Linke BVB-Seite als Motor und Einfallstor Borussia Dortmund mangelt es an Balance

Linke Seite ligaweite Spitze: Doch insgesamt lahmen die BVB-Flügel
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Die 21. Minute bei Union Berlin steht in gewisser Weise exemplarisch für Borussia Dortmunds Auftritte in der bisherigen Bundesliga-Saison. Der BVB rennt an der Alten Försterei einem 0:1-Rückstand hinterher. Er rennt an, initiiert wie so oft einen Angriff über die linke Seite. Nico Schlotterbeck passt den Ball zu Raphael Guerreiro. Der Portugiese versucht, das Spiel schnell zu machen, indem er den Ball direkt zu Karim Adeyemi weiterleitet. Doch das Pressing der Eisernen greift sofort, sie setzen Adeyemi mit drei Mann unter Druck. Adeyemi entscheidet sich für einen Rückpass mit der Hacke – genau in den Lauf von Andras Schäfer. Der Rest ist bekannt und mündet in einer 0:2-Niederlage.

BVB verteilt Einladungen

Eine Szene mit Symbolcharakter. Und das aus zwei Gründen: Erstens weil der BVB im Spielaufbau den Ball verliert und damit die Einladung an den Gegner zu einem Gegentor ausspricht. Siebenmal passiert das der Elf von Edin Terzic – nur Bayer Leverkusen (zehnmal) verdaddelt die Kugel häufiger vor Gegentreffern. Und zweitens weil die Borussia das Gegentor mal wieder über die linke Seite kassiert. Sie ist bei Schwarzgelb im bisherigen Saisonverlauf in jeder Hinsicht spielprägend – offensiv wie defensiv, positiv wie negativ. Das belegen auch die Zahlen und Statistiken unseres Daten-Dienstleisters Deltatre.

Zunächst zu den Vorzügen: Über die linke Seite hat der BVB neun seiner 23 Treffer erzielt. Das ist Bestwert in der Bundesliga. Kein Team ist über die linke Seite erfolgreicher. Zum Vergleich: Über rechts kam Dortmund nur zu vier Toren (Rang zwölf im Ligavergleich). Zwölfmal führte der Weg durch die Mitte zum Erfolg (Platz sieben). Die Quote über rechts und durch die Mitte liegen jeweils um ein Tor unter dem Liga-Durchschnitt, die über links jedoch signifikant über dem Durchschnitt (fünf Tore).

Dass es über links regelmäßig klappt, hat viel mit Raphael Guerreiro zu tun. In elf von 15 Bundesliga-Partien war er der Linksverteidiger. Insgesamt sieben verschiedene Tandems bot Edin Terzic auf der linken Seite auf, was auch der Verletztenmisere geschuldet war. Sechsmal sollte es das Gespann Guerreiro/Malen richten. Der Portugiese zeigte dabei zeitweise ähnlich viel Vorwärtsdrang wie der Niederländer, was ein großer Teil des Problems auf der linken Seite ist.

BVB-Angreifer Malen mit mieser Bilanz

Donyell Malen wirkt auch im zweiten Jahr in Dortmund noch immer wie ein Fremdkörper. Allzu oft läuft er sich blind in der Abwehrreihe des Gegners fest. Null Tore, zwei Vorlagen – die Bilanz des 23-Jährigen ist überschaubar. Auch die Bereitschaft, nach hinten zu arbeiten, ist nicht immer vollumfänglich beim Niederländer gegeben. Nicht umsonst spielt Malen beim BVB auf Bewährung.

Raphael Guerreiro zeigt dagegen sehr viel und manchmal zu viel Offensivdrang. Nicht immer nutzt er dabei die sich bietenden Räume jedoch gleichermaßen gut. Und nicht immer hält er gleichermaßen konsequent seine Seite, sondern wagt immer wieder Ausflüge ins Zentrum, wo nach Ballverlusten Gefahr für den BVB entstehen kann. Guerreiro bringt es auf ein Tor und zwei Assists. Sein Ausschwärmen tut dem BVB gut, ginge es nicht zu Lasten der Arbeit gegen den Ball, die der Portugiese noch immer sträflich vernachlässigt. Das Rückzugsverhalten zählt er nur an guten Tagen zu seinem Arbeitsauftrag ebenso wie angemessenes Zweikampfverhalten.

Das wiederum führt unweigerlich zu den Defiziten. Die linke Seite ist das Einfallstor für die Gegner. Dass Raphael Guerreiro nicht mit der gleichen Begeisterung nach hinten wie nach vorne arbeitet, ist auch der Konkurrenz nicht entgangen. Entsprechend intensiviert sie über diese Seite ihre offensiven Bemühungen. Auch hier spricht die Statistik Bände. Über die linke Abwehrseite musste der BVB zehn seiner 21 Gegentore und damit fast die Hälfte aller Gegentreffer hinnehmen. Das bedeutet Platz 17 im Vergleich, nur bei Kellerkind VfL Bochum (elf) war die linke Seite eine noch stärkere Achillesferse.

Durchs Zentrum klingelte es neunmal (Bestwert) und über die rechte Seite nur zweimal (zweitbester Wert) im Kasten von Gregor Kobel. Durch die Mitte und über rechts kassiert der BVB damit deutlich weniger Gegentore als die Bundesliga-Konkurrenz. Die Unterschiede sind damit eklatant.

Rechte BVB-Seite stabiler

Die rechte Abwehrseite mit Thomas Meunier und Niklas Süle bietet zwar weniger Vorwärtsdrang, steht aber auch für deutlich mehr Stabilität und Verlässlichkeit. Zudem zeigte gerade der zum Rechtsverteidiger „umgeschulte“ Süle beim 0:2 in Wolfsburg, welche Belebung er für das Offensivspiel über rechts darstellen kann. Genau diese Rolle wünschen sie sich in Dortmund auch von Karim Adeyemi. Der aus Salzburg verpflichtete Nationalspieler kann wie Donyell Malen auf der linken Seite die in ihn gesetzten Erwartungen bislang nicht erfüllen.

BVB-Pressing klappt nur selten

Insgesamt versprechen sie sich beim BVB mehr von ihrem Flügelspiel. Doch das von Edin Terzic avisierte hohe Pressing mit schnellen Umschaltmomenten nach Ballgewinnen funktioniert nur sporadisch. Das belegt auch der Umstand, dass der BVB lediglich drei Tore nach Flanken aus dem Spiel heraus erzielt hat. Für diese drei Treffer benötigte er durchschnittlich 44 Flanken – das ist Liga-Mittelmaß (Platz elf).

Die 2:4-Pleite vor der Winterpause in Mönchengladbach hat dem BVB die eigenen Schwachstellen und auch die Anfälligkeit (über die linke Seite) noch einmal vor Augen geführt. „Es ist sehr enttäuschend. Wir rennen den Ansprüchen hinterher und müssen daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Wir müssen einiges aufholen“, konstatierte BVB-Trainer Edin Terzic. Für die zweite Saisonhälfte muss er mit seinem Team dringend an der Unwucht im eigenen Spiel arbeiten und es neu austarieren.

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