Tuchel ist die logische Wahl - auch ohne "Echte Liebe"
BVB-Kommentar
In fünf dürren Zeilen verkündete Borussia Dortmund am Sonntagmittag die Nachfolge von Jürgen Klopp. Thomas Tuchel - das war zu diesem Zeitpunkt schon keine Überraschung mehr - übernimmt ab dem 1. Juli 2015 die Kontrolle auf der BVB-Kommandozentrale. Unser Reporter Matthias Dersch kommentiert.
Der 41-Jährige, der sich seit seinem Rücktritt beim FSV Mainz 05 im vergangenen Sommer öffentlich äußerst rar gemacht war, ist eine logische Wahl, auch wenn er menschlich als schwierig gilt. Aber war das Klopp, der intern stets knallhart seine Meinung vertrat und des Öfteren öffentlich bei Schiedsrichter und Journalisten aneckte, abseits seines unbestritten großen Charmes nicht auch?
Alternativen rar gesät
Die Alternativen waren rar gesät. Lucien Favre (Mönchengladbach) und Markus Weinzierl (Augsburg) waren nicht verfügbar, Trainer ohne Deutschkenntnisse fielen von Anfang an aus dem Raster. Wer blieb da noch außer Tuchel? Sascha Lewandowski (Leverkusen) vielleicht, doch der gebürtige Dortmunder steht bekanntlich nicht gern im medialen Blickfeld. Auf Dortmund aber sind die Scheinwerfer im Jahr eins nach Klopp gerichtet.
Tuchels Bilanz als Trainer ist dürr. Mit dem VfB Stuttgart (2005) und dem FSV Mainz 05 (2009) wurde er Deutscher U19-Meister, die Profis des FSV führte er in der Saison 2010/2011 zum Bundesliga-Startrekord und in den Europapokal. Vergleichsweise bescheidene Erfolge also, doch Klopps Vita sah nur unwesentlich anders aus, als er 2008 beim BVB anheuerte.
Keine Zweifel
An der fachlichen Kompetenz Tuchels besteht branchenintern kein Zweifel. Nicht umsonst stand er auf den Wunschlisten von Stuttgart, Hamburg, Schalke und Leipzig sowie diverser ausländischer Klubs. Auch in München galt er als potenzieller Nachfolge-Kandidat für Pep Guardiola, mit dem er sich zuletzt häufiger zum Gedankenaustausch traf.
Tuchel gilt als genialer Taktiker, der seiner Mannschaft eine große Flexibilität einimpfen kann. Genau das also, was der Borussia in den vergangenen Jahren fehlte. Er ist hochintelligent, akademisch gebildet. Er ist ein Tüftler, der seine Elf akribisch auf den kommenden Gegner einstellt und den „Matchplan“ in den Wortschatz der Bundesliga einführte. Und er ist selbstbewusst bis zum Anschlag.
Maximaler Einsatz
Auf die Profis des BVB wird einiges zukommen in den nächsten Monaten. Tuchel fordert seine Spieler enorm, verlangt in jedem Training maximalen Einsatz und Konzentration und kann auch sehr unbequem sein. Wer ihm auf seinem Weg nicht folgt, der hat es schwer. Man denke nur an den Fall des aussortierten Keepers Heinz Müller. Wer ihm allerdings bedingungslos folgt, der wird auch bedingungslos unterstützt. Nicht umsonst schwärmt beispielsweise André Schürrle (Wolfsburg) noch heute von seinem ersten Profi-Trainer, der ihn zum Bundesliga- und Nationalspieler machte.
BVB-Boss Hans-Joachim Watzke und Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc sind eng mit Klopp befreundet. Ähnliches dürfte mit Tuchel schwierig werden. Der 41-Jährige nimmt seine engsten Vertrauten zwar mit und bezieht sie in seine Entscheidungen mit ein, doch in diesen Zirkel kommt man nur schwer. Es wird vermutlich Zeit brauchen, bis sich ein Vertrauensverhältnis zwischen Tuchel, Zorc und Watzke einstellen wird. Reibereien inklusive.
Professionelle Beziehung
Doch eine rein professionelle Beziehung bietet auch Chancen, einen kühlen und rein analytischen Blick auf das Geschehen zu werfen. Auch wenn der BVB „Echte Liebe“ propagiert, es muss ja nicht immer so emotional zu gehen wie zwischen Klopp und der schwarzgelben Familie.
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— 1. FSV Mainz 05 e.V. (@1FSVMainz05)