Ex-BVB-Torjäger Smolarek trifft und der Signal Iduna Park rastet aus Florian Kringe erinnert sich

Ex-BVB-Torjäger Smolarek trifft und der Signal Iduna Park rastet aus: Florian Kringe über ein
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Ebi Smolarek war nicht mehr zu halten. Es war die pure Ekstase, als der Angreifer von Borussia Dortmund völlig losgelöst in die BVB-Kurve sprintete und den Zaun hochkletterte. „Eigentlich wollte ich ja rüberspringen, aber jemand muss mich festgehalten haben“, sollte der Pole später sagen.

Explosion im BVB-Stadion

Es war der 12. Mai 2007, es war die 85. Minute im 129. Revierderby zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04, es war die Entscheidung in einer Partie, die so weit mehr war als ein normales Derby – falls es die je gab. Die Königsblauen waren am 33. Spieltag der Saison 2006/2007 als Spitzenreiter zum ungeliebten Nachbarn gereist, sie führten die Tabelle seit neun Spieltagen an. Nun noch ein Sieg an der Strobelallee, keiner sollte ihnen mehr den seit Jahrzehnten ersehnten Titel mehr nehmen. Doch dann legte Christoph Metzelder den Ball im Strafraum quer, Smolarek nahm das von Bordon abgefälschte Leder volley und traf zum 2:0 ins rechte untere Eck.

Es folgte eine einzige Explosion der Emotionen, der Signal Iduna Park erbebte, alle Schwarzgelben unter den 80.708 Zuschauern ließen ihren Gefühlen freien Lauf. Es waren Tränen der Freude, der Schadenfreude, es war eine unglaubliche Freude, den Königsblauen im eigenen Stadion die Meisterschaft verhagelt zu haben.

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„Wir hatten die einmalige Chance, in diesem einen Spiel eine rundum verkorkste Saison wettzumachen“, sagt Florian Kringe im Gespräch mit dieser Zeitung, „wir wussten, welche Bedeutung diese Partie für unsere Fans hatte“. Schon in der Woche vor dem Derby waren sie zum Training gepilgert, hatten Banner aufgehängt, die Mannschaft wusste, was die Anhänger einforderten. „Aber auch uns war ja bewusst, wie sehr wir in der Saison unseren Ansprüchen hinterherhinkten“, sagt Florian Kringe. „Wir hatten die Riesenchance, die Saison so noch irgendwie zu retten, es war eine Genugtuung für uns alle. Und natürlich war allen bewusst, welche Emotionen ein solcher Erfolg freisetzen würde.“

BVB mit furchtbarer Saison

Florian Kringe sagt von sich, er habe das BVB-Blut quasi mit der Muttermilch aufgesaugt, gefühlt hat er ein halbes Leben für die Schwarzgelben gespielt. Heute ist er Spielerberater, heute ist er gelassener, weniger emotional, hat natürlich etwas mehr Distanz. Aber diese Revierderbys, die leider manchmal auch von Hass und Feindschaft geprägt sind, sie seien immer das Highlight der Saison gewesen, einfach „etwas ganz, ganz Besonderes“.

Die Borussia hatte bis zu diesem 12. Mai eine wirklich miserable Saison gespielt. In der Tabelle lagen die Schwarz-Gelben nur auf Rang neun. Mit Thomas Doll saß bereits der dritte Trainer der laufenden Spielzeit auf der Bank, Bert van Marwijk und Jürgen Röber waren zuvor krachend gescheitert. Aufzuhübschen war die Bilanz nur noch mit einem Derbysieg, und damit womöglich den Schalker Titelgewinn zu vereiteln. Der Schweizer Alexander Frei, der das 1:0 erzielte, sollte später sagen: „Es war natürlich im Bewusstsein jedes Spielers, dass es nicht sein kann, dass der Erzfeind in unserem Stadion Meister wird. Diese Blamage wollten wir uns ersparen.“

BVB-Fans halten Doppelhalter in die Luft.
BVB-Fans vermitteln klare Botschaften auf der Südtribüne. © imago/Ulmer

Und so entwickelte sich eine Partie, in der der BVB auftrumpfte, als könne er selbst noch die Schale nach Dortmund holen, und die Schalker ohne Feuer und Leidenschaft diese 90 Minuten herunterspulten. Die Zuschauer sahen wahrlich keine Fußball-Delikatesse, eher ein Kampfspiel, in dem aber nur eine Mannschaft bedingungslos fightete. Kurz vor der Halbzeit fand Christoph Metzelder, der sich auf Abschiedstournee befand, nach einem sehenswerten Flankenlauf Alexander Frei im Sechzehner. Der Schweizer ließ sich nicht lange bitte, erzielte die Führung und verwandelte den Signal Iduna Park in ein wahres Tollhaus.

Die Gelsenkirchener versuchten sich zu schütteln, aber wirklich Nennenswertes kam dabei nicht heraus. Ein paar halbe Chancen, das sollte es an diesem Nachmittag für den FC Schalke 04 auch gewesen sein. „Wenn du eine so große Chance vor Augen hast, dann können die Beine manchmal fürchterlich schwer werden“, sagt Florian Kringe und zieht eine kleine Parallele zur vergangenen Saison, als der BVB im letzten Spiel im eigenen Saison gegen Mainz über ein 2:2 nicht hinauskam und damit doch noch die Meisterschaft hergab.

Das Logo der Signal Iduna.
Signal Iduna, der Namengeber für das BVB-Stadion. © Signal Iduna

In der Partie im Mai 2007, da habe das Team früh gefühlt, „es läuft, es entwickelte sich eine Eigendynamik“. Borussia hatte den Kopf früh frei, die von Mirko Slomka trainierten Schalker spielten, als hätten sie einen Rucksack dabei. „Du hast gemerkt, sie waren verunsichert, ja fast gelähmt“, sagt Florian Kringe.

BVB jubelt - Schalke trauert

Im Parallelspiel gewann der VfB Stuttgart mit 3:2 beim VfL Bochum und zog an Schalke vorbei. Den Vorsprung gaben die Schwaben nicht mehr her. Die königsblauen Titel-Träume lagen in Scherben. „Dieses Spiel zählt zu den schmerzhaftesten Momenten meiner Karriere. Wir waren so nah dran, die Schale endlich nach Gelsenkirchen zu bringen, und sind so kurz vor dem Ziel gescheitert“, so der Schalker Mittelstürmer Kevin Kuranyi über die womöglich bitterste Schalker Derby-Pleite aller Zeiten. Schalke wurde noch nicht einmal Meister der Herzen, weil sie auf der Zielgeraden das Herz vermissen ließen, weil sie Opfer ihrer Nerven wurden.

Die BVB-Fans feierten, als hätten sie selbst gerade ein paar Titel gleichzeitig geholt, noch mehr aber genossen sie vermutlich das Leid der Schalker Fans. „Natürlich haben auch wir Spieler nett gefeiert“, sagt Florian Kringe, „wir sind ein wenig um die Häuser gezogen“. Und Ebi Smolarek wusste, er hatte sich beim BVB unsterblich gemacht. Wahrscheinlich würde er heute immer noch gern am Zaun mit den Fans jubeln.

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