Wer zieht ein in den Castrop-Rauxeler Stadtrat? Diese Frage beantworten die Bürger bei der Kommunalwahl. Es gibt enge Duelle in sechs Wahlbezirken. Einige Promis könnten in die Röhre gucken.
Wer sich die Kandidatenlisten für die Wahl des neuen Stadtrats genau ansieht, der findet in den 23 Wahlbezirken, in denen sich Ratspolitiker wählen lassen, mindestens sechs richtig spannende Duelle. Einige bekannte Castrop-Rauxeler Politiker könnten durchaus ihr Ratsmandat verlieren.
Grundsätzlich funktioniert die Ratswahl so: Der Bürger wählt auf rosa Papier für die „Vertretung der Stadt Castrop-Rauxel“ mit einem Kreuz einen Direktkandidaten. Er hat acht Vertreter aus acht Parteien oder Wählergruppen zur Auswahl. In Becklem (Wahlbezirk 8) gibt es nur sieben Kandidaten, weil „Die Partei“ dort keinen Kandidaten nominiert hat.
Alle Wahlbezirke sind im Rat vertreten
Aus jedem der 23 Wahlbezirke gelangt der Kandidat direkt in den Stadtrat, der die meisten Stimmen bekommt. Damit wird gewährleistet, dass jeder Wahlbezirk mit mindestens einem Kandidaten im Rat vertreten ist und nicht etwa ein ganzer Stadtteil ohne Ratsherr oder -frau bleibt.
Der Stadtrat besteht aber aus der doppelten Anzahl an Sitzen: mit dem Bürgermeister (ist qua Amt Vorsitzender des Stadtrats) sind es mindestens 47 Personen. Die zweite Hälfte des Rates setzt sich aus den sogenannten Reservelisten der Parteien und Wählergruppen zusammen.
Die Zusammensetzung erfolgt so, dass die Zahl der Sitze entsprechend der Prozente nach dem Stimmverhältnis in der gesamten Stadt verteilt wird. Dabei kann es sein, dass es sogenannte Ausgleichs- oder Überhangmandate gibt. Das wird dann erforderlich, wenn eine Partei mehr direkte Mandate gewinnt, als ihr über die Gesamt-Prozente zustünden.
Ein gutes Beispiel liefert die Kommunalwahl 2014: Damals gewann die SPD 20 der 23 Direktmandate, weil ihre Kandidaten in 20 von 23 Bezirken vorn lagen. 20 Sitze bei einer Gesamtzahl von 46 hätten 43,5 Prozent der Stimmen entsprochen. Die SPD hatte aber insgesamt 40,1 Prozent. Das bedeutete, dass es vier Ausgleichsmandate im Stadtrat geben musste. Und es bedeutete auch, dass von der Reserveliste der SPD kein Kandidat in den Rat einziehen konnte.
Dafür zogen die Reservelisten der anderen Parteien, vor allem die der CDU. Die brachte drei Direktkandidaten in den neuen Rat, ihr standen aber bei 30,6 Prozent der Stimmen 15 Sitze zu. UBP (4,1 Prozent) und FDP (4,4 Prozent) erhielten je 2 Sitze, die Linke (5,3 Prozent) 3 Sitze, FWI (7,5 Prozent) und Grüne (8,0 Prozent) je 4 Sitze. Insgesamt hatte der Rat 50 Sitze.
Die SPD gewann 20, die CDU die anderen drei Wahlbezirke 7, 8 und 23 direkt: Josef Berkel und Marie Luise Pathe siegten in Henrichenburg mit rund 45 Prozent vor den SPD-Kandidaten Marcus Pelzing (32 Prozent) und Daniela Rotte (31 Prozent). In Frohlinde gewann Frank Steinbach mit 46 Prozent vor SPD-Kandidatin Heike Borek (28 Prozent).
Und 2020? Wir analysieren die Formationen, mit denen die Parteien antreten.
