Diese Sätze musste man zweimal lesen. Der darin enthaltene Zuspruch kam schließlich aus einer unerwarteten Ecke. In ihrer unaufgeregten Klarheit und mit dem kompetenten Hintergrund wirkte die sonst so unerwünschte Einlassung aus dem Kreis des FC Bayern diesmal als Bestätigung und weniger als Spitze. Uli Hoeneß, Ehrenpräsident der Münchner, meinte Anfang Februar über Borussia Dortmunds neuen Coach: „Niko Kovac ist ein sehr seriöser, sehr solider Trainer. Für diese unruhigen Zeiten, die die Borussia jetzt im Moment durchmachen muss, ist er genau der richtige Mann.“
Hoeneß lobt BVB-Trainer Kovac
Genau dieser Uli Hoeneß hatte den 2018 noch als Wunschtrainer von Eintracht Frankfurt verpflichteten Kovac nach nur 16 Monaten bei den Bayern wieder entlassen. Wie auch danach bei der AS Monaco oder beim VfL Wolfsburg blieb Kovac kaum zwei Jahre im Amt. Zeit ist knapp und kostbar im Fußball. Deswegen kämpft der Deutsch-Kroate jetzt bei Borussia Dortmund im doppelten Sinn: Er will mit dem BVB die Kurve kriegen, die Mannschaft stabilisieren und noch in den Europapokal führen. Und natürlich will er sich selbst und allen anderen beweisen, dass er Konzepte bereithält, die Kontinuität gewährleisten. Erfolgreiche Trainer, so hat er es beobachtet, seien diejenigen, die am längsten an einem Arbeitsplatz blieben. Ursache und Wirkung sind da nicht so leicht zu trennen.
Während möchtegern-moderne Trainer mit ausgefeilten Fußballphilosophien reüssieren wollen und mit Fachbegriffen nur so um sich werfen, bedient sich Kovac, der Ex-Profi, eher bei altbekanntem Pöhler-Vokabular. Nichts überfrachten, sondern mit den „basics“ beginnen. Ruhe bewahren statt zusätzlichen Stress produzieren. Die Dinge einfach halten. Sein Ansatz in Dortmund ist pragmatisch, praktisch – und gut?
BVB-Kapitän Can über Kovac: „Das haben wir gebraucht“
„Er bleibt einfach ruhig. Mit seiner Erfahrung moderiert er das sehr, sehr gut“, lobte BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl den 53-jährigen Cheftrainer Kovac nach den ersten durchaus wechselhaften Wochen. Anders als seine aufgeregten und schwarzgelb vorbelasteten Vorgänger Nuri Sahin und Edin Terzic kann der gebürtige Berliner Kovac nicht nur als Spieler, sondern auch als Trainer auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Der „Impuls von außen“ (Geschäftsführer Lars Ricken), den Kovac setzt, ist daher wohldosiert. Im laufenden Betrieb, mit einer gänzlich verunsicherten Mannschaft, lässt sich der Fußball nicht neu erfinden. So gesehen ist Kovac, dessen Berufung in Fankreisen durchaus kritisch gesehen wurde, das Anti-Experiment: Man weiß, was man bekommt. Die Spieler wissen es zu schätzen. „Nach den ganzen Niederlagen und negativen Schlagzeilen war es gut, dass er ruhig und positiv geblieben ist“, sagt Kapitän Emre Can. „Das haben wir gebraucht.“
Für den Faktor Erfahrung steht nicht nur Kovac selbst, sondern auch seine Personalauswahl. Er vertraut lieber etablierten Spielern, die bereits Drucksituationen kennen und bei ihren Leistungen eine gewissen Verlässlichkeit garantieren. Das Entwicklungsprojekt für die Dortmunder Talente liegt auf Eis. Und: Kovac setzt seine Profis vorzugsweise auf deren Lieblingspositionen ein, weil sie dann mit größerer Überzeugung ihre Qualitäten ausspielen.
BVB-Trainer Kovac fordert Hingabe und Leidenschaft
An eben diese Fähigkeiten hat der neue Cheftrainer sein Personal in vielen Gesprächen erinnert. Er redet die Spieler stark, sieht bildlich gesprochen im Gegensatz zu manchen Verantwortlichen und vielen Anhängern mehr halbvolle als halbleere Gläser. Es ist eine Art Wagenburg-Mentalität, die er schaffen will, um das Team zu einen, eine kleine Einheit gegen alle Widerstände. Die positive Bestärkung nach außen und innen ist bewusst gewählt als ein Kontrapunkt zur Dortmunder Dauerkrise. „Er weist auf die Dinge hin, die gut sind, aber er legt auch den Finger in die Wunde“, sagt Kehl und ergänzt die Aussage um einen Satz, der nicht unterschätzt werden sollte. „Niko hat immer an diese Mannschaft geglaubt.“
Zeitweise Tabellenelfter – das soll Borussia Dortmund sein? Da fiel es leicht, den Kopf zu schütteln, und es fiel umso schwerer, in die Köpfe der Spieler zu gelangen, um Frust und Verunsicherung beiseitezuschieben und frische Zuversicht zu säen. Kovac wählt einen absolut pragmatischen Weg. Und der sieht in erster Linie eines vor: Arbeit. Viel Arbeit. Harte Arbeit. „Ich fordere von jedem Einzelnen Hingabe und Leidenschaft“, sagt Kovac. Ab dem frühen Morgen lebt er das am Trainingsgelände vor, erst spät abends geht es zurück ins Hotel, wo er dann auch mal abschalten kann vom Fußballbetrieb.
