Cannabis soll in Deutschland legalisiert werden. Die Politik im Bund beschäftigt sich aktuell mit diesem Thema. „Cannabis ist verboten, aber Konsum nimmt stetig zu“, sagte vergangene Woche Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im Bundestag. Der THC-Gehalt steige, die Beimengungen steigen, der Schwarzmarkt wachse, die Polizei sei überlastet: „Wir können nicht so weitermachen wie bisher. Wir brauchen eine vernünftige Drogen-Politik“, so der SPD-Minister. Der Konsum starte nicht bald, der Konsum sei da und er sei noch nie so gefährlich gewesen wie heute.
Am 18. Oktober 2023 war die erste Lesung des Gesetzesentwurfs im Deutschen Bundestag. Der sieht vor, den Konsum und den Anbau von Cannabis eingeschränkt zu legalisieren. Ein Weg zum Ziel sollen Konsum- und Anbau-Vereine sein. Als ein solcher ist zurzeit der Cannabis-Club Castrop-Rauxel in Planung. Wir sprachen mit den Gründern, die wir auf eigenen Wunsch hin nur mit Vornamen voll nennen. Was haben sie vor? Das Interview führten wir schriftlich.
Warum habt ihr den Club gegründet?
André L.: Wir haben den Club gegründet, um eine sichere Umgebung zu schaffen, Jugendschutz zu betreiben und fördern zu können, eine kontrollierte Abgabe zu ermöglichen, toxische Beimengungen in Cannabis zu vermeiden, den Schwarzmarkt zu schwächen und Maßnahmen zur Prävention zu fördern. Wir wollen einfach aktiv dazu beitragen, eine verantwortungsvolle Nutzung und den sicheren Umgang mit Cannabis zu fördern.
Was wird euer Club denn tun?
André L.: Wir werden eine breite Palette von Aktivitäten durchführen: die Organisation von Bildungsveranstaltungen, Jugendschutz und Prävention; außerdem die Zusammenarbeit mit örtlichen Behörden. Zusätzlich wollen wir Messen besuchen. Nächsten Monat geht es zum Beispiel zum Cannafest nach Prag (3. bis 5.11.2023, die Redaktion). Wir wollen Gemeinschaftsabende veranstalten und viele andere Veranstaltungen organisieren, um die Vernetzung unter den Mitgliedern zu fördern. Außerdem werden wir, sobald wir die Lizenz erhalten, selbst Cannabis anbauen und die dafür benötigte Arbeit selbst leisten. Das wird schon eine Menge unserer eigentlichen Arbeit ausmachen. Als Mitglied hat man die Chance, sich aktiv an all diesen Aktivitäten zu beteiligen und die Vielfalt des Clubs zu erleben.

Jetzt mal ehrlich: Geht es nur darum, legal Joints zu rauchen?
Collin S.: Nein, absolut nicht. Noch mal: Unser Hauptziel ist es eine sichere Umgebung zu schaffen, den Jugendschutz zu gewährleisten, die Qualität des abgegebenen Cannabis stetig zu kontrollieren und zu gewährleisten und eine verantwortungsvolle Nutzung sicherzustellen beziehungsweise zu fördern. Der Verein hat also deutlich breitere Ziele als nur das Rauchen von Joints.
Die kontrollierte Abgabe von Cannabis wird aber schon eine große Rolle spielen. Wir werden das Cannabis als Vereinigung selbst mithilfe der Mitglieder und des Anbaurates anbauen und an unsere Mitglieder abgeben. Je nach Mitgliederzahl ist natürlich die Anzahl des monatlichen Bedarfs zu bemessen und somit auch die Arbeit, die man in die Produktion und Pflege der Pflanzen stecken muss.
Kann man jetzt schon, also vor der neuen Gesetzeslage, Mitglied werden? Warum sollte man das aus Ihrer Sicht tun?
André L.: Die frühzeitige Mitgliedschaft bietet die Möglichkeit, von Anfang an Teil unserer Gemeinschaft zu sein und sich aktiv an der Vorbereitung für die Zeit nach der Legalisierung zu beteiligen. Sie ermöglicht, an unseren Veranstaltungen und Aktivitäten teilzunehmen, sich mit anderen zu vernetzen und sich auf dem Laufenden zu halten. Nach der Legalisierung wird die Mitgliedschaft außerdem entscheidend sein, um legal Cannabis erwerben zu dürfen. Ansonsten bleibt es strafbar. Wir möchten eine sichere und legale Umgebung schaffen, in der unsere Mitglieder hochwertiges Cannabis erwerben können, ohne sich auf illegale Quellen verlassen zu müssen.
Collin S.: Wir werden sicherstellen, dass unsere Mitglieder über eine verantwortungsvolle Cannabis-Nutzung informiert sind. Auch werden wir Maßnahmen und Tipps zur Sicherstellung des Jugendschutzes und zur Vermeidung von Beimengungen in Cannabisprodukten ergreifen und mit auf den Weg geben. Damit die Mitglieder auch zu Hause, falls Sie es wollen, ihr Cannabis sauber anbauen können und es sicher handhaben.

