Sebastien Haller auf dem Weg zum Medizincheck.

Mit Sebastien Haller gewinnt der BVB an Flexibilität. © Groeger

Flexibel dank Haller: Der BVB kann von seinem neuen Mittelstürmer doppelt profitieren

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Borussia Dortmunds neuer Mittelstürmer Sebastien Haller verfügt über Qualitäten als Wand- und Zielspieler. Selbst wenn er weniger Tore macht, kann der BVB von der neuen Flexibilität profitieren.

Dortmund

, 25.06.2022, 16:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Mit Sebastien Haller als Fixpunkt kann Borussia Dortmund die Pläne für das eigene Offensivspiel nun vorantreiben. Haller ist ein Neuner, der von allen wünschenswerten Stürmer-Fähigkeiten sehr viele gut abdeckt, ohne in Teilbereichen absolut herauszuragen. Wie gut Borussia Dortmunds neuer Trainer Edin Terzic den 28-Jährigen einbinden kann, hängt auch davon ab, für welche taktischen und systematischen Formationen er sich entscheidet. Was unter anderem für den Transfer des niederländischen Torschützenkönigs gesprochen haben mag: Als Mittelstürmer lässt sich um ihn herum viel puzzeln, je nach Bedarf, Belastung oder Gegneranpassung kann er allein, zu zweit oder in einer Dreierreihe in vorderster Linie spielen. Einige Optionen, die auf der Hand liegen:


4-2-3-1: In dieser Anordnung haben sich Borussia Dortmunds Profis in unterschiedlicher Besetzung über viele Jahre hinweg am wohlsten gefühlt. Als Zehner wäre Marco Reus (Alternative: Giovanni Reyna) gesetzt, der hinter Sebastien Haller die Verbindung zwischen Defensive und Offensive herstellen könnte. Haller könnte, weil er nicht der endschnellste Angreifer ist, vor allem in den Halbräumen vor der Viererkette Angebote schaffen und Räume aufreißen, in die schnelle (Außen)-Spieler wie Karim Adeyemi und Donyell Malen hineinstoßen könnten. Beide verfügen über den Speed, sind aber keine echten Flügelflitzer.

Haller mit dem Rücken zum Tor und als Abnehmer von Hereingaben im Strafraum.

Haller mit dem Rücken zum Tor und als Abnehmer von Hereingaben im Strafraum. © Tactical Pad / Jürgen Koers

Von diesem Spielertypus hat der BVB eigentlich nur den jungen Jamie Bynoe-Gittens im Kader. Auch Reyna, Julian Brandt oder situativ Jude Bellingham könnten den Raum um den Raumspender Haller herum besetzen, der auf der ballnahen Spielseite eine Erscheinung ist. Sein doppelter Vorteil: Er kann mit Kopf und Fuß als Wandspieler dienen, um kurz darauf als Zielspieler im Strafraum seine schlauen Laufwege und seine körperliche Durchsetzungsfähigkeit einzubringen.


4-3-3: In seiner ersten BVB-Amtszeit ließ Terzic nach anfänglichen Pressing-Fantasien eher pragmatisch im 4-3-3 spielen, um mit viel Absicherung die Vorzüge der Konter-Künstler Jadon Sancho, Erling Haaland und Marco Reus bestmöglich zur Geltung zu bringen. Auch Haller könnte von zwei hängenden Spitzen unterstützt werden, die ihn in Kombinationen einbinden (Reus, Reyna) oder nach einem Zuspiel auf den Mittelstürmer ihrerseits in die Tiefe starten (Adeyemi, Malen, Moukoko).

Die Option 4-3-3: Im Angriffszentrum dient Sebastien Haller als Wand- und Zielspieler.

Die Option 4-3-3: Im Angriffszentrum dient Sebastien Haller als Wand- und Zielspieler. © Tactical Pad / Jürgen Koers

Weil dem BVB-Kader auch nach einem Jahr unter Marco Rose hohes Pressing nicht dauerhaft gelingen will und Haller im defensiven Zweikampf auch nicht seine Vorzüge hat, könnte eine tiefere Staffelung gegen mitspielende Gegner immer eine Überlegung wert sein. Haller hat in Amsterdam gelernt, durch geschicktens Anlaufen den gegnerischen Aufbau in gewisse Zonen zu lenken. Hier könnte ein Dortmunder Mittelfeldpressing (Bellingham, Özcan) zuschnappen und für Umschaltmomente sorgen, mit dem wuchtigen Haller wiederum als Relaisstation.