Die Direktkandidaten mit ziemlich sicheren Aussichten:
- Malte Rodammer (SPD), Bezirk 1
- Fabian Abitz (SPD), Bezirk 2
- Gaby Schulte (SPD), Bezirk 3
- Rajko Kravanja (SPD), Bezirk 4
- Daniel Djan (SPD), Bezirk 5
- Bernd Goerke (SPD), Bezirk 6
- Josef Berkel (CDU), Bezirk 7
- Jonas Ehm (CDU), Bezirk 8
- Dirk Kienast (SPD), Bezirk 9
- Sylvia Dammann (SPD), Bezirk 10, trifft auf den stellvertretenden Bürgermeister Hans-Hugo Kurrek (CDU). Hier holte 2014 in einem von drei Wahllokalen (FNR) Fotis Matentzoglou überragende 38 Prozent (Die Linke). Bezirksweit reichte es für ihn aber „nur“ zu 11 Prozent. Er tritt wieder an. In den Rat gelangte er 2018 nach dem Tod von Ingo Boxhammer.
- Rüdiger Melzner (SPD), Bezirk 11, trifft auf Oliver Lind (CDU)
- Christa Dreifeld (SPD), Bezirk 12, trifft auf Achim Gärtner, Notburga Henke und Anne Krüger
- Hans-Jürgen Noll (SPD), Bezirk 13
- Waltraud Stroewer (SPD), Bezirk 14
- Katrin Lasser-Moryson (SPD), Bezirk 18
- Sabine Seibel (SPD), Bezirk 21
- Frank Steinbach (CDU), Bezirk 23

Das sind die Wahlzettel für den Stadtrat, die man am 13. September im Wahllokal ausgehändigt bekommt. © Tobias Weckenbrock
Die Wackel-Wahlbezirke mit Kampf-Kandidaturen:
- Bezirk 15, Altstadt und Behringhausen (Westring): Hier trifft SPD-Kandidat Malte Fercke (Vorsitzender des Bürger-Ausschusses) auf den CDU-Kandidaten Michael Schneider (Geschäftsführer und Pressesprecher) sowie den Grünen Onur Kocakaya. Dieser Bezirk gilt als besonders umkämpft. 2014 ging er mit 35 zu 32 Prozent für Fercke aus, der sich gegen den 2015 verstorbenen Hans-Josef Eßer von der CDU durchsetzte.
- Bezirk 16, Altstadt: CDU-Kandidat Michael Breilmann hat gute Aussichten im Zweikampf mit SPD-Widersacher Hubertus Wilbring. Denn Breilmann ist seit Jahren das Sprachrohr der CDU, war 2015 Bürgermeisterkandidat und wurde Fraktionsvorsitzender im Stadtrat. Der Jurist hat mit der alteingesessenen Kanzlei in der Altstadt einen klaren Heimvorteil. Hier treten auch noch Bürgermeisterkandidat Nils Bettinger (zieht der Promi-Faktor?), Grünen-Politiker Udo Weber und die etablierte FWI-Ratspolitikerin Christel Sperz an. 2014 lieferten sich Wilbring (36 Prozent) und Breilmann (34 Prozent) hier ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit am Ende lediglich 22 Stimmen Unterschied.
- Bezirk 17, Dorf Rauxel: Jürgen Kahl (SPD) gegen Carsten Papp (CDU), den Stadtverbandsvorsitzenden der Union: Das verspricht Spannung im Wahllokal Wilhelmschule. Bei der Ratswahl 2014 gewann Christa Dreifeld mit 42 Stimmen (3 Prozentpunkte) Vorsprung vor dem Bankkaufmann Papp, der dann über die Liste in den Rat kam.
