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Emre Can beim BVB: Emotionaler Anführer und flexibler Fußballer
Borussia Dortmund
Emre Can überzeugt beim BVB nicht nur als emotionaler Anführer, sondern auch als flexibler Fußballer. Lucien Favre sagt, Can könne fast überall spielen. Aber wo ist er am besten?
Emre Can lächelte. Ein bisschen stolz, ein bisschen verlegen. Der ZDF-Reporter hatte nach seiner Rolle in der BVB-Abwehr gefragt - und was hätte Can schon sagen sollen? Es war gut gelaufen, sehr gut sogar. Can hatte Mats Hummels gegen Hertha BSC als Abwehrchef vertreten, da ist ein 1:0 so ziemlich das beste Ergebnis, das es im Fußball gibt. Erst recht, wenn man nicht nur hinten den Laden dichtgehalten, sondern vorne auch noch den Stürmern die Arbeit abgenommen und das Tor des Tages erzielt hat. Keine Frage: Can war am vergangenen Samstag der auffälligste Mann eines unauffälligen Spiels gewesen.
Hummels bleibe zukünftig aber trotzdem Borussia Dortmunds Abwehrchef, gab Can sinngemäß noch zu Protokoll. Der gegen Hertha gesperrte Routinier sei ein „Weltklasse-Verteidiger“, sagte Can, und Hummels fülle seinen Job in der BVB-Defensive schon seit längerer Zeit hervorragend aus.
Favre lobt die Flexibilität von BVB-Neuzugang Can
Und so ist es durchaus vorstellbar, dass Can am Samstag gegen Fortuna Düsseldorf wieder eine Position nach vorne ins Mittelfeld rückt. Lucien Favre hat sich laut eigener Aussage noch nicht entschieden. „Ich weiß noch nicht, wo Emre am Samstag spielen wird“, sagt der BVB-Trainer. In jedem Fall aber ist der 62-jährige Schweizer froh über Cans Vielseitigkeit. „Wir wissen, dass Emre sehr, sehr flexibel ist“, sagt Favre, „er kann im Mittelfeld und in der Abwehr auf jeder Position spielen. Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir ihn haben.“
Bisher hat Favre Cans Dienste zumeist im Mittelfeld vor der Abwehr in Anspruch genommen. Von 866 Pflichtspielminuten hat der Nationalspieler, der im Winter erst für viel Geld von Juventus Turin ausgeliehen wurde und dann wegen einer Kaufverpflichtung ziemlich schnell für viel Geld bis 2024 fest an den BVB gebunden wurde (insgesamt kostet Cans Verpflichtung 25 Millionen Euro Ablöse), nur 135 Minuten in der Dortmunder Dreierkette gespielt. Immer dann, wenn Hummels nicht konnte oder durfte, nämlich in der zweiten Hälfte gegen den VfL Wolfsburg (2:0) und nun eben gegen die Hertha (1:0).
BVB-Neuzugang Can sieht sich perspektivisch als Abwehrspieler
Can scheint damit keinerlei Probleme zu haben, auch wenn aus seinem Umfeld zu vernehmen ist, dass er sich perspektivisch eigentlich eher als Abwehrspieler denn als Mittelfeldspieler sieht. Can rechne sich in der Abwehr die größeren Chancen in der Nationalmannschaft aus, heißt es, das sei der Hauptgrund - und bislang zählt der 26-jährige und 25-fache Nationalspieler eher zum erweiterten Kreis bei Bundestrainer Joachim Löw, nicht unbedingt zum unantastbaren Stammpersonal im Defensivverbund. Das soll sich bis zur Europameisterschaft im kommenden Jahr im Idealfall ändern.

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Doch Flexibilität verpflichtet, so drückt es Favre aus, der seinen Neuzugang aktuell augenscheinlich häufiger im Mittelfeld benötigt und über den Can sagt, dass er ein „großartiger Trainer“ sei, mit dem er gerne noch „einige Jahre“ in Dortmund zusammenarbeiten würde. Cans Auftritte in der Schaltzentrale des BVB haben entscheidenden Anteil daran, dass sich Favres Perspektive beim BVB seit der Winterpause wieder gebessert und sich Borussia Dortmund defensiv deutlich stabilisiert hat. Can wirft nicht nur seine Mentalität und Aggressivität in die Waagschale, sondern auch seine fußballerische Klasse, das kommt manchmal fast ein bisschen zu kurz. Cans Gesamtpaket tut dem Spiel der Schwarzgelben jedenfalls spürbar gut - und der BVB tut Can gut, der nach einer frustrierenden Hinrunde in Turin schnell Verantwortung in Dortmund übernommen hat und beim BVB wieder die Einsatzzeiten erhält, die er bei Juventus nicht mehr bekam.
Hummels bezeichnet Can als „ganz wichtigen Baustein“ beim BVB
Auch BVB-Sportdirektor Michael Zorc hebt Cans Vielseitigkeit heraus, wenn er nach dessen idealer Position auf dem Fußballplatz gefragt wird. Die Flexibilität zeichne Can aus, sagt Zorc. „Das war für uns auch einer der Gründe, für ihn im vergangenen Winter tiefer in die Tasche zu greifen und ihn zu verpflichten. Emre ist in der Lage, sich schnell von Abwehr auf Mittelfeld umzustellen, auch innerhalb eines Spiels. Das zeichnet ihn aus. Er kann uns auf mehreren Positionen weiterhelfen.“
Und Mats Hummels, den Can am vergangenen Wochenende so überzeugend vertrat, hat im Frühjahr in einem Interview mit „11Freunde“ über den gebürtigen Frankfurter gesagt, er sei ein „ganz wichtiger Baustein“ beim BVB, einer, „der immer Gas gibt“ und „immer gewinnen will“. Klingt so, als hätten Can und Hummels durchaus Gemeinsamkeiten - und vielleicht verteidigen sie ja bald auch mal gemeinsam in Borussia Dortmunds Abwehr.
Tobias Jöhren, Jahrgang 1986, hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert. Seit 2013 ist er Mitglied der Sportredaktion von Lensing Media – und findet trotz seines Berufes, dass Fußball nur die schönste Nebensache der Welt ist.
