Schicksalstage für BVB-Trainer Nuri Sahin Überschätzter Kader und fehlende Charakterköpfe

Schicksalstage für BVB-Trainer Nuri Sahin: Überschätzter Kader und fehlende Charakterköpfe
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Eines musste noch gesagt werden. Seine leicht gequälte Miene passte nur bedingt zu der Aussage, doch das ist wohl den Umständen geschuldet. Und diese meinen es gerade nicht gut mit Nuri Sahin. Seine Mannschaft spielt schlechten Fußball, auswärts ist man nur ein Punktelieferant, es hapert in der Defensive, es stockt in der Offensive. Dazu kolossale Personalprobleme mit bis zu acht (!) verletzten Profis. Neben den Langzeitverletzten muss auch Julian Ryerson passen, der Einsatz von Waldemar Anton und Marcel Sabitzer entscheidet sich kurzfristig.

BVB-Trainer Sahin durchlebt einen Albtraum

Trotzdem bleibe da bei all den Sorgen, den Zweifeln und den Widrigkeiten, die er als Cheftrainer qua Amt zu moderieren, zu umschiffen und zu lösen hat, noch mehr als ein Hauch Begeisterung auf das DFB-Pokalspiel beim VfL Wolfsburg (20.45 Uhr, live im Free-TV). „Der Tag“, sagt der 36-Jährige, „an dem ich mich nicht freue, den wird es nicht geben.“ Er liebe dieses Spiel so sehr und wisse es „sehr zu schätzen“, dass er diese Aufgabe bei seinem Herzensklub ausfüllen dürfe.

Der Traumjob, auf den sich Sahin so diebisch gefreut hat, entpuppt sich derzeit allerdings eher als ein Albtraum. Vier Auswärtsspiele hat der BVB in Serie verloren. Im schroffen Kontrast zur Heimstärke gelingt in der Fremde wenig bis gar nichts. Logisch, dass die Schelte auch den Trainer erreicht. Überrascht ist der Coach darüber nicht. „Berechtigte Kritik muss ich aushalten, das ist völlig normal, wenn Borussia Dortmund auswärts vier Mal nicht gewinnt. Ich bin derjenige, der im Feuer steht, wenn es nicht läuft, und wenn es läuft, stehe ich in der Sonne.“ Kleinere und größere handwerkliche Fehler waren eingepreist, als die Borussia den Newcomer im Frühsommer mit der Mission betraute, für mehr Spektakel und spielerische Finessen bei den Schwarzgelben zu sorgen. Stattdessen muss der als Übungsleiter auf diesem Niveau unerfahrene Sahin im Krisenmodus arbeiten.

BVB-Verantwortliche halten sich dezent zurück

Die Probleme, siehe oben, sind mannigfaltig und reichen vom dünnen und überschätzten Kader über fehlende Charakterköpfe und enttäuschende Neuzugänge bis zu strategischen Grundsatzfragen. Längst nicht alle liegen in seiner Verantwortung, da sind auch die Bosse im Hintergrund involviert, die sich dezent zurückhalten. In der ersten Reihe steht jedoch Sahin. Er muss bei ausbleibenden Ergebnissen die Erklärungen liefern und eingreifen.

Dazu gehören die inhaltlichen Korrekturen und Lösungsansätze für die Spiele und die Spieler, von denen gerade kaum einer Normalform erreicht. Dazu gehören viele Gespräche („hart und ehrlich), weil das Selbstvertrauen beim BVB noch niedriger angesiedelt ist als der Tabellenplatz in der Bundesliga. „Verkopft“ erlebe er viele seiner „Jungs“, sagte Sahin, „ich weiß zu 100 Prozent, dass sie wollen“. Nur gelungen ist ihnen zuletzt wenig. Vor allem nichts Zählbares.

BVB muss Flut an Gegentoren eindämmen

Das muss in Wolfsburg anders werden. Siegen oder fliegen heißt es zwar nicht für den Trainer, aber für seinen Klub. Im DFB-Pokal verfrüht auszuscheiden, im einzigen Wettbewerb mit einer realistischen Titelchance, das wäre ein Einschnitt, der nicht mehr zu begradigen wäre. Deswegen müssen in der Autostadt die Basics wieder stimmen. Weniger leichte Fehler, das eigene Tor besser beschützen, im Spielaufbau klar strukturiert bleiben, mehr Chancen herausspielen. Das kleine und das große Fußball-Einmaleins eben. „Ratlos“, versichert Sahin mit Blick auf die nicht eingedämmte Flut an Gegentoren, „sind wir nicht. Wir kommen da gemeinsam raus.“ Auch bei diesen Worten klang die Überzeugung nicht vollends durch. Schicksalstage eines Trainers, der den Umständen trotzen muss.