Neven Subotic über Stiftung und sportliche Zukunft

Das BVB-Interview

Zum dritten Mal verbringt BVB-Profi Neven Subotic seiner Sommer-Urlaub in Äthiopien, um den Projekten seiner Neven-Subotic-Stiftung einen Besuch abzustatten. Vor dem Abflug am Freitag hat Matthias Dersch mit dem Innenverteidiger über das zurückliegende Jahr, die bevorstehende Reise und seine Zukunft gesprochen.

DORTMUND

, 28.05.2016, 15:00 Uhr / Lesedauer: 7 min

Die @SuboticStiftung ist ab dem Wochenende zu Gast in Äthiopien. Unter https://t.co/Sot0INxgaI gibt's Exklusivinfos. pic.twitter.com/PxLJiqtV1V

— Ruhr Nachrichten BVB (@RNBVB)

Neven Subotic, die Saison ist seit knapp einer Woche beendet. Haben Sie die zurückliegenden Monate schon einordnen können? Das Schwerste, also die Pokalfinal-Niederlage gegen den FC Bayern, habe ich inzwischen verdaut. Deshalb fällt es mir jetzt leichter, das Jahr als Ganzes Revue passieren zu lassen. Ich habe dabei relativ schnell festgestellt, dass es eine sehr gute Saison für uns war. Wir haben einen Rekord geschafft und sind mit so vielen Punkten wie niemand zuvor Vize-Meister geworden. Dafür bekommt man zwar keinen Pokal überreicht, aber trotzdem zeigt uns das, wie hoch unsere Leistung über das gesamte Jahr einzuschätzen ist.  

Meine Frage zielte eigentlich auf Ihre Gesundheit ab. Sie mussten aufgrund einer Thrombose im Arm die Saison vorzeitig beenden. Mir geht es mittlerweile wieder richtig gut. Ich habe große Fortschritte gemacht und bin seit einigen Wochen körperlich auf einem Top-Niveau, das sieht man an meinen Lauf-Leistungen. Auch fußballerisch arbeite ich schon länger wieder. Pässe, Schüsse, Flanken - das sieht alles sehr ordentlich aus. Jetzt fehlt nur noch das Spielen.  

Etwas gedulden müssen Sie sich allerdings noch, bis es mit der Saisonvorbereitung wieder losgeht. Wie sieht Ihr Trainingsplan für die kommenden Wochen aus? Ich habe lange genug pausiert, deshalb werde ich die Trainingspause so kurz wie möglich halten. Die nächsten Wochen möchte ich nutzen, um mir einen Vorsprung zu verschaffen. Auf die Laufeinheiten zu Beginn der Vorbereitung werde ich jedenfalls über-vorbereitet sein, das kann ich versprechen. (lacht) Mein Ziel ist es, mit viel Schwung zu starten und mir dadurch Selbstvertrauen zu holen. Denn das brauche ich nach der langen Pause.  

Sie durften einige Wochen keinen Kontaktsport betreiben. Können Sie nach der Sommerpause sofort das komplette Programm absolvieren? Ja, wenn alles normal läuft, kann ich sofort voll reingehen.

 

Bereits vor Ihrer langen Pause hatten Sie keine ganz einfache Saison hinter sich. Sie kamen unter Thomas Tuchel nur selten zum Einsatz. Wie fällt Ihr persönliches Fazit der zurückliegenden Spielzeit aus? Ich bin seit zehn Jahren Fußballer. Das zurückliegende war das erste davon, in dem ich extrem wenig Einsätze hatte. Ich habe dadurch eine andere Seite des Sports kennengelernt, die ich vorher nur durch meine Mitspieler mitbekommen habe, die wenig gespielt haben. Als ich in Dortmund anfing, ging es Florian Kringe beispielsweise so. Er war zum Laufen und Zuschauen verdammt damals, aber hat sich dennoch voll in den Dienst der Mannschaft gestellt.  

