Die dicken Schlagzeilen gehörten jemand anderem. In erster Linie natürlich Julian Rijkhoff. Der Niederländer hatte beim 4:0-Erfolg bei Hertha BSC dank seiner vier Treffer den Großteil der Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Aber es gab im Halbfinal-Hinspiel der Deutschen Meisterschaft noch einen weiteren Protagonisten, der eine ähnlich große Lobeshymne wie Rijkhoff verdient hatte: Danylo Krevsun.
Überraschender Startelf-Einsatz
Den 17-jährigen Ukrainer dürften sie bei Hertha wohl nicht auf dem Schirm gehabt haben. Nach zwei Kurzeinsätzen gegen Oberhausen und Leverkusen mit insgesamt nur 19 Einsatzminuten beorderte Mike Tullberg Krevsun vollkommen überraschend in die Startformation. „Im Bus hat er mir gesagt, du bist bereit – du stehst in der Startelf. Ich bin wirklich glücklich darüber, dass ich von Beginn an gespielt habe. Ich habe versucht, mein Bestes zu geben“, berichtet Krevsun im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten.
1,73 Meter groß, ist er eher ein schmächtiges Kerlchen. Im Kabinengang nach dem Spiel spricht Krevsun leise und bedächtig auf Englisch. „Vor dem Spiel war ich ein bisschen nervös, aber als das Spiel lief, ist das verflogen“, sagt er. In der Jugend als Fußballer bei Schachtar Donezk ausgebildet, musste er mit seiner Mutter Yuliya im vergangenen Jahr vor dem Krieg in seiner Heimat fliehen. In Dortmund kommen sie bei der Leichtathletin Jana Hartmann unter.
Eine Bereicherung für die BVB-U19
Krevsun trainiert im vergangenen Sommer bereits beim BVB mit, wechselt aber zunächst zu Preußen Münster. Dort steht er in allen sieben Partien bis zur Winterpause jeweils von Beginn an auf dem Platz, erzielt vier Tore. Im Duell mit dem BVB geht er leer aus. Weil er trotzdem überzeugt, wechselt Krevsun im Winter nach Dortmund. „Er tut der Gruppe enorm gut, denn er nimmt nichts als selbstverständlich an, sondern versucht in jeder Sekunde, besser zu werden. Das sehen die anderen Spieler und schärft bei ihnen die Sinne, wie besonders es ist, für Borussia Dortmund zu spielen“, ist Trainer Mike Tullberg schon im Januar angetan vom jungen Ukrainer.
Krevsun verfügt über eine starke Technik, muss körperlich aber noch zulegen. In den kommenden Monaten besticht er durch Fleiß und Ehrgeiz, ist aber angesichts starker Konkurrenz im Kader kein Kandidat im Hintertreffen. Bis jetzt. Im Halbfinal-Hinspiel in Berlin katapultiert Tullberg den 17-Jährigen in die Startformation. 69 Minuten beackert Krevsun den Gegner, sticht von der rechten Halbposition aus auch immer wieder ganz nach vorne.
Dickes Lob von BVB-Trainer Tullberg
„Wir haben sehr viele feine Fußballer in unseren Reihen. Wir brauchten einen, der anlaufen, viel sprinten kann, der aktiv ist und auch mal grätscht. Danylo hat uns genau das gegeben. Ich freue mich sehr über seine Leistung. Es war genau die richtige Entscheidung, ihn zu bringen“, lobte Mike Tullberg.

Krevsun selbst rückt lieber das Team in den Vordergrund: „Jeder hat 100 Prozent gegeben, die Mannschaft, der Trainer, der Staff – wir haben alle einen guten Job gemacht.“ Noch sei die Aufgabe allerdings nicht erledigt. „Der Trainer hat uns klargemacht, dass das nur die Hälfte der Arbeit war. Wir müssen auch im Rückspiel eine gute Leistung zeigen“, betont Krevsun.
Krevsuns Vater weiterhin in Kiew
An diesem Tag aber darf er sein Startelf-Debüt für Borussia Dortmunds U19 genießen. Ein unbeschwerter Moment. Genau deshalb so wertvoll. Denn sein Vater ist noch immer in Kiew, von der Familie getrennt. Männer im wehrfähigen Alter dürfen die Ukraine nicht verlassen. Für sie gilt ein Ausreiseverbot, weil sie im schlimmsten Fall mit zu den Waffen greifen müssen.
„Meine Verwandten in der Ukraine können aktuell ein halbwegs normales Leben führen. Aber es kann immer sein, dass es Raketenbeschuss gibt. Es ist also natürlich auch gefährlich“, sagt Danylo Krevsun. Die Angst um den Papa einerseits, die Freude über das Leben in Dortmund andererseits. Zwiespältige Gefühle. Eins aber steht für Krevsun fest: „Ich möchte gerne hier in Deutschland bleiben.“ Er hat noch zwei weitere Wünsche: „Mein Traum ist es, einmal für die Profis zu spielen. Aber vorher möchten wir die Meisterschaft gewinnen.“ Mein Traum – diese beiden Worte sagt er auf Deutsch. Zwei wichtige Vokabeln, die er verinnerlicht hat – und deren Bedeutung ihm Hoffnung geben.
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