Türkisch für Anfänger: Die Seele seiner Nation lernt Borussia Dortmunds neues Juwel Emre Mor bei der Fußball-EM derzeit im Intensiv-Kurs kennen. Der Teenager gibt der gekränkten Nation ihren Stolz zurück. Die Mannschaft will ihre "schönste Blume" nun hegen und pflegen.
LENS
22.06.2016, 13:42 Uhr
/ Lesedauer: 2 min
Emre Mor hat mit seinem guten Auftritt im Spiel gegen Tschechien den türkischen Seelenfrieden wieder hergestellt.
Das 2:0 gegen Tschechien im letzten Gruppenspiel am Dienstag stellte das Vertrauen der türkischen Nation in die zuvor abgeschriebene Mannschaft wieder her - und der 18 Jahre alte Teenager wurde bei seinem EM-Startelfdebüt von Nationalcoach Fatih Terim sogleich zum "Retter der Türkei" ausgerufen.
"Türkischer Messi" trumpft auf
"Wir haben all unsere Probleme überwunden mit diesem Sieg", befand Terim, der nur 24 Stunden zuvor noch zu Tode betrübt und tief gekränkt gegen die heftige Kritik aus dem eigenen Land gewettert hatte. Alles vergessen. "Die Türkei ist Stolz auf euch", titelte das Blatt "Vatan" und "Fanatik" schrieb: "Die verrückten Türken sind zurück." Vor allem dank Mor, in dem "Fanatik" bereits den "türkischen Messi" sieht.
"Er ist unsere schönste Blume, wir müssen ihn hegen und pflegen", dichtete Torschütze Burak Yilmaz, der mit seinem Tor (10. Minute) nach klasse Vorarbeit des kleinen Mor der Türkei früh den Weg geebnet hatte. Immer, wenn es im türkischen Offensivspiel gefährlich wurde, war der Neu-Dortmunder beteiligt.
Terim ist "tief beeindruckt"
Nahezu furchtlos startete der gerade mal 1,68 große Floh seine Tempoläufe. "Ich bin wirklich tief beeindruckt von ihm. Es war die zentrale Entscheidung, ihn spielen zu lassen", jubelte Terim. Der charismatische Nationalcoach der Türkei war sich gar sicher: "Er wird noch eine große Verstärkung für uns."
Seine Teamkollegen lobten Mor in den höchsten Tönen. Sein künftiger Dortmunder Mitspieler Nuri Sahin etwa befand: "Er hat Qualitäten, die wir sonst nicht haben im Spiel." Bayer Leverkusens Hakan Calhanoglu, der nach dem bitteren 0:3 gegen Spanien für Mor aus der Startelf geflogen war, meinte: "Emre ist sehr talentiert und sehr wichtig für uns. Wir werden ihm helfen auf seinem Weg."
Türkische Gefühlswelt als Herausforderung
"Ich bin erst 18 und zum ersten Mal auf diesem Level", sagte der in Dänemark geboren und aufgewachsene Mor, der für rund 9,5 Millionen Euro vom FC Nordsjaelland zu Borussia Dortmund wechselt. Mit der türkischen Gefühlswelt muss auch er erst noch klar kommen. "Das habe ich so vorher auch noch nie erlebt. Ich finde das nicht unbedingt gut, aber so ist Fußball eben", sagte Mor noch unter dem Eindruck der heftigen Reaktionen in der Türkei auf die zuvor enttäuschenden Leistungen bei der EM. Die Mannschaft hatte 0:1 gegen Kroatien und 0:3 gegen Spanien verloren.
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EM, Gruppe D: Tschechien - Türkei 0:2 (0:1)
Bilder der EM-Partie zwischen Tschechien und der Türkei.
An vieles muss sich der Wirbelwind erst noch gewöhnen - auch an die Sprache seiner Kollegen. "Er muss noch ein bisschen Türkisch lernen", verriet Calhanoglu. Auch Mor gestand: "Ich verstehe ein bisschen was, kann aber noch nicht so gut sprechen."
Heftige Kritik
Vielleicht sind die eher rudimentären Kenntnisse der Muttersprache seines Vaters derzeit ganz gut für das Top-Talent. Die Kritik, die auf die türkischen Spieler vor dem Tschechien-Spiel eingeprasselt war, mit Spott oder Häme zu beschreiben, wäre beschönigend formuliert. "Wir sind heftig kritisiert worden. Psychologisch war das sehr schwierig", sagte Nationalcoach Terim. "Mit dem Sieg ist unser Selbstbewusstsein aber wieder stark gestiegen."