Bizarrer BVB-Auftritt beim 3:3 in Stuttgart „Einfach nur komplettes Unverständnis“

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Was für ein irres Fußballspiel: Für Borussia Dortmund treffen vor der Pause Sebastien Haller (26.) und Donyell Malen (33.), dann sieht Konstantinos Mavropanos Gelb-Rot (39.). Weil der BVB in Überzahl eine Handvoll bester Torchancen versiebt, kommen die kämpfenden Stuttgarter sogar zum 2:2 durch Tanguy Coulibaly (78.) und Josha Vagnoman (84.). Dann ist wieder der BVB obenauf, weil Giovanni Reyna in der Nachspielzeit das 3:2 erzielt (90.+2). Doch auch das reicht nicht: Soumaila Coulilbaly schlägt ein Luftloch, Silas Katompa Mvumpa trifft zum 3:3 (90.+7). Verrückter können 90 Minuten kaum verlaufen. Die zwei Punkte werden dem BVB im Titelrennen fehlen. Das Remis ist umso bitterer, weil die Bayern beim 1:1 gegen Hoffenheim auch zwei Zähler liegen lassen.

Can rückt für Süle in die BVB-Abwehr

Für die vorab als heikel eingestufte Aufgabe beim abstiegsgefährdeten VfB nahm Trainer Edin Terzic gezwungenermaßen eine Änderung vor. Für Niklas Süle (muskuläre Probleme) rückte Emre Can wie erwartet in die Innenverteidigung, seinen Platz im defensiven Mittelfeld nahm Salih Özcan ein.

Eben jener Emre Can stand dann auch gleich im Blickpunkt bei der ersten heißen Szene des Spiels. Stuttgarts Serhou Guirassy traf den BVB-Spieler mit gestreckter Sohle – wohl unabsichtlich, aber dennoch absolut rotwürdig. Die Dortmunder Bank protestierte vehement (1.). Damit war der Ton gesetzt für die erste halbe Stunde, in der die Gastgeber bis zum Strafraum mutig den Ball laufen ließen und der Borussia in den Zweikämpfen oft den Schneid abkauften (58 Prozent nach 25 Minuten). Daraus entsprangen Chancen für Josha Vagnoman (5.) und Guirassy (20., 30.), gegen den einmal Mats Hummels und dann Gregor Kobel in höchster Not klärten.

BVB-Stürmer Haller eiskalt zum 1:0

Bei der zweiten Gelegenheit stand es bereits 1:0 für den BVB – zu dem Zeitpunkt eher glücklich. Zwar hatte Sebastien Haller eine gute Möglichkeit verstreichen lassen (10.), darüber hinaus fand die Mannschaft von Edin Terzic allerdings nur schwer ins Spiel, erlaubte sich zu viele Fehler mit Ball (Brandt, Adeyemi) und ohne (Malen, Ryerson). Wie einfach es gehen kann, zeigte dann die 26. Minute: Malen wurde von Waldemar Anton nicht angegriffen, die flache Hereingabe verwertete Haller aus fünf Metern mit einem satten Abschluss unter den Querbalken. Ex-Borusse Dan-Axel Zagadou kam gegen den Torschützen zu spät (26.).

Statt unmittelbar den Ausgleich zu erzielen, lief danach alles gegen die Schwaben – und für die Gäste. Nach einer Ecke von der linken Seite köpfte der andere Ex-Borusse, Chris Führich, den Ball in den Fuß von Malen. Der legte sich das Leder kurz vor und zog aus 14 Metern flach ab zum 2:0. Leicht provokant feierte er den vierten Treffer im vierten Bundesliga-Spiel hintereinander an der Eckfahne vor der Cannstatter Kurve. Vier Schüsse, zwei Treffer: In Sachen Effizienz agierte der BVB meisterlich. Stuttgart hingegen präsentierte sich gedanklich angeschlagen: Konstantinos Mavropanos zog Malen an der Schulter und trat mit dem Fuß nach, und weil er vier Minuten zuvor in ähnlicher Situation Karim Adeyemi ausgebremst hatte, folgte diesmal konsequent die Gelb-Rote Karte durch Schiedsrichter Harm Osmers (39.).