So wie Sie diesmal? Ja, auch wenn ich einige Zeit gebraucht habe, bis ich mich mit meiner neuen Rolle arrangiert hatte. Florian war ein gutes Vorbild für mich. Ich wusste dadurch, dass ich eine Aufgabe habe, auch wenn ich nicht immer zu den ersten 18 Spielern gehört habe - wofür ich natürlich permanent gekämpft habe. Insgesamt war es eine sehr lehrreiche Zeit.

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Sie sagten, Sie hätten einige Zeit gebraucht, um mit der neuen Situation klar zu kommen… Ja, aber dann habe ich es akzeptiert, dass ich häufig draußen saß. Wir haben eine phänomenale Saison gespielt, daher habe ich Verständnis, dass der Trainer in so einer Situation nicht immer alle glücklich machen kann. Irgendwen trifft es nun mal, diesmal war ich das. Meine Aufgabe war es, meine Mitspieler unter Druck zu setzen, damit sie ihr Bestes geben. Ich denke, das ist mir gut gelungen.

Auf Dauer dürfte Sie das aber nicht zufriedenstellen, oder? Meine Ansprüche an mich selbst sind natürlich höher. Ich bin nicht Fußballer geworden, um mein Geld auf der Bank zu verdienen. Ich will spielen. Ich denke, wenn man etwas über mich weiß, dann, dass ich ein Kämpfer bin. Selbst wenn es aussichtlos erscheint, gebe ich immer alles, um die kleine Mini-Chance, die irgendwo vielleicht lauert, zu nutzen. Häufig ist mir das in der zurückliegenden Saison zugegebenermaßen nicht gelungen, aber dennoch will ich das Jahr nicht aus meinem Gedächtnis streichen. Es waren auch viele schöne Momente für mich persönlich dabei. Meine Einsätze, die vielen Siege, da ist einiges zusammengekommen.  

Es wird immer wieder spekuliert, Sie könnten den Klub im Sommer verlassen. Wie sehen Ihre Pläne aus? Ich schätze sowohl die Mannschaft als auch den Verein und das Umfeld sehr. In der Sommerpause werden wir uns sicher unterhalten. Dann muss ich schauen, was der Verein von mir erwartet und ob das mit meinen Vorstellungen zusammenpasst. Falls das nicht der Fall sein sollte, muss man offen sein. Aber so weit sind wir noch nicht. Ich muss immer schmunzeln, wenn irgendwo steht, ich würde dahin oder dorthin wechseln. Die, die das schreiben, sind deutlich weiter als ich selbst, was meine Planungen betrifft. (lacht)

 

SEITE 2: Neven Subotic über den anstehenden Äthiopien-Trip und die Entwicklung seiner Stiftung.

EXKLUSIVE EINBLICKE
In den kommenden zwei Wochen berichtet Neven Subotic exklusiv für die Ruhr Nachrichten täglich von seinen Erlebnissen auf der Stiftungsreise in Äthiopien. Subotic reist zum dritten Mal nacheinander in die Tigray-Region, um dort den Fortschritt der von seiner Neven-Subotic-Stiftung angestoßenen Projekte zu überprüfen. Dazu gehören in erster Linie Brunnen und Toiletten an Schulen und in Gemeinden. Weitere Infos im Internet unter

 

Sehr konkret ist dagegen die nächste Äthiopien-Reise Ihrer Neven-Subotic-Stiftung… Ja, wir sind am Freitag Richtung Äthiopien aufgebrochen. Wir arbeiten in Dortmund elf Monaten für diese Reise. Wenn die Zeit davor unsere Saison ist, ist der Besuch in Äthiopien das große Finale, der absolute Höhepunkt des ganzen Jahres.  

