BVB-Coach Lucien Favre beim Hinspiel gegen den SC Paderborn. (Archiv) © picture alliance/dpa
Borussia Dortmund
Lucien Favre und der BVB gegen Paderborn unter Druck: Ein Déjà-vu?
Ein halbes Jahr nach dem 3:3 des BVB gegen Paderborn wird immer noch über Lucien Favre diskutiert. Oder schon wieder. Eine Bestandsaufnahme.
Auf das Topspiel im größten Stadion der Liga folgt das Pflichtspiel im kleinsten Stadion der Liga. Oder: Auf den schillernden FC Bayern München folgt am Sonntag für Borussia Dortmund der eher unscheinbare SC Paderborn. Das verhält sich, bei allem gebotenen Respekt vor dem kommenden BVB-Gegner, ein bisschen so wie mit dem ersten Arbeitstag nach zwei Wochen Sommerurlaub, der gerne noch länger hätte ausfallen dürfen. Man fährt halt hin, aber euphorisch ist nur die Urlaubsvertretung, die fortan nicht mehr für zwei Leute arbeiten muss. Vom Duell um Platz eins zum Duell gegen Platz 18 innerhalb nur fünf Tagen und 100 Kilometern Busreise.
Ausgerechnet Paderborn also. Der Spielort der Bundesliga, wo es vielleicht am wenigsten zu gewinnen, aber am meisten zu verlieren gibt. Ein abgeschlagener Tabellenletzter mit nur 19 Punkten auf dem Konto und einem Halbzeitlied, das wirklich „Halbzeit – es ist soweit“ heißt. Es gibt dankbarere Dienstreisen, wenn die Stimmung wegen einer weiteren Saison ohne Titel (der DFL-Supercup, den man nur spielen durfte, weil die Bayern in der vergangenen Saison das Double gewannen, zählt nicht) gerade eh schon im Keller ist.
BVB gegen Paderborn: Düstere Erinnerung
Das gilt für Lucien Favre, Borussia Dortmunds Trainer, im Besonderen. Die jüngsten Erinnerungen an den SC Paderborn dürften den 62-jährigen Schweizer schlimmer erschaudern lassen als der Gedanke an Interviews, in denen Fragen nach der Titel-Tauglichkeit eines Fußballtrainers gestellt werden. Denn beim bislang letzten Aufeinandertreffen zwischen dem BVB und dem Aufsteiger aus Ostwestfalen wäre ein Halbzeitlied mit pragmatischem Namen das mit Abstand Beste aus Dortmunder Sicht gewesen.
Auf ein 0:4 gegen den schillernden FC Bayern München nach 90 Minuten folgte damals, am 22. November 2019, ein 0:3 gegen den eher unscheinbaren SC Paderborn nach 45 Minuten. Halbzeit – endlich war es soweit. Nach 94 Minuten stand es dann immerhin noch 3:3, Marco Reus traf in der Nachspielzeit per Kopf zum Ausgleich. Glücklich zeigte sich darüber trotzdem niemand im schwarzgelben Lager. Die Stimmung war nicht im Keller, die Stimmung war unter Tage.
Favre muss in Paderborn punkten: „Fußball definiert sich immer über Ergebnisse“
Auf der Mitgliederversammlung keine 48 Stunden später hielt Hans-Joachim Watzke dann eine viel beachtete Rede. Der Vorsitzende der BVB-Geschäftsführung sprach etliche Worte, hängen blieben aber vor allem das Eingeständnis, dass der BVB im Winter einen neuen Stürmer kaufen müsse, und darüber hinaus ein ganz zentraler Satz in Richtung des Trainers: „Lucien, du hast weiterhin unser Vertrauen, aber Fußball definiert sich immer über Ergebnisse.“
Das klang nicht nur nach allerhöchster Eisenbahn, Favre war tatsächlich zum Siegen verdammt – auch wenn Watzke seine Worte natürlich nie als Ultimatum verstanden wissen wollte. Es ging jedenfalls gut: Der BVB verlor drei Tage darauf zwar noch 1:3 in Barcelona, feierte dann aber vier Siege in Serie, Favre stellte in der Abwehr von Vierer- auf Dreierkette um, sicherte auf den letzten Drücker das Überwintern in der Champions League und erarbeitete sich bis zur Winterpause neuen Kredit in der Chefetage.
Borussia Dortmund: Schon wieder wird über den Trainer diskutiert
Fast auf den Tag genau ein halbes Jahr nach Watzkes Rede auf der Mitgliederversammlung lässt sich konstatieren, dass sich Borussia Dortmunds Ergebnisse zwar nachhaltig gebessert haben, aber immer noch (oder schon wieder) über den Trainer diskutiert wird.
Bis zum Paderborn-Spiel in der Hinrunde sammelte der BVB in dieser Saison durchschnittlich 1,89 pro Partie, danach waren es 2,05 Punkte. Von 21 Pflichtspielen seit dem 22. November gewann Favre 14 und verlor sechs, nur beim 3:3 gegen RB Leipzig gab es ein Unentschieden. In der Rückrunde heimste der BVB in der Bundesliga 27 von 33 möglichen Zählern ein.
Der BVB verlor in den entscheidenden Spielen
Favres großes Problem allerdings ist, dass er die wenigen Niederlagen in den falschen, weil entscheidenden Spielen kassiert hat: früh raus im Pokal gegen Bremen, früh raus aus der Königsklasse gegen Paris und seit Dienstag raus aus dem Meisterschaftsrennen. Zudem schneidet Favre bislang – trotz der Dortmunder Anstrengungen auf dem Transfermarkt vor und während dieser Saison – schwächer ab als in der vergangenen Spielzeit, als er im Schnitt 2,11 Punkte pro Spiel einstrich.
Und so wird in der Öffentlichkeit fleißig debattiert über Favres Zukunft. Teilweise hat Favre diese Diskussion mit seinen kryptischen Aussagen vom Dienstagabend („Ich werde in ein paar Wochen sprechen“) selbst heraufbeschworen, teilweise haben TV-Raufbolde wie Lothar Matthäus offenkundig nur darauf gewartet, die Debatte mit wilden Spekulationen zu befeuern und Favres Worte als versteckte Rücktrittsankündigung zu verstehen.
BVB-Coach Favre will kämpfen
Favre selbst stellte am Mittwoch klar, dass er kämpfen und seinen Vertrag beim BVB (bis 2021) erfüllen möchte. Und Watzke sagte, dass er „überhaupt keinen Anlass“ für eine Trainerdiskussion sehe. Die Worte des Geschäftsführers klangen deutlich weniger brenzlig als die auf der Mitgliederversammlung – aber wohl auch ein bisschen zu harmlos, um gänzlich wahr zu sein.
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