Coulibaly feiert Bundesliga-Debüt für den BVB

Noch vor der Pause hätte Malen den dritten Treffer erzielen können (42.), doch auch die Zwei-Tore-Führung fiel schon schmeichelhaft aus. Der BVB war bei Ballbesitz (49 Prozent) und erfolgreichen Pässen (86:91 Prozent) knapp unterlegen, steigerte sich bei den Zweikämpfen allerdings nach zaghaftem Beginn (51:49 für Schwarzgelb). Nach eindringlicher mündlicher Vorbereitung schickte Terzic in Hälfte zwei dann Soumaila Coulibaly für Mats Hummels (vier Gelbe Karten) in die Partie – Bundesliga-Debüt für den 19-jährigen Franzosen, der fortan an der Seite von Can ein ungewohntes Innenverteidiger-Pärchen bildete.

Aufgaben gab es reichlich, denn der VfB blieb auch in Unterzahl im Spiel, weil der BVB es versäumte, den Deckel draufzumachen. Der sonst aufreizend überhebliche Jude Bellingham (46.) scheiterte an der Latte und verpasste sein erstes Tor seit dem 22. Januar (46.), Adeyemi und Guerreiro vergeigten die nächste Konterchance (52.) genauso wie Haller Minuten später. Da hatten die Stuttgarter längst den Anschluss erzielen können. Enzo Millot verpasste haarscharf (51.), dann half der VAR den Dortmundern: Nach Bellinghams Ballverlust konterten die Platzherren, vor seinem Abschluss stand dann Guirassy nach minutenlang gereifter Schiedsrichter-Meinung minimal im Abseits – Glück für den BVB (54.), der die numerische Überlegenheit erst nach einer Stunde (Doppelwechsel: Marco Reus und Youssoufa Moukoko für Brand und Haller) und gegen müder werdende Stuttgarter ausspielte. Wer vernetzt war, bekam dann die Information aufs Smartphone: Hoffenheim glich in München zum 1:1 aus – die beiden Titelaspiranten waren mit 61 Punkten gleichauf (71.).

BVB-Kapitän Reus schießt an die Latte

Noch war auch die wilde Fahrt in Stuttgart nicht entschieden. Marco Reus‘ Freistoß aus 18 Metern klatschte an die Latte (77.), dann umkurvte der eingewechselte Tanguy Coulbaly Julian Ryerson und Jamie Bynoe-Gittens, Can fälschte unhaltbar ab (78.). Zittern in Schwarzgelb, der BVB holte durch seine fahrlässiges Überzahlspiel und die nun mangelhafte Chancenverwertung den VfB zurück ins Spiel. Vogelwild, wie sich der BVB präsentierte. Mit Folgen.

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Ein Kopfball von Waldemar Anton strich noch über den Querbalken (81.), dann tobten die Schwaben: Nach der nächsten Ecke knallte Vagnoman den Ball ins Netz zum 2:2 – Özcan hatte unfreiwillig vorgelegt (84.). Bizarr, wie der BVB eine 2:0-Führung plus Überzahl bei einem Abstiegskandidaten verzockte. Nach Reynas Tor zum 3:2 sah es aus, als kämen die Borussen mit einem blauen Auge davon (90.+2). Doch die Schwarzgelben erlaubten sich noch einen weiteren Aussetzer: Coulibaly schlug über eine Flanke, Silas sagte Dankeschön (90.+7). Die Mercedes-Benz Arena tobte, den BVB-Verantwortlichen verschlug es die Sprache.

BVB-Sportdirektor Kehl ist bedient

Sportdirektor Sebastian Kehl erklärte: „Es gibt einfach nur komplettes Unverständnis über diese zweite Halbzeit. Ich verspüre nach diesem Spiel große Enttäuschung, Frust und eine gewisse Aggression. Wir müssen das erstmal ein bisschen sacken lassen. Die zweite Halbzeit war extrem enttäuschend. Es ist nicht zu erklären. Wir haben eigentlich in der zweiten Halbzeit vier Tore kassiert. Es gab ja noch ein knappes Abseitstor. Das muss man erstmal schaffen gegen zehn Leute. Ich ärgere mich brutal über uns selber, weniger über das, was in München ist.“

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