Am Samstag Geisterbahn, am Mittwoch Höhenflug auf dem Riesenrad: Borussia Dortmund erlebt eine Saison wie die unterschiedlichen Attraktionen auf dem Jahrmarkt. Mal gruselig, mal bauchkribbelig. Das lässt tief blicken: Diese BVB-Elf besitzt reichlich Potenzial und ganz offensichtlich ein großes Problem, das eigene Vermögen abzurufen, wenn die Kirmeslichter mal nicht grell blinken.
BVB zeigt unter Druck das beste Gesicht
Falls die BVB-Anhänger es nicht eh schon wären: Sie hätten Fan werden können von dieser Mannschaft, die im heimischen Alltagsbetrieb zwar wenig auf die Reihe bekommt, aber international ihr bestes Gesicht zeigt. Angeschlagen, angezählt, angezweifelt, dann noch ein früher Rückstand beim OSC Lille: Die Abgesänge waren vorbereitet. Und Borussia Dortmund schlägt zurück, mit Wucht, Verve und voller Energie.
Mit der intrinsischen Motivation scheint es nicht bestens bestellt zu sein. Also brauchte es eine gepfefferte Ansprache von Trainer Niko Kovac, um an die Ehre der Borussen zu appellieren. Das zeigte mehr Wirkung als alle Zuckerwatte-Lobeshymnen zuvor. Als ob nur große Drucksituationen nach Ehrlos-Auftritten und Fan-Wut wie nach dem Augsburg-Spiel helfen. Schizophrene Dortmunder: Am Mittwochabend in Lille beeindruckte der BVB mit Leidenschaft, mit Resilienz, mit Physis. Wie nach einem Blauen Brief kurz vor den Zeugnissen - plötzlich stimmt der Einsatz. Und dann auch das Ergebnis.
BVB-Lebenszeichen wird in Leipzig geprüft
Warum ein Marcel Sabitzer, um ein Beispiel zu nennen, an diesem Achtelfinal-Abend in Frankreich sein bestes Spiel seit neun Monaten zeigte, muss der BVB-Profi für sich selbst beantworten. Geprüft wird das Aha-Erlebnis aus der Königsklasse bei ihm wie bei allen anderen eh am Samstag in der Bundesliga bei RB Leipzig. Oft genug hatten die Borussen eine vermeintliche Trendwende eingeleitet. Um dann doch wieder in die Achterbahn der Leistungen einzusteigen, die die Sympathie der Anhänger auf eine harte Probe stellt.
Ein Faktor auf dem Weg zur benötigten, herbeigesehnten Konstanz: Disziplin und Leistungskultur. Trainer Kovac hat einigen Auswüchsen ein Stop-Schild vorgesetzt. Diese BVB-Elf benötigt offensichtlich eine harte Führung und maximalen Druck, um sich zusammenzuraufen. Erst dann ist sie zu größeren Taten fähig. Nach den vergleichsweise leichten Losen mit Sporting Lissabon und OSC Lille war das Viertelfinale Pflicht für die Schwarzgelben. Erfüllt!
BVB-Profis in der Achterbahn
Jetzt geht es zum wiederholten Mal darum, nach einem positiven Moment nachzulegen. Der Sieg in Lille ist ein Erfolgserlebnis für verunsicherte BVB-Profis. Vor allem aber ist er in der Art und Weise eine Verpflichtung, im Saisonfinale keinen Deut nachzulassen. Das muss der Standard sein, um in dieser Achterbahn-Saison noch einen passablen Ausgang zu finden. Alle Skepsis am Charakter dieser Kirmes-Kombo ist gleichwohl berechtigt.