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Tag der offenen BVB-Tür gegen Bochum: 50 Gegentore und viele unangenehme Fragen
Borussia Dortmund
Die BVB-Profis müssen sich einmal mehr unangenehme Fragen gefallen lassen. Auch das 3:4 gegen Bochum ist ein Spiegelbild der Saison. Borussia Dortmunds Defensive lädt zum Tag der offenen Tür.
Fußball-Spektakel in Reinkultur: Borussia Dortmund und der VfL Bochum lieferten sich über 90 Minuten einen atemberaubenden Schlagabtausch. Drei Tore von Erling Haaland, drei Handelfmeter und am Ende jubeln nach einer wilden Achterbahnfahrt die Gäste ausgelassen. Der BVB hatte sich wieder einmal im eigenen Stadion düpieren lassen. Ein gellendes Pfeifkonzert von der Südtribüne war die Quittung für die Derby-Verlierer.
Seit 2009 hatte der benachbarte VfL nicht mehr in Dortmund gespielt, alle Bochumer wollten die lange Zeit der Dürre im Eildurchgang wettmachen. Pyro und Knallkörper aus dem blau-weißen Block mit 10.000 Gästefans, Flucht nach vorne auf dem Rasen.
Guerreiro und Akanji patzen vor dem ersten BVB-Gegentor
Keine Minute war gespielt, da zischte der Pressschlag von Milos Pantovic am Pfosten von BVB-Torhüter Marwin Hitz vorbei, beim nächsten Angriff die Führung: Ein Abschlag von Torhüter Manuel Riemann brachte Raphael Guerreiro in Bedrängnis, der beim leichten Körperkontakt von Takuma Asano auf den zurecht verweigerten Pfiff wartete. Asanos folgende Flanke köpfte Sebastian Polter wuchtig unter den Querbalken, Gegenspieler Manuel Akanji war ausgerutscht (3.).
Dortmund jetzt wach? Nein! Der BVB, mit Axel Witsel für Emre Can (Gelbsperre) und dem Startelf-Debüt für Jamie Bynoe-Gittens (anstelle von Reinier), verschlief den Beginn der Partie auf ganzer Linie. Gegen Polter entschärfte Guerreiro die eigene Abseitsfalle, nach dem Rückpass an die Strafraumkante verlor Witsel Gerrit Holtmann aus den Augen, der den Ball mit links ins rechte Toreck fliegen ließ. 0:2 nach acht Minuten, der Bochumer Block tobte, die Borussen schauten sich misstrauisch an. Wie so oft in dieser Saison musste umgehend eine Reaktion auf die schusselig eingefangenen Gegentore her.
BVB-Torjäger Erling Haaland bleibt zweimal cool
Sie folgte, mit Hilfe des Video-Assistenten. Gleich zweimal zeigte Schiedsrichter Robert Hartmann nach Besuch der Bildschirm-Box auf den Elfmeterpunkt. Die Entscheidungen, die ausgestreckten Arme von Christian Gamboa (16.) und Elvis Rexhbecaj (29.) nachträglich als Handspiel zu werten, ging in Ordnung. Beide Male schnappte sich BVB-Torjäger Erling Haaland die Kugel, beide Male schickte er Riemann in die falsche Ecke. 2:2, eine wilde Achterbahnfahrt in der ersten halben Stunde.
Das Remis, das bis zur Pause Bestand hatte, ging in Ordnung (xGoals: 2,67:0,4). Nach dem frühen Bochumer Doppelschlag spielte fast nur noch der BVB, der aus der 4-2-3-1-Grundordnung flexibel in die Spitze spielte und eine Reihe guter Gelegenheiten ausließ, um auch aus dem Spielverlauf heraus zu treffen. Julian Brandt verließen nach einer Kombination über Akanji und Jude Bellingham beim Abschluss die Kräfte (20.), Marco Reus scheiterte nach feinem Direktpass von Haaland am guten Positionsspiel und dem kräftigen rechten Arm von Riemann, der das Spielgerät über den Querbalken lenkte (26.). Riemann klärte auch gegen Marius Wolf (36.), Akanjis Kopfball geriet zu unpräzise (37.).
BVB-Youngster Bynoe-Gittens belebt das Flügelspiel
Nach der Halbzeit drückte weiter der BVB. Haaland scheiterte nach sehenswertem Angriff an Reimann (58.). Der 17-jährige Bynoe-Gittens belebte das so oft brachliegende Flügelspiel der Borussia mit seinen schnellen Antritten, und mit einem genialen Zuspiel: Steilpass in die Tiefe auf Reus, dessen Querpass schießt Haaland mit rechts an sein linkes Bein, dann trudelte der Ball über die Linie: Dreierpack des Norwegers, Spiel gedreht (62.). Für den jungen Engländer endete sein Startelf-Debüt kurz darauf mit großem Applaus von den Rängen und herzhaften Gratulationen auf der Bank.
Borussias Comeback sorgte für Partystimmung auf den Rängen, Dortmunds Defensive blieb aber anfällig, vor allem bei Kontern. VfL-Trainer Thomas Reis hatte seine Mannschaft gut darauf ausgerichtet. Polter mit der Hacke hatte die direkte Antwort auf den Rückstand auf dem Fuß (65.), Christopher Antwi-Adjej stand vor seiner Riesenchance knapp im Abseits (69.).
Der VfL Bochum holt aus zwei Spielen vier Punkte gegen den BVB
Dortmund wurde passiver, ließ Kompaktheit vermissen und durch Reus (78.) die Chance auf die Vorentscheidung liegen. Die Bestrafung erfolgte prompt: Wolf verhinderte die Flanke nicht, Akanji erlaubte dem eingewechselten Jürgen Locadia Ballannahme, Drehung und Abschluss – 3:3 (81.). Und damit nicht genug: Ex-Borusse Herbert Bockhorn schoss Witsel aus kurzer Distanz den Ball an den Unterarm – dritter Handelfmeter der Partie. Milos Pantovic verlud Hitz, 3:4 (85.). Zum zweiten Mal das Spiel gedreht. Jetzt sangen die Bochumer: „Die Nummer eins im Pott sind wir!“ Zumindest in den direkten Duellen (Hinspiel 1:1) stimmt das in dieser Saison.
Und Borussia Dortmund kassierte die neunte Niederlage der Saison, Mannschaft und Trainer müssen sich einmal mehr unangenehmen Fragen stellen.
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