Warum sind diese durchaus strapaziösen Trips nötig? Zum einen, um vor Ort die Umsetzung unserer Projekte zu beobachten. Schließlich ist es unsere Pflicht gegenüber unseren Spendern, dass ihr Geld sowohl sinnvoll als auch nachhaltig eingesetzt wird. Wurde alles so gebaut wie geplant? Wie läuft der Betrieb? Wo gibt es Optimierungsbedarf? Zum anderen, um in direkten Kontakt zu jenen Menschen zu treten, denen wir dienen. Es ist ein unheimlich tolles Gefühl, neue Freundschaften zu knüpfen und den Lebensweg der vielen kleinen Menschen über die Jahre zu verfolgen, denen wir mit unseren Brunnen und Toiletten helfen konnten. Daraus ziehen wir unsere Kraft und unsere Motivation. Deshalb gibt es vor Ort auch eine Erschöpfung und keine müden Beine. Die strahlenden Kinderaugen lassen das alles vergessen.  

Sie haben eben ein sportliches Fazit des vergangegen Jahres gezogen. Wie fällt das Fazit Ihrer Stiftung aus? Sehr gut. Unsere Erwartungen wurden weit übertroffen. Wir gehen ins vierte Jahr und haben uns von Jahr zu Jahr jeweils mehr als verdoppelt. Stiftungen, von denen wir dachten, wir könnten uns mit ihnen vergleichen, hatten wir teilweise schon im ersten Jahr übertroffen. Das ist eine tolle Entwicklung.  

Es ist wichtiger denn je, verantwortungsvoll mit unseren Wasserquellen umzugehen! Schaut auf die Trends... pic.twitter.com/3ICMgRg4E4

— NevenSuboticStiftung (@SuboticStiftung)

Wohin soll die Entwicklung noch gehen? Wir greifen nach den Sternen. Was ich damit meine: Wir ruhen uns nicht auf den Erfolgen der vergangenen Jahre aus, sondern nehmen sie als Ansporn, noch mehr Menschen zu helfen. Es ist ja nicht so, als gäbe es nichts mehr zu tun.  

Wie viele Menschen haben bislang von den Projekten Ihrer Stiftung profitiert? 20.000. Betroffen sind weltweit aber 633 Millionen Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Wasser haben. Man kann also sagen: Was wir machen, ist ein Tropfen auf dem heißen Stein.  

Aber? Selbst wenn wir nur 100 Kindern mit unserer Stiftung geholfen hätten, hätte es sich für mich schon gelohnt. Und: Unsere Projekte sind keine einmalige Hilfe, sie sind langfristig angelegt. Nur ein Beispiel: An den Schulen, an denen wir Brunnen und Toiletten errichtet haben, sind die Schülerzahlen allein im ersten Jahr teilweise um 40 Prozent gestiegen. Vor allem Mädchen, deren Intimsphäre durch die Sanitäranlagen geschützt wird, profitieren enorm.  

SEITE 3: Neven Subotic über die Probleme in Äthiopien und die Verantwortung der Europäer

Als Sie Ihre Stiftung ins Leben gerufen haben, mussten Sie zu Beginn noch jeden Brief einzeln frankieren. Inzwischen haben sie mehrere Mitarbeiter. Hätten Sie damals erwartet, was sich aus der Idee, eine eigene Stiftung zu gründen, entwickeln würde? Nein, die Entwicklung ist wahnsinnig. Wir sind erst in diesem Jahr in neue Büroräume gezogen, selbst die sind fast schon wieder zu klein bemessen. Wir bekommen in Kürze einen sechsten Mitarbeiter hinzu, bis Jahresende wollen wir ein bis zwei weitere Stellen schaffen. Dazu kommen viele Freiwillige, die uns unterstützen. Da sind wir in der Luxussituation, dass wir uns die Helfer aussuchen können. Das ist kein Standard, sondern eine wundervolle Bestätigung unserer Arbeit. Wir sind eine große Familie, das ist auch das Besondere daran, in diesem Bereich zu arbeiten.  

