Weidenfeller: "15 Jahre BVB machen mich stolz"
Das Interview
Roman Weidenfeller geht mit seinen 35 Jahren gelassen durchs Leben. Entspannt sitzt er mit seinem Hund Charlie am verabredeten Interview-Treffpunkt am Phoenix-See. Matthias Dersch hat mit dem BVB-Torhüter über seine neue Rolle als Vater, seine inzwischen 14 Jahre bei der Borussia und das Leben nach der Karriere gesprochen.

Roman Weidenfeller spielt seit 2002 für den BVB - und wird auch nach seiner aktiven Karriere ein Dortmunder bleiben.
Roman Weidenfeller, hinter Ihnen liegt Ihr erstes Osterfest zu dritt. Ihr Sohn Leonard ist jetzt knapp einen Monat alt. Haben Sie schon Veränderungen an sich festgestellt? Ja, ich verspüre seit dem Tag seiner Geburt noch mehr Verantwortung für meine Familie. Außerdem muss alles viel besser geplant werden. Meine Frau und ich besprechen nun im Voraus den Ablauf der folgenden Tage. Ich bin häufig mit dem BVB unterwegs, aus dem Grund bin ich gerne der Babysitter, wenn ich zuhause bin, damit ich Lisa entlasten kann und sie auch mal etwas Zeit für sich bekommt. (lacht) Bislang ist alles sehr entspannt mit Leo. Wir sind total glücklich und froh, dass alle gesund sind.
Haben Sie im Vorfeld Bücher gewälzt, um sich auf die Vaterschaft vorzubereiten? Oder sind Sie eher der Learning-By-Doing-Typ? Letzteres ist eher mein Ding - auch wenn’s Englisch ist. (lacht) Ich muss gestehen, dass ich mich im Vorfeld nicht unnötig verrückt gemacht habe. Ich bin ein positiver Mensch, gehe aktiv an die neuen Aufgaben heran. Ich denke, man wächst in diese Rolle schnell hinein.
Sie sind 35 Jahre alt - und damit relativ spät Vater geworden im Vergleich zu vielen Ihrer Teamkollegen. Ein erster Schritt ins Leben nach der Profi-Karriere? Ja, auf jeden Fall. Ich habe mich bewusst dazu entschieden, spät Vater zu werden. Während der aktiven Zeit, vor allem in den ersten Jahren der Profi-Karriere, hat man meiner Meinung nach nur sehr wenig Zeit, um sich um seine Familie zu kümmern. Jetzt stehe ich am Ende meiner Karriere und kann das Vatersein viel besser und intensiver genießen.
Sie haben vor kurzem erst Ihren Vertrag um ein Jahr bis zum Sommer 2017 verlängert. Ist das Ihr letzter Vertrag als Profi? Das halte ich erst mal noch offen. Ich bin glücklich mit der Vertragsverlängerung. Denn ich habe noch immer Spaß an meinem Beruf und freue mich auf jedes Training. Grundsätzlich glaube ich auch, dass man als Profi so lange wie möglich spielen sollte. Es gibt schließlich nichts Schöneres. Was aber im Sommer 2017 passiert, kann ich jetzt noch nicht einschätzen. Sollten der Verein, die Mannschaft und der Trainer mich dann noch brauchen, kann ich mir vieles vorstellen - sofern ich noch fit bin. Das ist die Grundvoraussetzung.
Ihr guter Freund Sebastian Kehl lebt vor, wie man den Übergang vom Profi ins Leben danach meistern kann. Ist er ein Vorbild für Sie? Wir haben nach wie vor einen engen Kontakt und tauschen uns regelmäßig aus. Zum Beispiel wie es auf seiner Weltreise war, wie sein Studium bei der UEFA verläuft. Von seinen Erfahrungswerten möchte ich gerne profitieren.
Kehl hat sich nach dem Karriereende erst einmal verabschiedet und ist eine Reise um die Welt angetreten. Wäre das auch für Sie vorstellbar? Ich glaube, das würde zuhause Ärger geben. (lacht) Ich habe großen Respekt davor, wie Sebastian und seine Familie das gemeistert haben. Grundsätzlich ist das schon reizvoll. Mein Reisepass ist zwar nach den vielen Profi-Jahren mit Stempeln voll, aber von der Welt habe ich nicht all zu viel gesehen. Im Endeffekt bekommt man auf den Reisen immer nur den Flughafen, das Hotel und das Stadion zu Gesicht.
