 1. April und da kamen eiskalt 50 bis 60 Leute hin und das bei strömendem Regen – wirklich unglaublich. Wir haben gedacht, da kommen vielleicht zwei, drei Leute hin, aber es war voll.“
Am Samstag steht der nächste gemeinsame Ausflug an: „Da ist in Holzwickede ein großes Treffen, das wir von einem Cannabisclub aus Gelsenkirchen organisiert.“ Da will Powerflower dann mit seinen Mitgliedern hinfahren: „Als geselliges Kennenlernen.“ Wie das Vereinsleben in der Zukunft aussieht, weiß André noch nicht: „Für uns ist ja auch das erste Mal, dass wir einen Club mit so vielen Mitgliedern führen.“

Im Moment macht der Vorstand die Clubarbeit neben seinen Hauptjobs. Mit der Zeit will der Club aber wahrscheinlich auch Leute anstellen: „Hier wird zwar viel automatisch laufen, aber für einige Dinge braucht man einfach Menschen vor Ort.“ Auch aus Sicherheitsgründen. Cannabis ist wertvoll, deswegen will André auch den genauen Standort der Plantage nicht öffentlich machen. „Wir planen hier ein umfangreiches Sicherheitssystem.“ Rund um die Uhr Videoüberwachung, hohe Zäune und Nato-Stacheldraht sind nur ein paar Dinge, die der Club plant.
Noch Verbesserungsbedarf
Auch wenn die Legalisierung jetzt da ist, für André gibt es bei den Regelungen noch Luft nach oben: „Man sollte wirklich diese ganzen Beschränkungen aufheben und den Leuten nicht vorschreiben, ob die jetzt 50 Gramm oder 200 zu Hause haben.“ Einige Sachen sind in den Augen von André auch nicht wirklich durchdacht: „Man darf sich seine drei Pflanzen anbauen, aber niemals mehr als 50 Gramm trocken zu Hause haben. Aber so eine Pflanze ist in der Lage, 500 Gramm trocken abzuwerfen bei einem guten Sommer, da ist der Selbstanbau schon wieder hinfällig.“ Grundsätzlich findet er die Reglung, wie sie in Deutschland ist, aber besser als zum Beispiel in den Niederlanden.

In den leeren Hallen in der Plantage gibt es noch viel zu tun. „Wenn wir uns das nächste Mal hier treffen, wenn die Pflanzen da sind, wird das alles anders aussehen. Dann muss man auch Schutzkleidung tragen, damit nichts verunreinigt wird.“ Wenn der Club irgendwann angelaufen ist, könnte André sich sogar vorstellen, hauptberuflich mit Cannabis zu arbeiten: „Wir würden das sofort machen, weil das einfach unsere Liebe ist, mit der Pflanze, die wir lieben, zu arbeiten.“
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