Diese Baustellen muss BVB-Trainer Edin Terzic schließen Hierarchie, System, Kaderplanung

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Gut gelaunt und ausgeruht meldeten sich am Samstag knapp ein Dutzend Nationalspieler der Borussia nach ihrem Urlaub zurück zum Dienst, mit dabei auch der zweite Sommer-Neuzugang Ramy Bensebaini. Für Edin Terzic ist es der Startschuss in die entscheidende Phase der Saisonvorbereitung. „Wir haben keine Zeit zu verlieren“, hat der BVB-Trainer nach dem ersten Test (7:0 bei Westfalia Rhynern) erklärt. Wir nennen die wichtigsten Eckpunkte der Arbeit in den kommenden vier Wochen:

01.) Stimmung: „Dieser Spieltag“, hat Terzic mit Tränen in den Augen nach dem 2:2 gegen Mainz gesagt, „wird sehr lange weh tun.“ Das Drama um die verpasste Meisterschaft haben alle Spieler mit in den Urlaub genommen, die Rückkehr auf den Trainingsplatz und später in den Signal Iduna Park wird die Erinnerungen nochmal an die Oberfläche befördern.

Aus dem knappen Scheitern Kraft, Mut und Zuversicht zu ziehen, wird wichtig sein, um Mitte August frei im Kopf den nächsten Angriff auf den FC Bayern zu starten. „Wir waren so nah dran“, hat Terzic noch gesagt, „ab morgen sind wir wieder 34 Spieltage davon entfernt.“ Die mentale Bereitschaft, sich dieser Chance und Verpflichtung an jedem Wochenende bewusst zu sein, wird essenziell für die Ziele der Borussia sein.

02.) Hierarchie: Neue Saison, neue Chancen, neue Verantwortlichkeiten. Der Abgang von Jude Bellingham hat ein großes Loch gerissen, nicht nur sportlich. Der 19-Jährige ist auf dem Platz in vielerlei Hinsicht vorangegangen, diese Lücke wird Neuzugang Felix Nmecha allein kaum füllen können. Borussia Dortmund benötigt nach dem freiwilligen Verzicht von Marco Reus nicht nur einen neuen Kapitän, Terzics Team braucht insgesamt mehr Spieler, die bereit sind, in verantwortliche Rollen zu schlüpfen.

Nicht nur gegen Mainz vermisste man die Spieler, die vorweggingen, sich aufbäumten und die Kollegen mitrissen, als alles gegen den BVB lief. In den Partien, in denen Dortmund unnötig Punkte abgab, wäre mehr Führungsqualität der erfahrenen Kadermitglieder erforderlich gewesen. Hier vor allem gefordert: Niklas Süle, Nico Schlotterbeck, Julian Brandt und Emre Can. Auch Torhüter Gregor Kobel, Dortmunds konstantester Spieler der abgelaufenen Saison, ist bereit, mehr Verantwortung zu tragen.

03.) Gier: Wie knapp Borussia Dortmund an der neunten Meisterschaft vorbeischrammte, das sollte jedem Spieler ins Bewusstsein rufen, wie wichtig jeder Punkt, jede Partie ist – und wie weh am Ende leichtfertig verpasste Chancen tun können. Davon gab es zuhauf. An schwächeren Tagen schmucklos Spiele zu gewinnen, war eine große Qualität der Bayern und begründete ihren Nimbus der scheinbaren Unbesiegbarkeit.

Als der Rekordmeister tatsächlich schwächelte, hätte Dortmund viel energischer zugreifen müssen. Die Anzahl der schwachen BVB-Spiele zu verringern, bedingt Woche für Woche eine Unnachgiebigkeit und Härte gegen sich selbst. Bei Widerstand des Gegners zu leicht einzuknicken, darin lag die Hauptursache für Dortmunds Scheitern.

04.) System-Flexibilität: Ob Terzic in der Vorbereitung auch alternative Systeme zum von ihm zuletzt präferierten 4-1-4-1 einstudieren wird, hängt von mehreren Faktoren ab – nicht zuletzt von der Frage, wann Borussia Dortmund den Kader komplett hat, mit dem der 40-Jährige in die Saison gehen will. Je später das der Fall sein wird, desto schwieriger wird es, neue Inhalte zu implementieren.

Das Thema Dreierkette spielte in der vergangenen Saison nur eine untergeordnete Rolle, Terzic wird wohl weiter hauptsächlich auf eine Viererkette setzen – mit der Flexibilität, in diesem System einzelne Positionen zu verschieben und damit auf Spielverläufe zu reagieren. Nach der enttäuschenden Hinrunde hat Dortmunds Trainer Feinjustierungen mit belegbarem Erfolg vorgenommen: Weniger Gegentore in der Rückrunde (19 statt 25) und mehr selbst erzielte Treffer (52 statt 31) sprechen für mehr Stabilität und Sicherheit. Darauf muss der BVB aufbauen.

05.) Kaderplanung: Dass der BVB mit einigen Kaderlücken in die entscheidende Phase der Vorbereitung startet, ist alles andere als optimal. Ein robuster Sechser wird ebenso gesucht wie ein Außenverteidiger für die rechte Seite. Auch eine zusätzliche Option fürs offensive Mittelfeld wird geprüft. Sportdirektor Sebastian Kehl mahnt Gründlichkeit und Geduld bei der Suche an, jeder Tag, der vergeht, verkürzt allerdings die Zeitspanne für die Integration der Neuen.

Nach acht Abgängen bislang will Kehl den Kader zudem weiter verschlanken, bei den Transfer-Kandidaten Thomas Meunier und Thorgan Hazard aber gibt es wenig Bewegung. Das Belgien-Duo droht ebenso zur Belastung zu werden wie die Never-Ending-Story um Nico Schulz. Dass der seit einem Jahr ausgebootete Linksverteidiger seine aktuelle Freistellung für erfolgreiche Vertragsgespräche mit einem neuen Klub nutzen kann, ist recht unwahrscheinlich.

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