Ihr Trainer Thomas Tuchel sagte kürzlich, ihm bliebe gar keine Zeit zum Genießen. Er habe sich sehr auf Porto gefreut, dann sehr auf Tottenham. Doch die Spiele seien so schnell vorbeigezogen, ohne dass man hätte inne halten können. Geht es Ihnen wie ihm oder genießen Sie in der Endphase Ihrer Karriere bewusster? Ich versuche es, vor allem die internationalen Reisen. Aber ich kann ihn gut verstehen. Genießen kann man eigentlich nichts so richtig. Donnerstag spielt man in der Europa League in Tottenham, Sonntag geht es in der Liga weiter. So schön dieser Rhythmus sportlich ist, dadurch kommt vieles zu kurz.
Zum Beispiel? Nach unserem Sieg in Tottenham saßen wir kurz in der Kabine zusammen und haben uns gefreut, dass wir als erste deutsche Mannschaft an der White Hart Lane gewinnen konnten. Das war eine tolle Leistung von uns. Doch dann ging es auch schon weiter mit der Vorbereitung für das Augsburg-Spiel. Und das ist sehr schade. Selbst Titel kann man nur relativ kurz genießen. Nach sechs Wochen zählt das gar nichts mehr, dann fängt man wieder bei Null an.Galt das auch für den Gewinn der Weltmeisterschaft? Da war es noch extremer. Wir hatten nur drei Wochen Urlaub. Danach ging es wieder los. Ab dem ersten Moment will man sich wieder beweisen. Das ist dein Job.Und die Zeit während des Turniers? Die war sensationell. Ich hatte nie damit gerechnet, dass wir mit dem WM-Pokal nach Hause kommen. Es war sportlich wie privat eine ganz tolle Zeit. Diese Emotionen und Eindrücke, die ich in Brasilien sammeln konnte, werde ich nie vergessen. So geht es uns allen. Diese sechs Wochen haben das gesamte Team fürs ganze Leben zusammengeschweißt.
Denkt man, wenn man in Ihrem Alter ist, nach dem Finale nicht: Was soll jetzt noch kommen? Ich mache Schluss! Wir saßen am Morgen nach dem Endspiel am Strand zusammen und haben aufs Meer geschaut. Das war eine ganz besondere Atmosphäre. Wäre ich noch ein paar Jahre älter gewesen, hätte ich dort vermutlich gesagt: „Das war’s jetzt.“ Aber ich stand noch mitten in meiner Karriere, deshalb war es für mich persönlich zu früh. Aus dem Grund habe ich keine Sekunde daran gedacht.
Viele Profis reizt zum Ende der Karriere noch einmal eine neue Herausforderung abseits der Heimat. Ist ein Wechsel ins Ausland durch Leonards Geburt zu den Akten gelegt? Ja, aber eigentlich hatte ich damit auch schon vor seiner Geburt abgeschlossen. Als Lisa dann schwanger war, war endgültig klar, dass wir hier in Dortmund bleiben wollen. Wir haben hier unser Haus, unseren Freundeskreis. Deshalb wollten wir auch hier unsere Familie aufbauen. Wir fühlen uns unglaublich wohl, ich bin seit 14 Jahren in Dortmund und lebe das Ruhrgebiet.
Seite 2: Weidenfeller über die Stadt Dortmund und seine Karriere
Hätten Sie das für möglich gehalten, als Sie 2002 als junger Mann aus Kaiserslautern nach Dortmund kamen? Möchten Sie eine ehrliche Antwort?