4-4-2: Auch die Diamanten-Formation ist denkbar bei einem Stürmer-Duo mit unterschiedlichen Attributen. Neben einem stets anspielbaren Sebastien Haller dürften sich alle anderen drei BVB-Angreifer (Adeyemi, Malen, Moukoko) als zweite Spitze wohlfühlen, weil sie sich ergänzen. Ein Offensivmann kommt dem Ball entgegen, der andere startet in die Tiefe. Dieses Spiel mit gegenläufigen Bewegungen hat der BVB in der abgelaufenen Saison teilweise gut umgesetzt.

Kommen und gehen: Bei zwei Spitzen lassen sich die Aufgaben verteilen.

Kommen und gehen: Bei zwei Spitzen lassen sich die Aufgaben verteilen. © Tactical Pad / Jürgen Koers

Die nachrückenden Mittelfeldspieler wären nach dem Pass Richtung Haller ebenso als Anspielstationen denkbar wie das tiefe Zuspiel in Richtung Tor. Weitere Vorteile des Systems mit zwei Spitzen wären die naturgegeben gute Besetzung des gegnerischen Strafraums und, sollten Ballverluste entstehen, eine bessere Staffelung im defensiven Umschalten.



3-4-2-1: Egal ob mit zwei flexiblen, beweglichen Halbstürmern hinter Haller oder mit einem Zehner hinter zwei Neunern (3-4-1-2) - aufgrund der durch Haller geschaffenen individuellen Bandbreite an vorzugsweise zentral agierenden Angreifern kann der BVB auch mit einer Dreierkette und hoch postierten Flügelspielern als „wing backs“ attackieren. Wenn man bedenkt, dass eigentlich alle Außenverteidiger der Borussia mehr Qualitäten in der Vorwärtsbewegung haben und Haller für Flanken und Hereingaben ein prädestinierterer Abnehmer wäre als Vorgänger Erling Haaland, spricht nicht allzu wenig gegen diese Variante.

Der BVB hat offensivstarke Außenverteidiger im Kader, aber nur einen Flügelstürmer. Das kann man sich zunutze machen im 3-4-1-2 oder 3-4-2-1.

Der BVB hat offensivstarke Außenverteidiger im Kader, aber nur einen Flügelstürmer. Das kann man sich zunutze machen im 3-4-1-2 oder 3-4-2-1. © Tactical Pad / Jürgen Koers

Während der Norweger erst beim BVB lernte, seinen Kopf auch zum Fußballspielen zu benutzen, hat Haller gerade in der Luft ein bemerkenswertes Behauptungsvermögen. Und auch beim Lauf mit Tempo auf die Abwehr zu kann er eine gegnerische Verteidigung frontal unter Druck setzen und zum Abschluss kommen oder den finalen Pass spielen.



Fazit: Sebastien Haller hat nicht diese ein oder zwei außergewöhnlichen Stürmerstärken (Tempo, Wucht) wie Erling Haaland. Doch gerade seine Vielschichtigkeit kann Borussia Dortmund ausnutzen, wenn es gelingt, Haller und seine Nebenleute in ihren jeweils besten Positionen aufzustellen. Der BVB wird definitiv flexibler und weniger ausrechenbar als mit Haaland.

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Vom Platz, den Raumwunder Haller auch in engen Räumen freisperrt sowie von dessen Fertigkeiten bei der Arbeit mit dem Rücken zum Tor können die Mitspieler extrem profitieren. Sicherlich wird der Neuzugang auch an eigenen Treffern gemessen. Sollte es dank seiner Präsenz gelingen, die Torproduktion wieder auf mehrere Schultern zu verteilen, wäre das aber ein nicht minder großer Verdienst des neuen Neuners.