BVB-Problemfälle Brandt und Süle
Die Schubladen, in die der gebürtige Berliner gesteckt wird, kennt er längst. Sie sind mit „Disziplin“, „Harter Hund“ oder „Rücksichtslos“ beschrieben. Ein langjähriger Weggefährte schmunzelt. Er weiß um die Vorbehalte, er hält sie für absurd. „Ich habe bei keinem Trainer eine größere Nähe zu seinen Spielern gesehen als bei ihm. Mit Nähe meine ich nicht Klüngelei oder Freundschaft, sondern das Interesse an den Menschen und an ihrer Weiterentwicklung als Spieler“, sagt der Insider. In Niklas Süle oder Julian Brandt hat Kovac Problemfälle zu lösen, die seine Fähigkeiten als Einflüsterer auf die Probe stellen.
Entwickeln will Kovac nicht zuletzt die Fitness der Spieler. Mit gewissem Stolz verweist er darauf, dass seine Mannschaften in der Bundesliga immer zu den laufstärksten (Distanz, Sprints, intensive Läufe) gehört haben. Diese Grundlage, ergänzt um die spielerische Klasse der Dortmunder Auswahl, müsse zum Erfolg führen, meint er. Zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt mitten in der Rückserie ließ der Trainer seine Spieler bluten – Laktattest Ende Februar, um Werte zu bekommen, die Eindrücke bestätigen. Der BVB kann und muss mehr Meter investieren, um Spiele zu gewinnen. Auf Dauer hilft nur Ausdauer.
38 BVB-Gegentore sprechen eine klare Sprache
Einem anderen Vorurteil tritt der neue Dortmunder Hauptübungsleiter energisch entgegen. Seine Mannschaften spielten eher bieder als begeisternd, heißt es oft. Mindestens für die Zeit in Frankfurt und Phasen in Wolfsburg gilt das nicht. Beim BVB nach 38 Gegentoren in 23 Bundesliga-Spielen ein Augenmerk aufs Verteidigen des eigenen Strafraums zu legen, ist nur folgerichtig. Am liebsten ist es dem Coach, wenn die Abwehr dabei hoch steht, die Innenverteidiger sogar in die andere Hälfte vorschieben. Von dort könnten gegnerische Stürmer keine Tore schießen, und selbst habe man nur noch einen kurzen Weg zum Strafraum.

„Hohe Ballgewinne, schnelles Umschalten, Läufe in die Tiefe – das will ich sehen“, sagt Kovac. Lieber Gegenpressing und sofort nach vorne spielen, wenn der Gegner unsortiert ist, als ewig lange Ballstafetten ohne Raumgewinn und Aussichten auf Torchancen. Lieber Flanke um Flanke in den Strafraum schicken als nur um die Box herum zu spielen. Lieber „zweite Bälle“ gewinnen als dem Gegner die Chance geben, sich immer wieder neu zu sortieren. Und das alles, er sagt es immer wieder, mit einer höheren Aggressivität und Intensität.
Führt Kovac den BVB ins internationale Geschäft?
Niko Kovac, so sagte es Lars Ricken, stehe für Erfolg. Das war etwas dick aufgetragen, schließlich wollte er ihn am liebsten nur als Feuerwehrmann und kurzzeitig engagieren, die Lobhudelei leuchtete nicht jedem Beobachter direkt ein. Doch in der Nach-Klopp-Zeit gewann dessen x-ter Nachfolger zwei DFB-Pokalsiege sowie eine Deutsche Meisterschaft und damit mehr Titel als der BVB, holte auch bei den Bayern mehr raus als Thomas Tuchel oder Julian Nagelsmann.
Von silbernen Pokalen oder Schalen träumt in Dortmund derzeit niemand. Für Kovac wäre es ein Erfolg, den BVB noch ins internationale Geschäft zu führen. Nur dann steigen seine Chancen, den bis Sommer 2026 gültigen Vertrag erfüllen zu dürfen. Für den selbstbewussten Trainer wäre es eine gewisse Genugtuung, Uli Hoeneß und der ganzen Fußballwelt zu zeigen, dass er mehr ist als ein solider, seriöser Trainer. Die Chance dazu hat er.