Was muss man denn als Mitglied selbst beitragen?
Timo V.: Die Aufgaben, die man als Mitglied übernehmen kann, werden leider erst festgelegt werden können, sobald wir unsere Anbaulizenz erhalten haben und das Gesetz endgültig in Kraft tritt. Wir werden natürlich unsere Mitglieder aktiv informieren und einbinden, sobald wir klare Aufgaben und Möglichkeiten zu deren Mitwirkung haben. Wir haben allerdings vor, sobald wir über geeignete Räumlichkeiten verfügen, sie für eine Zeit nach der Gesetzesänderung vorzubereiten. Dafür wird natürlich jede helfende Hand gern gesehen.
Was konkret hat eigentlich jetzt zur Eröffnung des Clubs geführt?
Sascha B.: Die Ankündigung der Änderung der Gesetzeslage. Aktuell sind wir erst mal nur ein Cannabisverein, der sich für eine Änderung der Drogenpolitik und den Umgang mit Cannabis aktiv einsetzt. Sobald das aktuelle Gesetz dann, möglicherweise zum Jahreswechsel, verabschiedet und Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz gestrichen wird, werden wir den Zusatz „Anbauvereinigung“ tragen können. Vorausgesetzt, wir erhalten eine Anbaulizenz. Dagegen spricht aktuell aber nichts. Wir gehen also davon aus.
Wo ist der Club konkret ansässig?
Sascha B.: Aktuell haben wir noch keine feste Clubadresse. Wir sind derzeit auf der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten und befinden uns auch bereits in Gesprächen, die allerdings noch nicht endgültig abgeschlossen sind. Wir müssen die genauen rechtlichen Rahmenbedingungen abwarten, bevor wir zum Abschluss von Immobilienverträgen kommen. Wir haben allerdings vor, in der nächsten Zeit so etwas wie ein Clubhaus anzumieten, um dann dort zum Beispiel Gemeinschaftsabende, Sitzungen und ähnliches abhalten zu können. Unsere konkrete Adresse wird natürlich bekanntgegeben, sobald alle Details geklärt sind.
Gibt es schon selbst kultivierte Hanfpflanzen in Castrop-Rauxel?
Collin S.: Cannabis ist aktuell illegal und somit ist auch der Anbau verboten. Unseres Wissens nach gibt es niemanden in Castrop-Rauxel, der eine Ausnahmegenehmigung dafür hat.

Es ist schon herauszuhören, aber einmal konkret gefragt: Wie steht ihr zur Legalisierung in Deutschland und wie seht ihr die Debatte zu den damit verbundenen Risiken?
Timo V.: Wir stehen dem sehr positiv gegenüber. Wir bereiten uns darauf vor und freuen uns, aktiv dazu beizutragen, die Legalisierung in einer Weise umzusetzen, die die potenziellen Risiken minimiert und eine verantwortungsvolle Nutzung fördert. Die Debatte um mögliche Gefahren der Legalisierung nehmen wir auf jeden Fall sehr ernst. Eine kontrollierte legale Abgabe von geprüftem Cannabis verhindert aber das Risiko für Streckmittel im Vergleich zum Schwarzmarkt regelrecht auf Null. Außerdem ermöglicht sie, die Aufbringung von künstlichen Cannabinoiden wie JWH-018 zu verhindern. Da unsere Bemühungen darauf abzielen, die Risiken des Konsums zu reduzieren, sind wir der Meinung, dass man mit einer Legalisierung mehr Kontrolle und Gesundheitsschutz leisten kann als mit einem Verbot.
- Nach einem Bericht des Deutschen Ärzteblattes ist Cannabis die am häufigsten konsumierte illegale Droge weltweit. Meist wird sie in Form von Marihuana (getrocknete Blüten und Blätter der Hanf-Pflanze) mit Tabak geraucht.
- 4,5 Prozent der erwachsenen Deutschen soll sie im vergangenen Jahr verwendet haben (Quelle: Nationaler epidemiologischer Suchtsurvey 2021).
- Mediziner warnen vor gesundheitlichen Risiken, die von der Dosis, vom Alter der Konsumenten und anderen Faktoren abhängen. Psychosen und Panikattacken können ebenso dazu gehören wie eine Beeinträchtigung von Konzentrationsvermögen und Aufmerksamkeit, motorische Probleme und Übelkeit. Besonders schädlich soll der Konsum für Jugendliche und junge Erwachsene sein. Das Gehirn ist noch bis Mitte 20 in einer Wachstumsphase, die dadurch gehemmt werden kann.
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