Wenn die Bayern straucheln, strauchelt auch der BVB Titelkampf im Zeichen der Krise

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Der Fall war eindeutig gelagert. Sowohl in München (1:1 gegen Hoffenheim) als auch in Dortmund (3:3 in Stuttgart) herrschte kollektive Katerstimmung. „Wir dachten, dass wir schon das Dümmste gesehen haben bei der Niederlage gegen Bremen zu Hause. Aber das toppt alles. Wir haben eine riesige Chance liegen gelassen“, polterte BVB-Trainer Edin Terzic.

Tuchel geht mit Team hart ins Gericht

Auch Thomas Tuchel war sichtlich angefressen, setzte auf der Pressekonferenz zu einer harten Bestandsaufnahme an: „Das war wenig Energie, wenig Spirit, wenig Tempo, wenig Vertrauen – ich glaube, es geht im Schwerpunkt um das Wie und gar nicht um das, was wir gespielt haben.“ Wer den Analysen von Terzic und Tuchel am Wochenende folgte, konnte fast meinen, die beiden Fußball-Lehrer würden potenzielle Abstiegskandidaten befehligen. Die Trainer der beiden Bundesliga-Spitzenteams reagierten gleichermaßen fassungslos auf die Auftritte ihrer Mannschaften.

Er habe unter der Woche im Training eine ausnahmslos gute Energie verspürt, bekannte Tuchel. „Ich kann es nicht beweisen, ich bin der einsame Rufer im Wald, aber die Art und Weise hat uns extrem positiv gestimmt für heute, um einen Schritt nach vorne zu machen, ein Zeichen zu setzen für uns selbst, uns Vertrauen zu holen, eine Energie im Stadion zu entfachen – das sind wir alles schuldig geblieben“, bekannte der Bayern-Coach. Die Münchner sind verwundbar wie lange nicht.

BVB-Trainer Terzic ringt um Worte

Auch Edin Terzic war nach dem späten Tiefschlag gegen die Schwaben sichtlich angeschlagen, suchte nach den passenden Worten für das Unerklärliche. „Das ist hier eigentlich der Raum, in dem ich meine Mannschaft und meine Jungs und uns als Gruppe beschützen will, die Energie beschützen möchte, aber es fällt mir schwer, weil es so unnötig, so dumm ist“, räumte der BVB-Trainer ein.

Die Mängel-Liste ist bei beiden Klubs lang, zwischen Anspruch und Wirklichkeit (Bayern) sowie Wunsch und Wirklichkeit (Dortmund) klaffen gewaltige Lücken. Die Patzer des Rekordmeisters und der Schwarzgelben sogar dafür, dass der Titelkampf weiterhin spannend bleibt. Zwei Zähler trennen die Münchner von der Borussia. So eng war das Meisterrennen in den vergangenen zehn Jahren nur selten.

BVB muss auf Ausrutscher hoffen

Aufgrund des (knappen) Vorsprungs haben die Bayern weiterhin alles in der eigenen Hand. Der BVB muss dagegen auf einen Ausrutscher des Rekordmeisters hoffen, der sich aufgrund der um 25 Treffer besseren Tordifferenz sogar ein weiteres Unentschieden leisten könnte, um vorne zu bleiben. In der Bundesliga-Historie lagen die Münchner nach 28 Spieltagen bislang 29 Mal an der Tabellenspitze. Und nur zweimal wurden sie dann nicht Meister: 1992/1993 überholte sie Werder Bremen, 1983/84 zogen sogar noch drei Teams vorbei, Deutscher Meister wurde schließlich der VfB Stuttgart.

Marco Reus zieht sich sein Trikot ins Gesicht.
BVB-Kapitän Marco Reus und seine Teamkollegen enttäuschten in Stuttgart auf ganzer Linie. © imago / Eibner

Die Bayern können in dieser Saison zum elften Mal in Serie den Titel holen. Seit der Meisterschaft 2012 hechelte Dortmund mal mehr, mal weniger abgeschlagen hinterher. In der vergangenen Saison unter Marco Rose gelang es dem BVB zwischenzeitlich, den Abstand auf sechs Punkte zu verkürzen. Am Ende trennten beide Klubs acht Zähler. Unter Lucien Favre verspielten die Schwarzgelben in der Saison 18/19 einen Vorsprung von sieben Punkten, um am 27. Spieltag abermals mit einem Zähler die Tabellenführung zu übernehmen. Im Showdown setzte es dann in der Allianz Arena eine 0:5-Schmach. Später patzte der BVB im Derby gegen Schalke (2:4) und in Bremen (2:2). Die Schale ging wieder nach Bayern.

BVB mit wiederkehrenden Problemen

Auch im Jahr darauf blieb die Borussia dem FCB lange auf den Fersen, blieb bis zum 27. Spieltag bis auf vier Punkte dran – und verlor erneut das Topspiel (0:1) gegen die Bayern. Weil Dortmund auch noch in den letzten beiden Heimspielen gegen Mainz (0:2) und Hoffenheim (0:4) patzte, waren es am Ende 13 Zähler Differenz.

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„Ich versuche sehr offen und sehr ehrlich zu sein, Es gibt halt Gründe, wieso wir es nicht geschafft haben, in den letzten zehn Jahren ganz oben zu stehen“, räumte Edin Terzic nach dem 3:3 in Stuttgart ein. Den BVB begleiten seit Jahren dieselben Probleme. „Wir müssen endlich anfangen, aus diesen unnötigen Rückschlägen zu lernen und sie nicht wiederkehren zu lassen. Das wird keiner für uns tun, das geht nur, wenn wir es in Angriff nehmen“, unterstrich der BVB-Trainer.

BVB-Trainer Terzic gibt sich kämpferisch

Unter Terzic hat der BVB nach 28 Spieltagen exakt so viele Punkte (57) gesammelt wie zum identischen Zeitpunkt der Vorsaison unter Marco Rose. Die Bayern (59) haben sieben Zähler weniger. Nur deshalb ist der Titelkampf aktuell noch spannend. Nach der Pokal-Pleite in Freiburg und dem drohenden Aus in der Champions League gegen Manchester City ist der Druck an der Säbener Straße groß. „Es fällt mir gerade schwer, heute die richtigen Lösungsansätze für morgen zu finden“, bekannte Edin Terzic. Er könne jedoch eines versprechen: „Bei all der Enttäuschung ist es noch so viel, worum es sich zu kämpfen lohnt.“ Ob seine Mannschaft dieses Versprechen wird einlösen können, gehört zu den elementarsten Fragen in diesem Zweikampf um die Meisterschaft.

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