
Der fliegende Norweger: Erling Haaland trifft artistisch zum 2:1 für Manchester City gegen den BVB. © imago / NTB
Der BVB wächst über sich hinaus – doch Haaland macht den Unterschied
Borussia Dortmund
Der BVB zeigt in Manchester eines seiner besten Auswärtsspiel der jüngeren Vergangenheit. Doch City reichen vier Minuten – und ein Haaland-Geniestreich.
Verletzungsgeplagt und zuletzt mit 0:3 in Leipzig böse erwischt. Und ausgerechnet dann ging es für den BVB gegen den englischen Meister Manchester City – mit der vielleicht am besten besetzten Offensive des Fußball-Kontinents. Kein Wunder, dass rund um die Dortmunder Borussia die Sorgen vorab groß waren, in England womöglich heftige Prügel zu kassieren. Aber: Die Schwarzgelben setzten ihre Mittel am Mittwochabend gegen City klug und effizient ein – und boten dem großen Favoriten beherzt die Stirn.
Der BVB verteidigt bei Manchester City hellwach und fleißig
Nach einer Schweigeminute zu Ehren der verstorbenen Queen Elizabeth II. übernahm City zwar wie erwartet sogleich die Regie und drängte den BVB weit zurück. Dieser aber verteidigte hellwach und fleißig, verschob gut bei Citys Ballverlagerungen auf die Außenbahnen und blockte im eigenen Strafraum etliche Schüsse. Der Effekt: Manchester produzierte in den ersten 45 Minuten trotz aller Überlegenheit kaum klare Chancen.
Außergewöhnlich bei der Offensivqualität der Cityzens, die Erling Haaland, Kevin De Bruyne, Ilkay Gündogan, Jack Grealish und Riyad Mahrez aufboten. Es gelang, weil BVB-Cheftrainer Edin Terzic sich entschieden hatte, der hellblauen Wucht ein hart gegen den Ball arbeitendes 4-3-3-System entgegenzustellen. Niklas Süle und Mats Hummels sollten in der hintersten Linie die Mitte abdichten, Emre Can postierte Terzic als zentralen Abräumer auf der Sechser-Position sowie Jude Bellingham und Salih Özcan noch davor.
BVB-Kapitän Marco Reus schlenzt den Ball knapp am Pfosten vorbei
Das Signal: Geballte Kampfkraft sollte im Etihad Stadium Dortmunds Trumpf sein. Es wirkte. City zwang den BVB zwar ob eines permanenten Pressings häufig zu frühen Ballverlusten, doch Terzics Elf lief Passwege auf den lauernden Haaland immer wieder erfolgreich zu, verbarrikadierte den eigenen Strafraum teils mit zehn Feldspielern und kam sogar selbst zum einen oder anderen Konter. Zur Halbzeit rieben sich die Zuschauer verwundert die Augen: Auf der Videowand stand ein 0:0, und BVB-Torhüter Alexander Meyer hatte bis dato nicht ein einziges Mal im Brennpunkt gestanden. Eine Großchance für die Gastgeber, die im Europapokal seit 20 Heimspielen unbesiegt waren? Fehlanzeige.
Im Gegenteil: Die erste dicke Chance gehörte kurz nach der Pause dem BVB. Marco Reus schlenzte nach einer feinen Einzelaktion nur knapp am langen Pfosten vorbei (52.).
Mit Köpfchen: Jude Bellingham bringt den BVB mit 1:0 in Führung
Es war der Vorbote für schwarzgelbe Glücksgefühle, denn kurz darauf schlug es im City-Tor ein: Nach einer Ecke hob Reus den Ball zentral vor das Tor, Jude Bellingham lief in die Flanke und drückte sie per Kopf zum 1:0 in die Maschen (56.). Eine Jubeltraube feierte vor dem kochenden Dortmunder Fanblock. Manchester rannte nun wütend an, erhöhte noch einmal den Druck, die Borussia aber wehrte sich weiter mit voller Kraft und ließ sich defensiv lange nicht in Unruhe versetzen. Die Spannung stieg von Minute zu Minute.
Haaland schoss aus spitzem Winkel knapp vorbei (67.). Der eingewechselte BVB-Angreifer Donyell Malen behauptete sich im Defensivzweikampf (68.). Niklas Süle grätschte in höchster Not (69.), ebenso wie Mats Hummels (72.), der danach mit Meyer abklatschte.
Erling Haaland setzt den Schlusspunkt gegen den BVB
Die Borussen verteidigten sich nun in einen Rausch. Und City lief sich im Borussen-Bollwerk immer wieder fest. Da musste schon rohe Gewalt her, um den BVB auszuhebeln: John Stones zog aus 17 Metern ab – 1:1 (80.). Jetzt wollte City mehr – und bekam mehr. Natürlich von ihm: Erling Haaland warf sich in der Luft artistisch in eine Flanke von Cancelo, und urplötzlich war das Spiel gedreht. 2:1 (84.). Was für eine irre, für eine bittere Wendung. Der BVB, der sich extrem teuer verkaufte und City alles abverlangte, hätte mehr verdient gehabt an diesem mitreißenden Europapokalabend, ging aber mit leeren Händen vom Platz.
Sascha Klaverkamp, Jahrgang 1975, lebt im und liebt das Münsterland. Der Familienvater beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit der Sportberichterstattung. Einer seiner journalistischen Schwerpunkte ist Borussia Dortmund.