- Bezirk 19, Schwerin: Dass Sebastian John (39 Prozent) 2014 in den Rat kam, verdankte er einer Mehrheit von 70 Stimmen gegenüber Jörn Leder (33 Prozent) von der CDU. Jetzt trifft der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses auf die junge Yasemin Dittrich (CDU). Die Studentin, liiert mit Fraktionschef Breilmann, hat sich nicht nur im Bauausschuss neben Oliver Lind als Sprecherin der Union etabliert, sondern kandidiert auch für den Kreistag.
- Bezirk 20, Altstadt / Obercastrop: Das ist offenbar der Kampfbezirk schlechthin: Der SPD-Fraktionschef Daniel Molloisch (Lehrer) trifft auf CDU-Herausforderer Michael Fritsch (Rentner) und Ulrich Werkle (Software-Entwickler), einen der profiliertesten Grünen-Politiker der Stadt. Molloisch holte 2014 38 Prozent, Herausforderer Wolfgang Helsper 34 Prozent, absolut nur 58 Stimmen weniger. Sollte Molloisch wieder gewinnen, hätte Fritsch gute Aussichten, auf Reservelistenplatz 11 dennoch in den Rat einzuziehen. Molloisch steht zwar auf der Reserverliste der SPD auf Platz 3 hinter Kravanja und Kapteinat, aber 2014 zog von der SPD-Reserveliste wegen der hohen Zahl der gewonnenen Direktmandate niemand in den Stadtrat ein.
- Bezirk 22, Merklinde: Pensionär Uwe Manthey (SPD, 40,6 Prozent) gewann 2014 mit dem sehr knappen Vorsprung von 31 Stimmen vor Dieter Gyurcsek (CDU, 37,9 Prozent). Er tritt diesmal gegen den Industriekaufmann Florian Nachtwey an. Nachtwey könnte mit Platz 10 auf der Reserveliste aber auch ohne Direktmandat in den Rat kommen.
Auf den Kippe-Plätzen der Reservelisten stehen:
- bei der CDU Matthias Hart (12), Renate Möbius (13), Jonas Gabriel Ehm (14) und Achim Gärtner (15). Sicher sein können neben Michael Breilmann und Oliver Lind unabhängig von der Direktwahl noch Carsten Papp (3), Yasemin Dittrich (4), Hans-Hugo Kurrek (5), Josef Berkel (6), Fabian Kaese (7), Michael Schneider (8), Frank Steinbach (9), Florian Nachtwey (10) und Michael Fritsch (11).
- Bei den Grünen könnte es hinter den sicheren Bert Wagener, Ulli Werkle und Lilli Meister knapp werden für Timo Eismann (4), Notburga Henke (5) und Holger Schelte (6). Ursula Mintrop-Werkle (7) hat nur Außenseiter-Chancen bei einem außerordentlich guten Grünen-Gesamtergebnis.
- Bei der FWI sind Annette Korte, Harald Piehl und Christel Sperz einigermaßen sicher. Rolf Wöhlke (4) und Hildegard Krusch (5) sind die Wackelkandidaten.
- Für die Linke sind Margita Gudjons und Uwe Biletzke einigermaßen sichere Kandidaten, Marion Henschel (3) und Ulrich Häpke (4) ziehen nur bei einem guten Ergebnis.
- Bei der FDP ziehen ziemlich sicher Nils Bettinger und Anne Krüger ein, sollten sie zwei Sitze holen. Für Student Tom-Jonas Roehl (3) wird es eng.
- Für die UBP ist Thomas Schmidt wahrscheinlich wieder im Stadtrat, für Demis Theodorakis (2) und Britta Menne (3) müsste die Außenseiter-Partei schon reichlich dazu gewinnen.
- Für die erstmals antretende „Die Partei“ könnte Suchtberater Andreas Kemna (1) erstmals in den Rat einziehen. Jan Philip Schluer (Künstler, 2) und Hundetrainer Marcus Liedschulte (3) sowie Klaus Hamelmann (4) wären die weiteren Kandidaten, sollte die Partei auf Anhieb 4 oder mehr Prozent holen.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
