In hohem Bogen fliegt der Ball ins Netz. Fast wie in Zeitlupe. Unaufhaltsam, unabänderlich. Christoph Baumgartners feiner Lupfer zum 2:0 (73.) macht in seiner Frechheit und Klarheit das Debakel für die deutsche Nationalmannschaft noch einen Tick schmerzhafter, als es ohnehin schon ist. Mit einer Peinlich-Pleite im Nachbarschaftsduell verabschiedet sich die DFB-Elf aus dem Kalenderjahr 2023. Wie der EM-Gastgeber im nächsten Sommer mit den besten Mannschaften Europas auch nur ansatzweise mithalten will, bleibt nach dem nächsten stümperhaften, stimmungsarmen und gänzlich stillosen Auftritt ein Rätsel.
DFB-Elf blamiert sich gegen Österreich
Wie man Fußball mit Leidenschaft spielt, zeigte die andere Mannschaft. Marcel Sabitzer formte seine beiden Hände zu einem Herz, schickte Liebesgrüße Richtung Tribüne. So freundschaftlich ergeben hatte ihm Sekunden zuvor auch Jonathan Tah als Gastgeschenk den Raum gelassen, den der Österreicher benötigte. Eine kleine Körpertäuschung, ein Flachschuss mit rechts ins kurze Eck, dann schwenkten die 46.000 Zuschauer im Ernst-Happel-Stadion vergnügt ihre rot-weiß-roten Fahnen (29). Dieser Schuss ins Herz zum 1:0 nach einer knappen halben Stunde brachte die verdiente Führung für Team Austria gegen eine deutsche Nationalmannschaft, die eine in jeder Hinsicht blamable Leistung zeigte.
Bundestrainer Julian Nagelsmann hatte angesichts des hohen Ergebnisdrucks auf den Faktor Erfahrung gesetzt. 29,8 Jahre alt war die Startelf im Durchschnitt, und so alt sah sie auch aus, wenn die Österreicher Tempo aufnahmen. Die drei Wechsel in der Startformation – Mats Hummels, Leon Goretzka und Serge Gnabry für Benjamin Henrichs, Joshua Kimmich und Florian Wirtz – bewirkten drei Tage nach dem blamablen 2:3 gegen die Türkei keinen Unterschied. Verunsichert, vielleicht auch von den taktischen Vorgaben von Nagelsmann überfordert, begab sich die DFB-Elf in jene „Opferrolle“, die der Coach vermeiden wollte.
Auf das situative Pressing der Gastgeber und deren Spiel in die Tiefe fand die deutsche Mannschaft ebenso wenig eine Antwort wie in den ruhigen Ballbesitzphasen. Dann gab es Standfußball. Keine Dynamik. Keine Ideen. Keine Verantwortung. Frühe Ballverluste durch ungenaues Passspiel oder weil permanent ein Gegner an den Fersen klebte, der Scheinriese Deutschland verwandelte sich beim vermeintlich kleinen Nachbarn in einen Fußballzwerg. „Wir wollen schon zeigen, was wir Skifahrer auch draufhaben“, hatte Baumgartner angekündigt. Und Wort gehalten. „Immer wieder Österreich“ – der Dauergesang auf den Rängen fasste das Spielgeschehen gut zusammen.

Bis zur Pause blieb eine Einzelaktion von Leroy Sané die einzige Gefahrenquelle (32.), die Gastgeber hätten durch Michael Gregoritsch zweimal treffen können, einmal entschärfte Torhüter Kevin Trapp mit einem bemerkenswerten Reflex (12., 17.). Der Mittelstürmer auf der anderen Seite, Niclas Füllkrug, kam bis dahin 14 Mal an den Ball und beim Seitenwechsel nicht mehr auf den Rasen zurück. Thomas Müller kam in die Partie, die Deutschland bald nur noch mit zehn Mann bestritt. Sané, kurz vor der Halbzeit bereits durch ein Frustfoul aufgefallen, stieß seinen Gegenspieler Philipp Mwene mit voller Wucht um – glatt Rot für den Münchner (49.). Rückstand, Unterzahl, Deutschland katastrophal. Österreich erfreute sich nach der spielerischen Hoheit nun auch der numerischen Überlegenheit und spielte die Vorteile aus.
Deutschland wiederum ist auch unter Neu-Bundestrainer Nagelsmann maximal Mittelmaß im internationalen Vergleich. Der Doppelfehler in den jüngsten zwei Länderspielen ist kein Zufall – und mindestens bis März nicht zu korrigieren.
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