
Dr. Reinhard Rauball hat sich zur Freistellung von BVB-Handballtrainer André Fuhr geäußert. © picture alliance/dpa
BVB stellt Handballtrainer André Fuhr frei – Präsident Rauball klärt auf
Borussia Dortmund
Borussia Dortmund stellt Handball-Trainer André Fuhr nach Bekanntwerden schwerer Vorwürfe frei. Der Interimstrainer steht bereits fest. BVB-Präsident Dr. Reinhard Rauball äußert sich.
André Fuhr ist nicht länger Trainer der Handballdamen von Borussia Dortmund. Nach Bekanntwerden schwerer Vorwürfe gegen ihn, stellt der BVB ihn mit sofortiger Wirkung frei. Das teilt Borussia Dortmund in einer Pressemitteilung mit.
„Der Trainer war in den vergangenen Tagen sowohl von Spielerinnen als auch öffentlich scharf kritisiert worden, was eine Fokussierung des Kaders sowie der gesamten Abteilung auf den Handballsport nahezu unmöglich gemacht hat. Die Entscheidung, André Fuhr freizustellen, ist ausdrücklich nicht mit einer Vorverurteilung verbunden“, teilte der BVB mit. Konkret werden Fuhr nach Informationen dieser Redaktion der systematische Aufbau von Abhängigkeitsverhältnissen, Ausnutzen einer Machtstellung sowie psychische Gewalt vorgeworfen.
BVB-Präsident Rauball klärt auf: Die Entscheidung trifft der Vorstand
In die Entscheidungsfindung sei BVB-Abteilungsleiter Andreas Heiermann nach eigenen Angaben involviert gewesen, für die Freistellung war er aber nicht verantwortlich. „Das ist Aufgabe des Vorstands des eingetragenen Vereins“, klärte Dr. Reinhard Rauball im Gespräch mit dieser Redaktion auf. Der Vorstand des BVB e.V. setzt sich zusammen aus Rauball selbst sowie Bernd Möllmann und Dr. Reinhold Lunow.

André Fuhr (M.) ist nicht länger Trainer der BVB-Handballdamen. © Ludewig
„Herrn Fuhr habe ich heute nach vorheriger Absprache mit dem Vorstand um 14.28 Uhr telefonisch informiert. Im Anschluss Alina Grijseels (die BVB-Kapitänin, d. Red.)“, teilte Heiermann mit. Der BVB-Abteilungsleiter, der sich trotz der Krise aktuell nicht in Dortmund befindet, ergänzte: „Jetzt müssen wir uns erstmal um das aktuelle Team kümmern und uns auf unsere sportlichen Ziele fokussieren.“ Die Kapitänin selbst wollte sich auf Nachfrage nicht äußern.
Trainer André Fuhr freigestellt: BVB will Vorgänge aufarbeiten
Borussia Dortmund arbeite laut Pressemitteilung „die Vorgänge, die der oben beschriebenen Situation zugrunde liegen, gegenwärtig gewissenhaft und gründlich auf und steht dabei im Dialog mit der Anlaufstelle gegen Gewalt im Sport, die von mehreren Spielerinnen kontaktiert worden war“. So lange diese Aufarbeitung nicht abgeschlossen sei, „wird sich Borussia Dortmund über diese Stellungnahme hinaus nicht weiter zum Sachverhalt äußern.“
„Den Spielerinnen Mia Zschocke und Amelie Berger hat Borussia Dortmund zwischenzeitlich mitgeteilt, Ihrem persönlichen Wechselwunsch – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – zu entsprechen“, heißt es weiter. Nach Informationen der Ruhr Nachrichten steht mittlerweile auch fest, wer die Mannschaft in den nächsten Tagen betreuen soll.
Interimstrainer der BVB-Handballdamen steht fest
Dominik Schlechter, der bisherige Trainer der zweiten Handballmannschaft von Borussia Dortmund, wird diese Aufgabe gemeinsam mit dem Sportlichen Leiter Andreas Kuno interimsweise übernehmen. „Es ist für mich eine große Ehre, dieses Amt zu bekleiden. Wirklich freuen kann ich mich aber nicht darüber, dafür sind die Umstände zu schwierig“, sagte BVB-Interimstrainer Schlechter im Gespräch mit dieser Redaktion. Mit André Fuhr habe er „sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet“ und die Mannschaft kenne er gut, meinte Schlechter.

Andreas Kuno (l.) wird an der Seite von Dominik Schlechter (nicht im Bild) die BVB-Handballerinnen interimsweise übernehmen. © BVB/Stummbillig
Diese Redaktion hatte bereits vergangene Woche darüber berichtet, dass der BVB sich zeitnah von Fuhr trennen wolle. Noch am Sonntag hatte Fuhrs Anwalt versucht, ein Interview zu lancieren, bei dem die Fuhr-Seite die Fragen sowie die Antworten selbst vorformuliert hätte. Das lehnte diese Redaktion ab und schickte stattdessen einen Fragenkatalog an André Fuhr gerichtet. Da es sich zum Teil um sehr kritische, aber auch persönliche Fragen handelte, lehnte Fuhrs Anwalt eine Beantwortung des Fragenkatalogs ab und schickte stattdessen eine Stellungnahme.
