Diskussion um BVB-Stadionnamen Tradition trifft auf finanzielle Retter

Der Streit um den Stadionnamen beim BVB: Tradition trifft auf die finanziellen Retter
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Es gibt Rote Linien für einige schwarzgelbe Fans. Der Tradition verpflichtet und vom Mythos bestärkt, verbunden mit dem Gefühl von Heimat und Identifikation, halten sie beharrlich daran fest. Für sie ist und bleibt der Fußballplatz an der Adresse Strobelallee 50 in 44139 Dortmund für immer und ewig das „Westfalenstadion“. Jährlich feiern sie Anfang April „Stadiongeburtstag“.

BVB-Stadion mit 62 Meter hohen gelben Pylone

Sie nennen die schmucke Betonschachtel ihren „Tempel“ oder bezeichnen sie gleich als ihr zweites Zuhause. Längst sind die acht 62 Meter hohen gelben Pylone, egal ob vor leuchtendem Himmelblau oder angestrahlt in der schwarzen Nacht, das gefühlte Wahr- und Ausrufezeichen der Stadt Dortmund und der gesamten Region.

In diesen vier Ecken muss diese Echte Liebe drin stecken, an diesem Ort des ungehemmt ausgelebten Gefühlsspektrums. Spiele und Spieler vergehen. Superstars kommen und gehen, Trainer fallen und stehen. Triumphe werden von Tränen abgelöst und umgekehrt. Ob Vereinsmächtige und umjubelte Mannschaften, ob Dauerkarte in dritter Generation oder Eventfan. Alle zusammen machen einen Teil der Faszination Borussia Dortmund aus.

Doch über allem thront, in all seiner Masse umweht von den unschätzbaren kulturellen und gesellschaftlichen Werten, dieses Stadion. Ein Monument, das Hochs und Tiefs überdauert. Einer der wenigen Fußballplätze auf der Welt, wo die Tribünen Tore schießen können. Ein Stadion, über dessen korrekte Bezeichnung ein nicht enden wollender Streit andauert.

Signal Iduna hilft dem BVB

2005 half die Versicherungsgruppe Signal Iduna, ansässig in Dortmund und Hamburg, dem von der Insolvenz bedrohten Klub, indem sie die bestehende Partnerschaft mit dem BVB ausbaute und mit dem Kauf der Namensrechte am Stadion ihren Teil zur Gesundung beitrug. In den Jahren zuvor hatten auch andere Bundesliga-Standorte auf diesem Weg frisches Geld generiert. In einigen Städten hat sich der Name der Arenen seitdem so oft geändert, dass sich kaum jemand die aktuelle Version merken kann und will.

Das Westfalenstadion im Jahr 2005 aus der Luft.
So sah das Dortmunder Stadion am 1. Mai 2005 aus. © picture-alliance/ dpa/dpaweb

Das ist in Dortmund anders. Seit bald zwei Jahrzehnten ragen die 15 bis zu 3,50 Meter hohen Buchstaben „Signal Iduna Park“ in die Luft, sichtbar von nah und fern. „Wir haben im Stadionlogo auf unsere Unternehmensfarben verzichtet. Wir wollten Rücksicht nehmen auf die Fankultur und haben akzeptiert, dass wir den Signal Iduna Park im Logo in Schwarz und Gelb darstellen und nicht mit Blau und Weiß“, erklärte Dr. Ulrich Leitermann, Vorstand der Signal Iduna, im April 2023 im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten.

BVB-Fans protestieren

Für die wiederkehrenden Proteste der Fans gegen die Umbenennung des Stadions – und damit beispielhaft gegen die unaufhaltsame Kommerzialisierung im Fußball – hatte Leitermann nur bedingt Verständnis geäußert. „Akzeptiert doch die Verhältnisse, die wir haben“, appellierte er. „Das Stadion heißt bis mindestens 2031 Signal Iduna Park.“ Für den 2022 zum zweiten Mal langfristig verlängerten Vertrag zahlt der Sponsor einen Betrag von knapp 100 Millionen Euro und profitiert vom Bekanntheitsgrad eines der schönsten und stimmungsvollsten Fußballstadien der Welt.

Der Streit um den Stadionnamen beim BVB: Tradition trifft auf die finanziellen Retter

Während manche Abiturienten in der Stadt mit dem „Signal Iduna Park“ aufgewachsen sind und das „Westfalenstadion“ nur vom Hörensagen kennen, hält sich der Widerstand in der organisierten Fanszene von Beginn an. „Gut zu wissen, dass es das Westfalenstadion gibt“, hieß es auf großen Bannern im Oktober 2005 in einer Verballhornung des Werbespruchs des Sponsors und Anteilseigners. „Durch jeden neuen Vertrag verlängert ihr unseren Protest“, war im August 2008 auf der Südtribüne zu lesen. „Herzlich Willkommen im Westfalenstadion Dortmund“, begrüßt die größte Ultragruppe „The Unity“ alle 14 Tage den Gegner.

BVB-Anhänger mit einer riesengroßen Choreografie

„Für immer Westfalenstadion“ lautete der Slogan einer riesengroßen Choreografie am 8. April vergangenen Jahres anlässlich des 49. Stadiongeburtstags. Daraufhin entspann sich die Kontroverse um Namensrechte und Kulturgut, die Kritik am Kommerz und den unkäuflichen Volksmund von Neuem. Umgangssprachlich hat sich der begrifflich sperrige „Signal Iduna Park“ nicht zu 100 Prozent durchgesetzt, landes- und weltweit bekannt ist der Sponsor trotzdem geworden. Er wird stark mit Borussia Dortmund assoziiert.

Ein Plakat aus der Südtribüne mit der Aufschrift "Für immer Westfalenstadion"
Für viele BVB-Fans ist der Signal Iduna Park immer noch das Westfalenstadion. © picture alliance/dpa

Bis am 2. April der runde Geburtstag ansteht und im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart vier Tage später die BVB-Familie anstößt auf ihr Schmuckkästchen, laufen die Vorbereitungen allerorten auf Hochtouren. Planungsgruppen beim Klub, in der Fanszene und beim Namensgeber wollen dafür sorgen, dass das ehrwürdige Stadion groß gefeiert wird. „Wir werden uns mit einigen Überraschungen und Premieren in die Feierlichkeiten einbringen, um zusammen mit den Fans dieses Jubiläum gebührend zu feiern“, teilte die Signal Iduna auf Anfrage mit. In Vorbereitung des Jubiläums sei man „seit Mitte letzten Jahres in den intensiven Austausch mit dem BVB und den Fans getreten, wobei beide Seiten viel voneinander lernen konnten.“ Die „durchaus heterogenen Reaktionen“ nehme man sehr ernst.

UEFA benennt Signal Iduna Park um

Bei der „Sisyphusarbeit“, wie Leitermann die Etablierung des Namens beschreibt, gibt es neben traditionsbewussten Fans einen weiteren Akteur, der nicht mitspielen will: Wenn die Uefa für Partien der Champions League das Sagen übernimmt, heißt Dortmunds prächtigstes Bauwerk nüchtern „BVB-Stadion Dortmund“. Und wenn im Sommer die Europameisterschaft mit sechs Spielen auch in Dortmund ausgetragen wird, muss die großflächige Reklame dann sogar abmontiert oder abgedeckt werden.

„Das Wichtigste“ sei, sagt die Signal Iduna, „zusammen im schönsten Stadion der Welt viele Heimsiege im Jubiläumsjahr zu feiern.“ Darauf werden sich alle Interessensgruppen einigen können.

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Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 7. Februar 2024.

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