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32 Kneipen gab es in Ickern – Schachtmarken sollen sie wiederbeleben
Mein Ickern
Der Verein Mein Ickern will mit „Ickerner Schachtmarken“ von einer Zeit erzählen, als es im Stadtteil 32 Gaststätten gab, als die Kneipe an der Ecke ein echtes Kommunikationszentrum war.
Mit „Ickerner Schachtmarken“ will der Stadtteilverein Mein Ickern in diesem Jahr unter anderem den 800. Geburtstag des Stadtteils begehen. Die Marken sollen an die „Kommunikationszentren Ickerns“ – die Kneipen, Trinkhallen und Stehbierhallen – erinnern.
Diese Orte waren es, an denen sich die Kumpel nach der Schicht trafen, die Orte des Austauschs, in oder an denen die gesellschaftlichen Werte des Bergbaus – Solidarität, Zusammenhalt und Geselligkeit – „gelebt“ wurden. Gerade diese Orte des gesellschaftlichen Lebens haben den Stadtteil geprägt und ihm seine Identität gegeben.
Entstanden waren die ersten Kneipen laut Recherchen von Mario Pallasch aus dem Vorstand des Stadtteilvereins, als im heutigen Ortsteil Castrop-Rauxels im Jahr 1870 mit damals gerade einmal 367 Einwohnern die Geburtsstunde des Ickerner Bergbaus schlug.
Erste Kneipen entstanden für Spezialisten, die ohne Familien kamen
Zur Abteufung der ersten Gruben wurden damals Spezialisten herangeholt. „Die hatten hier keine Familie, wohnten in Baracken, verdienten für die damalige Zeit viel Geld und hatten nach der Arbeit nicht viel zu tun“, so Pallasch. Und genau für diese Männer wurden dann die ersten Gaststätten eröffnet.
Ickern wuchs mit dem Bergbau in rasanter Weise, immer mehr Menschen zogen zu, der Ort prosperierte und damit auch die Kneipenlandschaft. Fernsehen und andere Ablenkungen gab es noch nicht, also ging man in die Kneipe an der Ecke, die zum Kommunikationszentrum wurde, zum Treffpunkt der Straße und des Wohnumfelds.

Die ehemalige Gaststätte zum Treppchen an der Ecke von Ickerner Straße und Recklinghauser Straße. © Mein Ickern
Manche Gaststätten, so Pallaschs Recherchen, überdauerten lange Zeit, wurden echte Tradition, manche Kneipe wurde aber auch schon damals zur Fehlinvestition, verschwanden schnell vom Markt. Viele der ehemaligen Kneipen erkennt man im Stadtbild Ickerns und des gesamten Ruhrgebiets noch heute ganz leicht: Denn typisch für die Gaststätten-Konstruktion war lange Zeit der Eingang an der Hausecke, die dafür abgeschrägt war, um hier eine breite Eingangstür einbauen zu können.
Gut zu erkennen ist das etwa am Haus direkt am Ickerner Kreisel, in dem heute im Erdgeschoss ein Zahnarzt ist. Die überstehenden Obergeschosse werden von einer dicken runden Säule getragen, hinter der früher der Eingang zum Lokal war. Hier war lange Jahre die Gaststätte „zum Treppchen“ zu Hause, die von verschiedenen Wirtsleuten bis in die 60er-Jahre hinein betrieben wurde.

In dem Haus, wo einst das Treppchen war, sitzt nun ein Zahnarzt. An der dicken Säule und der abgeschrägten Ecke kann man das Haus heute noch gut erkennen. © Thomas Schroeter
Später, so hat es Mario Pallasch aufgeschrieben, wurde das Haus umgebaut und es eröffnete die Diskothek „Remember“, in der in den folgenden Jahren solche Bekanntheiten wie der junge Howard Carpendale oder auch Gus Backus auftraten. Die Stehbierhalle im Erdgeschoss blieb noch erhalten, aus dem „Remember“ aber wurde später ein Barbetrieb, der etwa 25 Jahre lang unter unterschiedlichen Namen betrieben wurde.
Solche Kneipengeschichte und -geschichten möchten Pallasch, der Vereinsvorsitzende Marc Frese und die Mitstreiter des Stadtteilvereins in den kommenden Wochen und Monaten noch viele sammeln. „Wir suchen nach Erzählungen, nach Erinnerungen, nach Anekdoten, so Pallasch. „Und natürlich nach neuem altem Fotomaterial, von dem bestimmt in vielen Haushalten noch so einiges lagert.“
Verein sucht nach weiteren Kneipengeschichten
Wo genau befanden sich die Gaststätten und was war das Besondere an diesem Ort? Ist es die Erinnerung an den Wirt oder die Wirtin, an die beste Currywurst oder – was natürlich im Ruhrgebiet nicht fehlen darf – das beste Bier?
Der Stadtteilverein sammelt alle Rückmeldungen und will sie zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Danach sollen die Orte öffentlich mit einer „Ickerner Schachtmarke“ gewürdigt werden. „Die würden wir gern als Plakette an den Häusern anbringen mit ein paar zentralen Infos über den Ort. Wenn es geht und die Arbeit dafür zu schaffen ist, können wir uns auch vorstellen, auf den Marken einen QR-Code anzubringen, mit dem man zu weiteren Informationen, Tonaufnahmen, Videos oder was auch immer kommen kann“, erzählt Marc Frese von den Ideen, die man hat. Insgesamt soll so nach und nach eine Art Stadtteilrundgang entstehen, auf dem man Ickern und seine Geschichte entdecken kann.
Der Anzahl der „Ickerner Schachtmarken“ sind dabei keine Grenzen gesetzt. Allerdings sollten es zu Beginn mindestens 20 Ickerner Schachtmarken werden, so Frese. Das dürfte angesichts der Geschichten und Erzählungen, die Mario Pallasch schon zusammengetragen hat, aber auch kein Problem sein. „Die Leute im Verein und darüber hinaus haben auf die Idee ganz toll reagiert und kommen mit immer neuen Infos, Ideen und Anekdoten auf uns zu“, erzählt Marc Frese.
Und noch hat man gar nicht damit begonnen, die Suche nach Material zu systematisieren. „Das wollen wir bald tun. Einmal im Internet, aber auch mit einem ganz handfesten Fragebogen, denn die Menschen, die sich an die alten Kneipen erinnern dürften, gehören ja nicht unbedingt zur Generation Internet.“
Umsetzung noch im zweiten Halbjahr geplant
Umgesetzt werden sollen und müssen die ersten Schachtmarken noch in der zweiten Jahreshälfte des Jubiläumsjahr als Beitrag zum Geburtstag, aber auch weil es das Förderprogramm der Bezirksregierung, aus dem der Verein eine Anschubfinanzierung bekommt, so festschreibt.
Wer Ickerner Kneipengeschichte, -geschichten und -fotos auf Lager hat, sollte sich also schon mal bereit machen.
1961 geboren. Dortmunder. Jetzt in Castrop-Rauxel. Vater von drei Söhnen. Opa. Blogger. Interessiert sich für viele Themen. Mag Zeitung. Mag Online. Aber keine dicken Bohnen.
