Kuntz: "BVB glänzt durch Scouting und gute Einkäufe"
U21-Nationalcoach im Interview
Stefan Kuntz hat ein Comeback auf der Trainerbank hingelegt, was ihm viele nicht zugetraut hätten. Direkt in seinem ersten Turnier als Coach der U21 ist ihm der EM-Titel geglückt. Im Interview mit Marc-André Landsiedel sprach der 54-Jährige im Anschluss an die Auslosung der 2. Runde im DFB-Pokal im Deutschen Fußballmuseum über den Triumph in Polen und die aufstrebenden Talente des BVB.
U21-Trainer Stefan Kuntz sagt: "Der BVB glänzt durch sein Scouting und sehr gute Einkäufe."
Herr Kuntz, Gratulation zu einem tollen ersten Jahr als Nationalcoach der deutschen U21. Wie haben sie die vergangenen Wochen und Monate erlebt? So eine Europameisterschaft löst natürlich viel aus. Man baut ja nicht nur zu den Spielern eine besondere Beziehung auf, sondern auch zu dem Team hinter dem Team. Man erlebt so ein Turnier als Trainer deshalb noch intensiver, als als aktiver Spieler. Dadurch, dass ich nach dem Titelgewinn einige Zeit frei hatte, konnte ich den Triumph richtig genießen. Das kommt sonst manchmal etwas zu kurz. Allerdings ist mir der Abschied von den Jungs des 94/95er-Jahrgangs, die nun aus Altersgründen nicht mehr für die U21 spielen dürfen und die komplette Startelf im Finale gestellt haben, schon etwas schwergefallen. Wir haben am Ende noch zusammen ein Fazit gezogen und uns gegenseitig sehr viel mit auf den Weg gegeben. Anfang September geht es ja schon wieder mit der EM-Qualifikation los. Acht, neun Spieler bleiben bei uns und wir sichten und scouten fleißig, um wieder eine gute Mannschaft auf den Platz zu stellen.
Sie sind in die großen Fußstapfen von Horst Hrubesch getreten. Haben sie damit gerechnet, gleich den EM-Titel nach Deutschland zu holen? Nein, an einen Titel denkst du in erster Linie nicht. Du willst einfach einen guten Job machen - nicht bloß in Fußstapfen hineintreten, sondern deine eigenen Fußstapfen hinterlassen. Dass das im Endeffekt direkt alles so erfolgreich gelaufen ist, ist natürlich ein Traum.
Nach mehreren Jahren als Trainer waren sie als Manager des VfL Bochum (Anm. d. Red.: 2006 bis 2008) und Vorsitzender des 1. FC Kaiserslautern (2008 bis 2016) tätig. Wie kam es zu dem Wechsel vom Schreibtisch zurück auf die Trainerbank? Bei der EM 2016 in Frankreich waren die Europameister von 1996 eingeladen. Dort kam es zu einem Gespräch zwischen Hansi Flick, der damals noch Sportdirektor beim DFB war, und mir. So ist die Idee entstanden.
War es für Sie eine große Umstellung? Ich glaube, dass man manches auch unterschätzt. Eine Mannschaft zu trainieren heißt auch, eine Mannschaft zu führen. Das Führen junger Leute habe ich im Verein aber auch gemacht. Diese Führungskraft geht ja nicht verloren. Und zu 90 Prozent meiner Tätigkeit war ich im Verein auch als sportlich Verantwortlicher unterwegs. Heißt, ich stand fast jeden zweiten Tag auf dem Trainingsplatz. Was sich allerdings verändert hat, ist die Perspektive. Vorher habe ich die Spiele von der Tribüne aus verfolgt, jetzt bewege ich mich wieder auf Augenhöhe der Spieler. Und ich habe von Anfang an ein tolles Team um mich herum. Deshalb fiel mir die Umstellung leicht.
Logische Konsequenz: Der DFB hat den Vertrag mit Ihnen bis ins Jahr 2020 verlängert. Was sind die Ziele für die nächsten drei Jahre? Das erste Ziel, das im Raum steht, ist natürlich die erfolgreiche Qualifikation für die nächste Europameisterschaft 2019 in Italien. Und wir wollen eine Mannschaft zusammenstellen, die in dieser Zeit weiter für Begeisterung sorgt – und auch erfolgreich ist.
Schauen Sie sich ab dieser Saison noch öfter Fußballspiele in Dortmund an? Es sind schließlich Schützlinge von Ihnen beim BVB gelandet… Mit Sicherheit. Mo Dahoud gehört schon jetzt zu den Leistungsträgern. Felix Passlack wäre ja auch einer meiner Schützlinge - wenn er denn diese Saison auch weiter für den BVB spielt. Da müssen wir natürlich abwarten, ob er hier bleibt oder eventuell noch verliehen wird. Auch Janni Serra spielt in unseren Beobachtungen eine Rolle. Es geht für uns ja nicht nur darum, die Bundesliga zu beobachten. Sondern wir fahren dorthin, wo die Jungs Spielzeit bekommen, was sehr wichtig für ihre Entwicklung ist. Und das muss eben nicht immer nur Bundesliga sein.
Mahmoud Dahoud haben sie angesprochen, auch Maximilian Philipp spielt jetzt für die Borussia. Und Jeremy Toljan ist im Anflug. Ist für die drei jetzt der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel zum BVB? Oder hätte ihnen vielleicht ein weiteres Jahr bei einem „kleineren“ Verein gutgetan? Das müssen die Spieler natürlich selber beurteilen. Ich mische mich da auch nicht ein. Wenn die Spieler dazu einen Rat haben wollen, geben wir ihnen diesen natürlich auch unter vier Augen. Generell ist es für junge Spieler einfach wichtig, dass sie die Chance haben zu spielen. Und die sehe ich bei den Dreien auf jeden Fall gegeben.
Haben die Drei Sie denn um Rat gefragt? (lacht) Selbst wenn es so wäre, würde ich jetzt nicht darüber sprechen.
Was zeichnet das Trio denn aus? Worauf darf sich der BVB freuen? Zu Maxi Philipp habe ich ein besonderes Verhältnis, denn wir haben zusammen bei der U21 begonnen und ich durfte ihn von Anfang an begleiten. Er hat sich in Freiburg einfach sensationell entwickelt. Jetzt muss er sich beim BVB qualitativ weiterentwickeln und die nächste Stufe nehmen. Auch Mo Dahoud traue in den Sprung zu. Es ist aber nochmal etwas anderes, sich jetzt bei einer international erfolgreichen und sehr dominanten Mannschaft beweisen zu müssen und im Mittelfeld zu glänzen. Und Jerry Toljan gehört zu den am Anfang sehr unterschätzten Spielern. Einige waren überrascht, dass er auf einmal bei so großen Vereinen im Gespräch ist. Für uns war er ein absoluter Garant für die EM, total zuverlässig. Und eines steht auch fest: Der BVB glänzt durch sein Scouting und sehr gute Einkäufe. Man wird sich also nicht umsonst für Jeremy interessieren.
Abschließende Frage: Was trauen Sie dem BVB diese Saison unter dem neuen Coach Peter Bosz zu? Als alter Bundesligaspieler wünsche ich mir natürlich immer Spannung in der Meisterschaft und international ein erfolgreiches Auftreten.