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Die Manchester-Mentalität muss für den BVB der Maßstab sein
Meinung
Auf Augenhöhe mit Manchester, gegen Köln und Frankfurt hapert es an der Einstellung. Der BVB gibt weiterhin Rätsel auf. Klar ist: Die Mentalität aus der Champions League muss der Maßstab sein.
Sie waren ganz nah dran am großen Coup. Kaum jemand hatte vor dem Duell mit Dominator Manchester City einen Cent auf Borussia Dortmund gesetzt. In vielen Expertenrunden ging es gar nur noch um die Dimension der Niederlage. Der Tenor: Das ohnehin arg angeschlagene Selbstvertrauen des BVB würde durch eine krachende Niederlage in Manchester endgültig in den Keller purzeln. Doch dann ging das Flutlicht an, der Anpfiff ertönte im Etihad Stadium, und die Borussia legte los. Mutig, leidenschaftlich, klug. So, als würde es diese Krise in der Fußball-Bundesliga gar nicht geben.
Der BVB hat zwar verloren, erfüllt aber alle Vorgaben
Dortmund zeigte plötzlich sein Champions-Gesicht, wehrte sich, zeigte sich scharf und robust in den Zweikämpfen, laufstark. Seinen berüchtigten Dauerdruck zu erzeugen, mit dem City zumeist seine Gegner lähmend umklammert, gelang dem kommenden englischen Meister am Dienstagabend kaum. Weil der BVB seinen Plan taktisch diszipliniert umsetzte, Passwege clever zustellte, bissig verteidigte und immer wieder schnelle Konter fuhr. Und auch nach dem frühen Rückstand weder die Köpfe hängen ließ, noch von seinem Konzept auch nur einen Millimeter abwich. „Leistung“ hatte Borussias Sportdirektor Michael Zorc vehement nach dem schwachen 1:2 gegen Frankfurt drei Tage zuvor von den Profis gefordert. Sie verloren zwar erneut mit 1:2, aber diesmal leisteten sie.
Dieser Dortmunder Auftritt gegen das Starensemble von Pep Guardiola, das über die letzten Monate selten bis nie so gebremst worden war wie nun vom BVB, hätte ein Unentschieden verdient gehabt. „Wir haben gezeigt, dass wir sie ärgern können“, resümierte BVB-Trainer Edin Terzic. Dessen Strategie und Mut, ausgerechnet in dieser Partie den flinken Youngster Ansgar Knauff (19) in der Startelf debütieren zu lassen, wären wahrscheinlich belohnt worden, hätte Schiedsrichter Ovidiu Alin Hategan nicht einen extrem nervösen Abend erwischt und unter anderem ein mögliches Tor von Jude Bellingham zurückgepfiffen. Und wären da nicht diese wenigen aber entscheidenden Patzer gewesen, die City zu den zwei Treffern quasi einluden.
Der BVB kann erhobenen Hauptes auf das Spiel in Manchester blicken
Dennoch kann Dortmund, wenn der erste Frust über die Niederlage abgeworfen ist, erhobenen Hauptes auf die Partie blicken. „Das Ergebnis und die Leistung zeigen, dass wir mithalten können“, sagte Abwehrchef Mats Hummels. In der Tat. Der BVB hat dank der couragierten Vorstellung jetzt im Rückspiel tatsächlich die Chance, ins Champions-League-Halbfinale einzuziehen. Denn er bewies im Hinspiel gegen Top-Favorit City, dass er das dafür nötige hohe Niveau erreichen kann.
Ob Terzics Auswahl jetzt aber in die Runde der letzten Vier in Europas Eliteklasse vorstößt oder nicht: Mindestens ebenso wichtig ist, dass die BVB-Profis erkennen, zu welcher Leistung sie imstande sind. Wenn sie ihr Potenzial endlich konstant abrufen, wenn sie ans Limit gehen, wenn sie Härte und Herz auf den Platz bringen. So, wie sie am Dienstagabend Manchester City begegnet sind, so müssen sie in jedes Spiel gehen. Nicht nur im seltenen Flutlicht-Glanz der Champions League. Immer.
Die allerletzte Chance für den BVB in der Bundesliga
Denn die Bundesliga ist nicht weniger wichtig, mit mehr Leistungen à la Manchester würde der BVB dort nicht derart in der Klemme stecken. Im Endspurt der Liga braucht es nun sieben Mal die Manchester-Mentalität. Genau wie dort vor dem Anpfiff wettet auch in der Liga gerade keiner mehr wirklich darauf, dass der BVB es noch packt. Und, Borussen, erkennt ihr eure Chance?
Sascha Klaverkamp, Jahrgang 1975, lebt im und liebt das Münsterland. Der Familienvater beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit der Sportberichterstattung. Einer seiner journalistischen Schwerpunkte ist Borussia Dortmund.
