Hinten löchrig, vorne harmlos Der BVB muss auch offensiv deutlich zulegen

Hinten löchrig, vorne harmlos: Der BVB muss auch offensiv deutlich zulegen
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Borussia Dortmund, das war mal eine Mannschaft, die oft in der Lage war, ihre über die Jahre immer wieder mal auftretenden defensiven Schwächen durch technisch hochwertigen und spektakulär anzusehenden Offensiv-Fußball zu kompensieren. Spielzeiten mit mehr als 80 BVB-Treffern waren keine Seltenheit. Auch im vergangenen Jahr, als der BVB unter Marco Rose 85 Tore erzielte, knackte er die bemerkenswerte Marke. Fußball mit schwarzgelber Beteiligung versprach gute Unterhaltung, seit 2008 Jürgen Klopp Stück für Stück den überfallartigen Konterfußball etablierte und später seine Nachfolger ihn mit Kadern verfeinerten, in denen die Lust auf Fußball durch pure Kombinationsfreude fast immer ausgelebt wurde.

Die letzte Klopp-Saison hingegen steht auch heute noch für viele Negativrekorde. Auch wenn Dortmund am Ende Siebter wurde und sich noch für den Europapokal qualifizieren konnte, lag doch vieles im Argen – auch das Offensivspiel. 47 Tore waren es seinerzeit nur, ein Minuswert, den die aktuelle Mannschaft wohl nur recht knapp übertrumpfen dürfte. Rechnet man die bislang 25 BVB-Tore dieser Saison auf 34 Spieltage hoch, landet man auch nur bei 56,6 Treffern. Das wäre seit Klopps letzter BVB-Saison mit Abstand der schwächste Wert. Die Hinrunde der laufenden Saison zeigte nicht nur einen krassen Verlust der anfänglichen defensiven Stabilität, sie war durchweg auch geprägt von fehlender Effektivität vor dem gegnerischen Tor.

Drei Partien ohne BVB-Torjubel

Dortmunds 25 Treffer bedeuten einen satten Rückgang um gleich elf Tore im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum. Das führte unter anderem dazu, dass der BVB nur zwei Mal punkten konnte, wenn er in einem Spiel in Rückstand geriet. Gleich acht Mal war das der Fall. Drei Partien endeten zudem schon ohne BVB-Treffer, in den beiden Vorjahren waren es in der gesamten Saison jeweils nur eine Partie.

Es gibt zwar elf verschiedene Torschützen, was für eine gewisse Unberechenbarkeit spricht, aber keinen Spieler, der auch nur annähernd in die Fußstapfen eines Erling Haaland treten konnte. Das verwundert bei dessen Ausnahme-Performance zwar nicht, ist als Fakt aber auch nicht wegzudiskutieren. Der krankheitsbedingte Ausfall des Top-Sommertransfers Sebastien Haller schlägt sich hier am deutlichsten nieder. Mit sechs Toren ist Youssoufa Moukoko der erfolgreichste Schütze, ihm folgt in Julian Brandt (vier Tore) schon ein offensiver Mittelfeldspieler.

BVB nur Mittelmaß

Die nur durchschnittliche Ausbeute der Stürmer offenbart sich in vielen Statistiken. Nur neun Stürmertore zählten die Wächter über die Zahlen, das ist Bundesliga-Mittelmaß wie auch die nur 56 Torschüsse durch Angreifer. 15 Scorerpunkte steuerten Stürmer bei, auch damit befindet sich der BVB nur im Mittelfeld des entsprechenden Bundesliga-Rankings. Zum Vergleich: die 14 Scorerpunkte, die durch Abwehrspieler beigesteuert wurden, sind Ligaspitze.

Der fehlenden offensiven Durchschlagskraft liegt auch fehlendes Tempo zugrunde. Die nominell schnellsten BVB-Spieler Donyell Malen und Karim Adeyemi brachten diese Stärke zu selten auf den Rasen. Malen sprintete hochgerechnet auf 90 Minuten Einsatzzeit nur 21 Mal, ein Wert, den etliche andere Spieler überboten. Adeyemi immerhin 34 Mal. Bei den „intensiven Läufen“ rangiert das Duo im internen Ranking ebenfalls nur im Mittelfeld. Wie sehr der junge Jamie Bynoe-Gittens als wertvolle Alternative fehlte, zeigen dessen starke Werte von 94 intensiven Läufen und 39 Sprints pro 90 Minuten. Mit diesem Stilmittel gegnerische Abwehrreihen aufzureißen, gelang der Borussia viel zu selten.

Fast schon chronisch ist in dieser Saison die Harmlosigkeit bei ruhenden Bällen. Nur drei Standardtore erzielte der BVB, in Gladbach beim 2:3-Anschlusstreffer von Nico Schlotterbeck immerhin endlich das erste Saisontor nach einer Ecke – bei sage und schreibe 95 (!) erfolglosen Versuchen zuvor. Das Zahlenwerk belegt, dass es an der reinen Herausarbeitung von Torchancen nicht hapert. 217 Mal schoss Dortmund in den 15 Partien aufs Tor, nur zwei Teams haben das gegnerische Gehäuse öfter attackiert. Führend auch hier mit Abstand die Bayern, die 316 Torschüsse abgaben. Mehr BVB-Treffer wären also möglich gewesen, obwohl auch die 30 Großchancen der Borussia keinen Top-Wert darstellen – wie auch die nur 43 Prozent Erfolgsquote bei den Großchancen.

Plan von BVB-Trainer Terzic geht nur selten auf

Hoch zu pressen und nach Ballgewinnen zielstrebig die Unordnung beim Gegner auszunutzen – das war eins der spielerischen Ziele des neuen Trainers Edin Terzic. Aufgegangen ist der Plan bislang zu selten. Nur zwei Treffer resultierten aus Fehlern des Gegners, auch mit den zwei Toren aus Kontern rangiert Dortmund nur im Mittelfeld der Liga. Dass der BVB 20 Mal nach Kontern aufs gegnerische Tor schoss, zeigt die Harmlosigkeit im letzten Drittel.

Es gibt angesichts dieser Statistiken viel zu tun für Terzic auch in diesem Bereich. Mehr Entschlossenheit braucht die Mannschaft auf allen Feldern, mehr Zielstrebigkeit und Klarheit, mehr Tempo und eine bessere Struktur sollten das Offensivspiel unberechenbarer – und erfolgreicher machen.

Dass sich Terzic zunächst erneut um die Defensive kümmern muss, bedeutet zusätzliche Arbeit auf dem Trainingsplatz. Immerhin bietet die Vorbereitung, die mit dem gesamten Kader ab dem 2. Januar beginnt und knapp drei Wochen lang ist, endlich wieder die Gelegenheit, überhaupt mal an Abläufen zu arbeiten.

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