Sehr gerne. Damit hätte ich im Leben nicht gerechnet. Ich wusste damals doch überhaupt nicht, was auf mich zukommen würde. Es war ein großes Abenteuer. Und die ersten Jahre in Dortmund waren auch alles andere als leicht. Für mich persönlich, aber auch für den Verein. Nach dem Meisterjahr 2001/02 und der nachfolgenden Champions-League-Saison hatte ich mit dem BVB eine richtige Talfahrt erlebt. Wirtschaftlich als auch sportlich. Umso schöner ist, was daraus gewachsen ist. Wie geschlossen wir durch diese Phase gegangen sind. Die Titel und unsere aktuellen Leistungen sind der Lohn.
Was haben Sie an Dortmund zu schätzen gelernt? Mit Ausnahme des Wetters eigentlich alles. (lacht) Ich mag die offene Art der Menschen hier. Ich mag es, wie die Stadt sich im Verlauf der Jahre verändert hat. Hier gibt es inzwischen so viele Grünflächen. Das glaubt man nur, wenn man es mit eigenen Augen gesehen hat. Und die Wege sind extrem kurz. Ich komme überall schnell hin, ob im In- oder Ausland. Man ist hier im Herzen von Deutschland. Auch die Heimat ist nah. Wir haben hier alles, was wir brauchen.
Wenn Ihr Vertrag endet, geht ihr 15. Jahr beim BVB zu Ende. Was bedeutet Ihnen diese Zahl? Mit 15 bin ich von zuhause weggegangen um Fußballer zu werden. 15 Jahre bin ich dann in Dortmund. Das passt - und es fühlt sich unheimlich gut an. Es war eine tolle Zeit, die nur leider wahnsinnig schnell vorbei gegangen ist. Ich habe die komplette Entwicklung des Klubs mitgemacht. Von einem Topklub zu einem Fast-Absteiger und einer Fast-Insolvenz bis hin zum Doublesieger und zum aktuell besten Tabellenzweiten aller Zeiten. Und ich hatte stets eine wichtige Rolle. Inzwischen habe ich die zweitmeisten Pflichtspiele für die Borussia, das macht mich schon ein bisschen stolz.
Entsprechend wächst Ihr Sohn nur in Schwarzgelb auf, nehme ich an ... (lacht) Seine erste Mütze, die er geschenkt bekommen hat, war tatsächlich schwarzgelb. Andere Farben kommen ja auch gar nicht in Frage. Er darf von mir aus auch gerne Fußballprofi werden, wenn er das denn möchte. Nur eins bitte nicht ...
Was denn? Torwart!
Sagt ausgerechnet ein Torwart... Deshalb kann ich das ja so gut einschätzen. (lacht) Er soll lieber Stürmer werden, wenn er überhaupt Fußballer werden möchte. Als Torwart kannst du 90 Minuten super halten, aber lässt du einen Ball durch, bist du der Depp. Als Stürmer darfst du dagegen 90 Minuten unsichtbar sein, solange du in der 93. Minute dein Tor machst. Dann bist du der Held.
Sie haben es selbst in der Hand, wenn Sie später mit ihm im Garten kicken. Das stimmt. Das werde ich nutzen und ihn nicht ins Tor lassen. (lacht)
Sein Name allerdings ist eigentlich ein klassischer Torwartname. "Leo" hört man jedenfalls oft auf dem Bolzplatz. Ja. Das ist uns inzwischen auch aufgefallen. Am Anfang war uns das gar nicht bewusst. Wir wollten einen Namen, den man schön abkürzen kann. Als mich dann die ersten darauf angesprochen haben, dachte ich: Stimmt, der Name ist genau richtig für meinen ersten Sohn. (lacht)
Warum sind Sie eigentlich Torwart geworden? Ich war zu lauffaul fürs Feld. Das ist heute noch genauso. (lacht) Ich habe in der Jugend trotzdem ab und an draußen gespielt, aber irgendwann fragte mich mein Trainer, was ich denn jetzt machen wolle. Dann habe ich mich fürs Tor entschieden. Und das war sicherlich nicht die schlechteste Entscheidung, auch wenn ich mir deshalb damals viel Taschengeld habe entgehen lassen ...
Wieso das? Meine Kumpel, die im Feld gespielt haben, haben regelmäßig von ihren Eltern oder Großeltern ein paar Mark zugesteckt bekommen, wenn sie getroffen haben. Fürs Bällehalten gab’s dagegen nie was. (lacht)