Wie meinen Sie das? In dieser Welt gibt es meiner Meinung nach zwei verschiedene Arten von Menschen: Die, die nur Probleme sehen. Und die, die Lösungen sehen. Zu uns kommen bislang nur soziale, freundliche und der Welt offene Menschen, die sich gegenseitig stützen, um dem gemeinsamen Ziel näher zu kommen. Wir sitzen alle in einem Boot – und das macht enorm viel Spaß.  

Für viele sind die Probleme, um die Sie sich mit Ihrer Stiftung kommen, nebensächlich, weil Sie genug mit Ihrem Alltag zu tun haben. Ja, auch ich fühle mich zunächst wie ein Außerirdischer, wenn ich in Äthiopien ankomme. Es ist doch so: Wir steigen hier in ein Flugzeug und gefühlt in einer ganz anderen Welt aus. Wir haben hier alles, unser größtes Problem ist – überspitzt formuliert - wann das neuste Smartphone auf den Markt kommt. Aber nur ein paar Flugstunden weiter fehlt es den Menschen am nötigsten, um zu überleben. Dass es so etwas in unserer Welt überhaupt noch gibt, ist eigentlich unvorstellbar. Das muss und darf nicht so sein.  

Äthiopien ist in den vergangenen Jahren aus dem Blickfeld der Europäer gerückt. Dabei sind die Probleme dort durch die jüngste Dürreperiode und den anschließenden starken Regen sehr akut. Ja, die globale Klimaveränderung verschlimmert die Lage der Menschen dort von Jahr zu Jahr mehr, da es ohnehin eins der wärmsten und ärmsten Länder der Welt ist. Man erwirtschaftet heute mit denselben Methoden wie vor zehn Jahren viel, viel weniger. Der Boden ist extrem hart und sehr trocken. Und fällt dann mal Regen, wie zuletzt, dann zu viel auf einmal. Der Boden kann die Wassermassen dann gar nicht aufnehmen. Für mich ist die Lage vor Ort eine der größten Katastrophen der Welt. Zehn Millionen Menschen sind auf externe Hilfe angewiesen.  

Woher kommt diese hohe Zahl? Diese Menschen haben durch die Dürre und die anschließenden Überflutungen den Großteil ihres Besitzes, der ohnehin fast nur aus Vieh und Boden besteht, verloren. Sie können sich kaum noch von ihrem Hab und Gut ernähren, geschweige denn darüber hinaus etwas erwirtschaften. Und die Lage wird in den nächsten Jahren noch schwieriger. Das ist ein ganz großer Kampf - und ein globales Problem.Inwiefern? Erstens, weil wir die Probleme in den entwickelten Ländern hervorgerufen haben. Die Tatsache, dass wir am liebsten dreimal am Tag Fleisch essen wollen, vergrößert sie zusätzlich. Ich bin der Meinung, dass wir deshalb auch die Folgen unseres Wachstums tragen sollten. Denn wir können unsere Probleme nicht ins All schießen, irgendwo treten sie hervor. Die natürliche Folge sind dann Unruhen und Flüchtlingsbewegungen. Es ist doch auch nur zu normal, dass Menschen alles dafür tun, damit sie und ihre Familien überleben können. Sie haben Angst vor dem Tod. Das haben wir in den vergangenen Jahren auch in Europa zu spüren bekommen.  

Auf dem jüngsten Welt-Klimagipfel wurden verschärfte Maßnahmen beschlossen… … die, wenn sie umgesetzt werden, den ärmsten Ländern, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind, Entlastung verschaffen werden. Aber wir sind darüber hinaus als Weltgemeinschaft gefragt. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass es eine Lösung gibt, auch wenn das nicht immer die Interessen der reichen Nationen entspricht.  

Sind Sie optimistisch, dass das gelingt? Der Kampf wird noch lange andauern. Aber wir sind auf einem Weg zu Lösungen. Schritt für Schritt, Tag für Tag. Und das muss zwingend so bleiben.

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