Geduldig, gereift: Henrikh Mkhitaryan belohnt sich
BVB-Tor des Tages
50 weite, lange Meter bis zum Tor hatte Henrikh Mkhitaryan noch vor sich. An der Mittellinie bekam er den Ball von Marco Reus zugespielt, und der Armenier rannte los. 10, 20, 30 Meter weit. Da gab es viel Zeit zum Nachdenken. Momente, in denen er hätte zweifeln, zögern, zaudern können.

Henrikh Mkhitaryan (l.) belohnte sich gegen Hannover mit dem Tor des Tages.
Doch diese Situationen, in denen die Skepsis die Beine lähmt, die hat er längst überwunden. Stattdessen knallte „Micki“ den Ball aus 20 Metern Torentfernung unhaltbar in die rechte untere Ecke des 96-Tores. Sein Tor des Tages in der 57. Minute brachte dem BVB den 1:0-Sieg.
Wichtiger Schritt
Allzu leicht lassen sich solche kleinen, kurzen Spielsequenzen im Nachhinein mit Bedeutung aufladen, es passiert schnell, dass Szenen oder ganze Spiele überinterpretiert werden. Wenn der Eindruck nicht täuscht, dann bedeutete der Treffer von Matchwinner Mkhitaryan auch einen weiteren wichtigen Schritt in der Entwicklung dieses kreativen Könners.
„In den letzten Spielen habe ich es auch immer mal wieder versucht, auch aus der Distanz, jetzt hat es geklappt“, sagte der gerade 27-Jährige. In einer Partie, in der auch bei ihm wenig funktionierte, in der der Verve und die Dynamik über weite Strecke abgingen, Geniestreiche ausblieben, da wartete Mkhitaryan auf seine Chance.
Wo er sich vor nicht allzu langer Zeit noch mit dem Blick nach unten in der gegnerischen Abwehr festgerannt hätte oder aus schwierigsten Situationen den Abschluss erzwingen wollte, da bleibt Mkhitaryan immer geduldiger.
38. Torbeteiligung
Er ist abgezockter geworden. Man könne nicht immer auf dem höchsten Niveau agieren, vor allem nicht gegen einen Gegner, bei dem elf Spieler allein darauf eingestellt seien, Torchancen zu verhindern, erklärte er nach dem Spiel. „Dafür müssen wir dann bereit sein.“
Die Auftritte des Feingeistes Mkhitaryan kommen nicht mehr so spektakulär daher wie zu Beginn der Spielzeit. Seine Bilanz trübt das keineswegs. Das Siegtor gegen Hannover war die 38. Torbeteiligung, und das nach 33 Pflichtspielen. Eine Monster-Quote. Weil Mkhitaryan so oft im Schatten des diesmal verletzten Pierre-Emerick Aubameyang steht und eher introvertiert ist, wird er öfter übersehen.
"Die richtige Entscheidung"
Das wird seiner Leistung kaum gerecht, am Samstag erzielte er den dritten Treffer nach der Winterpause (Gladbach, Stuttgart, Hannover), dazu kommt noch eine Torvorlage. Auch an den vergleichsweise unauffälligen Tagen, an denen das Selbstverständliche nicht so leicht fällt wie sonst, an denen Geduld mit sich selbst gefragt ist, gelingt ihm viel Gutes.
Er habe in der Situation vor dem Tor den Ball zu Marcel Schmelzer passen wollen, doch der sei zugestellt gewesen, auch Marco Reus war von Gegenspielern umzingelt. Also zog er nach innen, sah die Möglichkeit und zog ab. „Das war dann wohl die richtige Entscheidung“, meinte der Armenier schmunzelnd und dankte seinen Teamkollegen, die ihm mit ihren Läufen den Raum geöffnet hätten. „Er hat sich spät entschieden, aber mit voller Überzeugung“, lobte Trainer Thomas Tuchel.
Feine Klinge
Mkhitaryans Tore stehen dabei fast für eine Sieg-Garantie: Der BVB hat alle 17 Bundesliga-Spiele gewonnen, in denen er Tore erzielte. Und symptomatisch für einen Tag, an dem spielerisch wenig lief und mehr Hammer und Meißel als feine Klinge gefragt waren, erzielte er das erste Weitschusstor seiner Mannschaft in dieser Saison.
„Sonst gelingt es uns ja fast immer, Torchancen herauszuspielen und die Treffer richtig gut vorzubereiten“, sagte Marcel Schmelzer. Über die fehlenden Treffer aus der Distanz habe man sich teamintern auch mal unterhalten. „Schön, dass jetzt einer gesessen hat.“
In der Analyse schlugen die Borussen durchaus selbstkritische Töne an. Schmelzer und Kapitän Mats Hummels betonten, dass man besser agieren könne und auch müsse, spätestens am Donnerstag in der Europa League gegen Porto. Zugleich machten beide auch eine andere, neuere Qualität aus.
Ein Reifeprozess
Aus Spielen wie gegen Ingolstadt, in Berlin und jetzt gegen Hannover sieben Punkte mitzunehmen, „das ist in meinen Augen auch ein Reifeprozess, obwohl wir natürlich besser spielen wollen, als wir es heute getan haben“, sagte Hummels. „Es ist auch wichtig zu wissen, dass wir nicht an 34 Spieltagen Topleistungen abliefern können.“ Umso wertvoller seien dann hart erkämpfte Siege in schwierigen Spielen.