Borussia Dortmund stellt André Fuhr frei: Anwalt bezieht Stellung
Darin erklärte Prof. Dr. Buchberger, der André Fuhr vertritt, dass es seinem Mandanten sehr schlecht ginge. „Das, was gerade um ihn passiert, belastet ihn genauso schwer, wie es bei jedem anderen Menschen der Fall wäre“, teilte der Dortmunder Anwalt mit. Auch sprach er von einem Vorfall vermeintlich rassistischer Art.
„Unter die Überschrift Rassismus passte nur ein durch Spielerinnen vorgetragenes Verhalten, das aber auch hier nicht von der Betroffenen selbst, sondern von dritter Seite kritisiert wurde. Dabei ging es, so viel kann man sagen, um Essgewohnheiten in Asien. Das erinnert an den Ausspruch des Ex-Sky-Reporters Jörg Dahlmann, der einen Fußballer aus Hannover dem ‚Land des Sushi‘ zuordnete, was als rassistische Bemerkung empfunden wurde. Wenn Bemerkungen als unangemessene Sexualisierung moniert werden und sich jemand hiervon negativ berührt gefühlt hat, ist dies nicht zu kritisieren. Das macht aber nicht den Trainer Fuhr aus und hat in keinem Fall etwas mit einem Gewaltbegriff zu tun, den man damit gemeinhin verbindet“, heißt es in der Stellungnahme des Fuhr-Anwaltes. Dieser Rassismus-Vorwurf war bislang noch nicht öffentlich gemacht worden. Nach unseren Informationen hat sich die betroffene Spielerin bislang nur ihren Mitspielerinnen anvertraut.
Des Weiteren bezog der Anwalt von André Fuhr Stellung zur juristischen Aufarbeitung der vergangenen Tage. André Fuhr sah und sieht sich nicht nur mit den Vorwürfen der Spielerinnen konfrontiert. So schrieb die Neckarsulmer Trainerin Tanja Logvin öffentlich bei Facebook über einen geteilten Artikel der Ruhr Nachrichten, in dem zum ersten Mal davon die Rede war, dass zwei Spielerinnen „Anlauf gegen Gewalt“ kontaktiert haben: „Keine Wörter, einfach ekelhaft. Endlich ist es raus. Respekt Mädels“. Ihr Kommentar war nicht der einzige dieser Art.
Anwalt des freigestellten BVB-Trainers André Fuhr erwartet Schadenersatzverfahren
Auch Ferenc Rott, Manager des TuS Metzingen und Beisitzer im Vorstand der HBF, äußerte sich auf Facebook zu dem Artikel und schrieb: „Die Schlinge zieht sich zu.“ Brisant: Rott und Fuhr arbeiteten in Metzingen zusammen. Die Zusammenarbeit zwischen Fuhr und Metzingen endete vorzeitig nach einer Spielzeit. Zudem veröffentlichte der bekannte Handball-Torhüter Silvio Heinevetter bei Instagram unter anderem zwei Fotos von André Fuhr und postete einen Schweine- sowie Clown-Emoji dazu. „Wir sind noch nicht am Ende der juristischen Aufarbeitung. Das wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Vorwürfe sind schnell erhoben und auch rasch öffentlich. Soziale Medien arbeiten oft Reflexe ab. Die Entkräftung und die daraus folgenden Schritte dauern deutlich länger. Wir sichern derzeit alle uns zugänglichen Kanäle, also auch Forenbeiträge, und werden das nach und nach abarbeiten. In einigen Fällen erwarte ich Schadenersatzverfahren wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte meines Mandanten gegen die Verursacher“, erklärte Fuhr-Anwalt Prof. Dr. Buchberger.
DHB äußert sich zur Personalie André Fuhr
Unterdessen äußerte sich auch der Deutsche Handballbund, dessen U19/20-Nationalmannschaft André Fuhr trainiert, zur Personalie. „André Fuhr ist seit 2019 auf Honorarbasis als Trainer für die U19/20-Nationalmannschaft zuständig. Der Deutsche Handballbund wird in Anbetracht der neuen Entwicklungen in den kommenden Tagen über das weitere Vorgehen entscheiden. Weitere Stellungnahmen hierzu wird es mit Blick auf die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten vorerst nicht geben“, teilte der DHB auf Nachfrage mit. Nach Informationen dieser Redaktion gilt es als unwahrscheinlich, dass Fuhr noch den nächsten Lehrgang Ende Oktober leiten wird.
Jahrgang 1993, Dortmunder Junge und Amateurhandballer mit großer Liebe für den Fußball und den Ruhrpott. Studium der Journalistik an der TU Dortmund, nach kurzer Zwischenstation beim Westfälischen Anzeiger in Hamm wieder seit 2020 zurück bei den Ruhr Nachrichten. Schreibt über Thekenmannschaften bis hin zur Champions League.
